Flugbewegungen am Himmel reduzieren
Eine Begrenzung der Erderwärmung wird nur gelingen, wenn es zu einer Mobilitätswende kommt. Sie muss aber mehr sein als eine Umstellung der Antriebstechniken. Die klimaschädlichste Form der Mobilität ist der Luftverkehr, der gleichzeitig stark subventioniert wird. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) fordert deshalb eine Abkehr vom Wachstumskurs.
Schon in der Antike haben die Menschen vom Fliegen geträumt. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts konnte sich aber nur ein kleiner, exklusiver Teil in der westlichen Welt diesen Traum erfüllen. Als Mitte der 1970er-Jahre der Erfolgssong von Reinhard Mey „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ die Sehnsucht der Menschen ansprach, stiegen bereits 500 Millionen Menschen pro Jahr in ein Flugzeug. Wer dem Sänger genau zugehört hat, konnte bereits damals vernehmen, dass das Fliegen, Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringt. „Es dröhnt in meinen Ohren“, singt Reinhard Mey und „In den Pfützen schwimmt Benzin“. Aber wer wollte das damals schon hören?
Der Fortschritt nahm Fahrt auf und mit ihm die Zahl der Flugbewegungen und Passagiere. Bevor die Corona-Pandemie den Aufschwung des weltweiten Luftverkehrs jäh gestoppt hat, reisten jährlich weltweit 4,5 Milliarden Menschen mit dem Flugzeug. Soll das so weitergehen, nachdem die Corona-Beschränkungen gefallen sind? Wenn es nach der Luftverkehrswirtschaft geht, wird der Corona-Knick bereits 2024 überwunden sein. Dann will die Branche wieder auf den Wachstumskurs einschwenken.
Der Luftverkehr ist für etwa acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Keine andere Form der Mobilität ist so klimaschädlich und keine wird zugleich von den Regierungen so massiv subventioniert wie der Luftverkehr. Von Verpflichtungen, zum Klimaschutz beizutragen, ist die Branche bis heute so gut wie verschont geblieben.
Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF), die als Vereinigung von Bürgerinitiativen und Gemeinden seit mehr als fünfzig Jahren gegen Fluglärm kämpft, hat dazu eine klare Position: Nur wenn die Zahl der Flugbewegungen kontinuierlich zurückgeht, können auch der gesundheitsschädigende Flugverkehr, die Belastungen durch Feinstaub und die klimaschädlichen Emissionen reduziert werden. Deshalb ist es an der Zeit, dass der Luftverkehr gezwungen wird, den Wachstumskurs zu verlassen und in den "Sinkflug" überzugehen.
Ein erster Schritt dazu muss die Streichung aller umweltschädlichen Subventionen sein. Mehr als zwölf Milliarden Euro jährlich kommen der Branche allein aus dem Bundeshaushalt zugute, weitere Hilfen von Städten und Ländern noch nicht eingerechnet.
Ein Grund für die rasante Entwicklung des Flugzeugs als Massentransportmittel liegt darin, dass die vom Luftverkehr ausgehenden Belastungen von Mensch und Umwelt bis heute kostenlos sind. Eine Einbeziehung des Luftverkehrs in das System der CO2-Bepreisung und die vollständige Erfassung der Klimaeffekte des Luftverkehrs würden dazu führen, dass ein Flug nach Mallorca nicht mehr billiger wäre als die Parkgebühren am Flughafen.
Kurzstreckenflüge streichen, Starts und Landungen reduzieren
Der entscheidende Hebel für eine Mobilitätswende liegt aber darin, die Zahl der Flüge zu beschneiden. Aufgrund des guten Ausbaus der Fernstrecken der Bahn könnte auf Kurzstreckenflüge unter 600 Kilometer bereits heute vollständig verzichtet werden. Damit allerdings die Fluggesellschaften die freiwerdenden Slots nicht für längere Strecken verwenden, fordert die BVF, dass der Gesetzgeber jährlich drei Prozent der aktuellen Start- und Landerechte an den deutschen Flughäfen streicht. Diese Maßnahme ist vor allem klimapolitisch geboten, weil andernfalls die vom Luftverkehr ausgehenden Klimaschäden nicht gesenkt werden können. Das Gerede der Luftverkehrsbranche vom klimaneutralen Luftverkehr durch den Umstieg auf Wasserstoffantrieb ist in Wirklichkeit nicht mehr als der Versuch, die Interessen der Branche zu verteidigen. Es kann keinen klimaneutralen Luftverkehr geben! Deshalb besteht keine Alternative zu einer kontinuierlichen Reduzierung von Flugbewegungen. Andernfalls bleibt die Mobilitätswende bloßes Gerede.
„Die Freiheit über den Wolken“ ist für die erdgebundenen Anwohner*innen der Flughäfen schon lange Ursache für schlaflose Nächte und sie gefährdet ihre Gesundheit durch Lärm und Schadstoffe. Wenigstens zwischen 22 Uhr und 6 Uhr muss es deshalb zum Schutz der Nachtruhe an allen Flughäfen Nachtflugverbote geben.
Gesundheit muss Lufthoheit zurückgewinnen
Die Interessen des Luftverkehrs genießen im deutschen Recht Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der Anwohner*innen. Deshalb fordert die BVF seit Jahren eine grundlegende Überarbeitung des Fluglärmgesetzes von 2007 und dessen Ausgestaltung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele. Insbesondere müssen die Lärmgrenzwerte an die Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung angepasst werden. Gleiches gilt für die Grenzwerte für Stickstoffoxide (NOx) und Feinstaub. Für die ultrafeinen Partikel, die bei der Verbrennung von Kerosin entstehen, gibt es bis heute nicht einmal europäische Grenzwerte. Das muss sich dringend ändern!
Die Luftverkehrsbranche muss endlich auch dazu gezwungen werden, durch technische Lösungen die Gesundheitsbelastung der Anwohner*innen, aber auch der Beschäftigten an den Flughäfen zu reduzieren. So könnte durch eine Entschwefelung des Flugkraftstoffes die Belastung mit Feinstaub und Ultrafeinstaub reduziert werden.
Wenn wir lebenswerte Bedingungen auf der Erde erhalten wollen, brauchen wir einen Kurswechsel in der Mobilität. Seit Fliegen zum Massentransport geworden ist, hat es seinen früheren Reiz verloren. Wie mit vielen anderen Dingen, könnte auch hier weniger mehr sein.
Der Autor
Werner Kindsmüller ist Vize-Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) und Gründungsmitglied von Kaarster gegen Fluglärm sowie Kaarster for Future.
Im Sommer 2022 veröffentliche die BVF das Positionspapier „Luftverkehr muss Wachstumskurs verlassen!“