Freude und Skepsis: UN-Abkommen für Meere
Nach 15 zähen Verhandlungsjahren gibt es seit dem ersten Märzwochenende ein Meeresabkommen zum Schutz der Hohen See. Das neue UN-Abkommen „Biologische Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt“ (BBNJ), das spät am 4. März auf der 5. Regierungskonferenz in New York vereinbart wurde, bietet die Grundlage, 30 Prozent der Meeresgebiete auf Hoher See bis 2030 unter Schutz zu stellen.
Die Gebiete sollen vernetzt sein, sodass im Idealfall auch Wanderkorridore beispielsweise für Wale geschützt sind. Erstmals sieht der Vertrag Umweltverträglichkeitsprüfungen beziehungsweise eine Bewertung der Auswirkungen neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten auf die biologische Vielfalt auf Hoher See vor. Zugang und Nutzung mariner genetischer Ressourcen werden neu geregelt und ein Vorteilsausgleich für Entwicklungsländer eingeführt. Entwicklungsländer sollen außerdem bei ihrer Beteiligung an dem neuen Vertrag und seiner Umsetzung unterstützt werden. Nach Übersetzung des Textes in die sechs Amtssprachen der UN soll die Regierungskonferenz das Abkommen noch einmal formell annehmen. Wenn 60 Staaten den Vertrag ratifiziert haben, kann er in Kraft treten.
Ein „historischer Moment“, sagte der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, der „sehr stolz auf dieses Ergebnis“ war. Die EU und ihre Mitgliedstaaten waren Teil der „BBNJ-Koalition der hohen Ambitionen“, eine Gruppe von 52 Ländern, die das Abkommen vorantrieben. Die EU habe außerdem 40 Millionen Euro zugesagt, um ärmere Drittstaaten bei der Umsetzung zu unterstützen. Am 2. März hatte die EU-Kommission auf der parallel zur entscheidenden Phase der UN-Verhandlungen für ein Meeresschutzabkommen in Panama organisierten Konferenz Our Ocean außerdem 816,5 Millionen Euro für insgesamt 39 Verpflichtungen ankündigt. Diese Maßnahmen für 2023 deckten Meeresschutzgebiete, Verschmutzung der Meere, Klimawandel, nachhaltige Fischerei, nachhaltige blaue Wirtschaft und maritime Sicherheit ab.
Der Meeresbeauftragte der Bundesregierung Sebastian Unger nannte das Abkommen einen „riesen Erfolg für Meeresschutz und internationale Zusammenarbeit“ (Twitter), das Bundesumweltministerium (BMUV) sah einen „historischen Durchbruch“. Umweltministerin Steffi Lemke zeigte sich „persönlich tief bewegt“, denn der Schutz der Hohen See sei „bisher besonders lückenhaft“ gewesen. Deutschland hatte auf der Our Ocean-Konferenz ebenfalls Gelder angekündigt: 300 Millionen Euro für 12 Projekte.
Der BUND lobte den „Naturschutz-Erfolg“ . Der WWF fand den Tag „zum Jubeln“ , die Staatengemeinschaft habe erhebliche Meinungsverschiedenheiten zu Gunsten der Natur und unserer Zukunft auf diesem Planeten schlussendlich überwunden. Nun müsse aber auch umgesetzt werden! Der NABU sah im BBNJ-Abkommen ebenfalls einen „bahnbrechenden Erfolg“. Im gleichen Atemzug kritisierte der Verband allerdings, dass es der deutschen Regierung scheinbar schwerer falle, vor der eigenen Haustür zu kehren: „Hohe See top, Deutsche Küste flop“, urteilte der NABU und legte einen 10-Punkte-Plan zum Schutz der Ost- und Nordsee vor. International sei die Bundesregierung Vorreiter in Sachen Natur- und Meeresschutz. „An den deutschen Nord- und Ostseeküsten sehen wir leider gegenläufige Entwicklungen. Mit der Umsetzung der EU-Notverordnung, dem Aussetzen von Umweltprüfungen, dem geplanten Bau von LNG-Terminals oder auch Windparks in Meeresschutzgebieten sowie der Debatte um CCS werden hier zeitgleich zum Finale der UN-Verhandlungen bestehende Schutzstandards reduziert. Da fehlt eine ganzheitliche Logik für den Schutz von Klima und Biodiversität“, kritisierte der NABU. [jg]
EU-Kommission: Pressemitteilung IP/23/1382 und Presseartikel sowie Konferenz „Unser Ozean“: EU kündigt Verpflichtungen im Wert von 816,5 Mio. EUR für den Schutz der Ozeane an
BMUV: Historischer Durchbruch für den Schutz der Weltmeere und Allianz für internationalen Meeresschutz
Ausführlich zum Inhalt des Vertrags (DLF, Jule Reimer): BBNJ: UN-Vertrag zum Meeresschutz
Was ist eigentlich die Hohe See?
Es geht bei der „Hohen See“ um die Bereiche des Meeres, die nicht unter der Kontrolle eines Staates stehen und weiter als 370 Kilometer beziehungsweise 200 Seemeilen von der Küste entfernt sind, sowie um Meeresböden außerhalb staatlicher Kontrolle (bis zu 350 Seemeilen entfernt von der Küste). Diese Gebiete machen fast zwei Drittel der Weltmeere aus und bergen eine reiche ökologische Vielfalt. Diese Meeresressourcen seien laut EU-Kommission „für die gesamte Menschheit von unschätzbarem Wert, was Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft und Ernährungssicherheit betrifft“. Allerdings seien sie zunehmenden Belastungen durch Umweltverschmutzung, Übernutzung, Klimawandel und zurückgehende Biodiversität ausgesetzt.