GAP: EU-Kommission will Umweltregeln streichen - Mitgliedstaaten stimmen zu
Die EU-Kommission will im Schnellverfahren Grundanforderungen in der Agrarförderung abschwächen. Umweltorganisationen kritisieren den Rückschritt scharf und appellieren an die Bundesregierung sich dagegenzustellen. Doch der EU-Agrarrat am Dienstag winkt den Vorschlag durch.
Es ist wohl der größte agrarpolitische Rückschritt der letzten Jahre: Am 15. März kündigte die EU-Kommission starke Abschwächungen bei den Grundanforderungen (Konditionalität) der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) an. Die Behörde reagiert damit auf die europaweiten Proteste des Agrarsektors und schlug die „gezielte Überprüfung“ sowie „Vereinfachungen“ der GAP-Regelungen vor. In einem Schnellverfahren und ohne Folgenabschätzung sollen insbesondere die Standards für einen guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) abgesenkt werden. Bei der Sitzung des Agrarrats am 26. März haben die Mitgliedstaaten über den Kommissionsvorschlag einstimmig zugestimmt. Das Europäische Parlament soll darüber noch im April abstimmen.
EU-Subventionen ohne Mindeststandards = Geld für nix?
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht diverse Anpassungen der GAP-Regelungen vor. Grundsätzlich sollen die Mitgliedstaaten mehr Befugnisse und „Flexibilität“ bekommen, die nationalen GAP-Strategiepläne kurzfristig anzupassen. Landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar sollen von allen verpflichtenden Mindestanforderungen und Kontrollen ausgenommen werden. Allein davon sollen laut Kommission 65 Prozent der Betriebe erreicht werden. Auch bei „widrigen Witterungsbedingungen“ sollen mehr Ausnahmen zulässig sein. Für die GLÖZ-Standards werden Anpassungen ins Spiel gebracht, die weit über die bereits beschlossenen Ausnahmen bei den Biodiversitätsflächen (GLÖZ 8, DNR-EU-News vom 29.02.2024) hinausgehen. Folgende GLÖZ-Standards sind von den Abschwächungen betroffen - Details nachzulesen bei ARC2020 und auf dem NABU-Blog:
- GLÖZ 1: Grünlanderhalt
- GLÖZ 5: Erosionsschutz
- GLÖZ 6: Bodenbedeckung in sensiblen Zeiten
- GLÖZ 7: Fruchtwechsel
- GLÖZ 8: nicht produktive Flächen und Landschaftselemente
- GLÖZ 9: Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten
Starker Protest von Umwelt- und Landwirtschaftsorganisationen
Gegen diese „massive Aufweichung von Umweltstandards“ stellte sich ein Bündnis aus zahlreichen Organisationen aus Umwelt-, Tier-, Naturschutz und Landwirtschaft am 20. März, darunter NABU, BÖLW, BUND, AbL und der DNR. Zum Auftakt des Gipfeltreffens der europäischen Staats- und Regierungschef*innen am 21. März appellierten die Organisationen in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz den Vorschlag der Europäischen Kommission abzulehnen. „Das einseitige Schleifen von dringend notwendigen ökologischen Grundanforderungen“ sei die falsche Antwort auf die Herausforderungen des Sektors, betonen die Organisationen in dem Schreiben. Sonst „würden Millionen an Steuergeldern in die Agrarförderung fließen, ohne an wirksame Bedingungen zur Eindämmung des Artensterbens und der Klimakrise geknüpft zu sein“, kommentierte DNR-Präsident Kai Niebert die Veröffentlichung. Sollten die Abschwächungen der Grundanforderungen dennoch gebilligt werden, müsse zum Ausgleich eine „verbindliche Aufstockung und Weiterentwicklung der freiwilligen Maßnahmen“ erfolgen, etwa der Öko-Regelungen und der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der 2. Säule, fordern die Organisationen im offenen Brief.
Neben den spezifischen Änderungen bei den GLÖZ-Standards sollen laut Kommissionsvorschlag auch Ausnahmen bezüglich Bodenbearbeitung, Bodenbedeckung und Fruchtwechsel für bestimmte Kulturen, Bodentypen und Bewirtschaftungssysteme ermöglicht werden. Darüber hinaus schlägt die Kommission Maßnahmen zur Stärkung der Position von Agrarbetrieben in der Wertschöpfungskette vor: so soll es auch Verbesserungen bei der Marktstellung durch den Rechtsrahmen zur gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO) und neue Vorschriften zur Unterbindung „unlauterer Handelspraktiken“ geben. [bp]