Glyphosat: Zehn Jahre Verlängerung
Auch im Berufungsausschuss der EU-Mitgliedstaaten gibt es keine Mehrheit zur Wiederzulassung des Totalherbizids. Die EU-Kommission entscheidet nun allein und kündigt eine zehnjährige Verlängerung an. Umweltorganisationen wollen dagegen klagen.
Am 16. November tagte der Berufungsausschuss der EU-Mitgliedstaaten zur Verlängerung des Totalherbizids Glyphosat. Das ernüchternde Ergebnis: erneut keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für oder gegen die Wiederzulassung. Damit liegt es nun an der EU-Kommission über die Verlängerung zu entscheiden. Und diese hat bereits unmittelbar nach der ergebnislosen Abstimmung angekündigt, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen. Die aktuell gültige Genehmigung läuft am 15. Dezember aus.
Lauer Gegenwind im Rat
Gegen die Verlängerung des Herbizids im Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) stimmten nur Österreich, Kroatien und Luxemburg. Deutschland, Belgien, Italien, Bulgarien, Frankreich, Malta und die Niederlande enthielten sich, während die anderen Mitgliedstaaten für die Verlängerung stimmten. Für eine qualifizierte Mehrheit sind 55 Prozent der Mitgliedstaaten nötig - in der Praxis bedeutet das 15 von 27 Mitgliedstaaten – die zugleich 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Durch das Abstimmungsverhalten der Mitgliedstaaten kam keine qualifizierte Mehrheit zustande.
Enthaltung enttäuscht
Umweltorganisationen kritisierten das unklare Votum der Mitgliedstaaten und äußerten großes Unverständnis über die Ankündigung der Kommission. „Wir bedauern, dass die Kommission der unabhängigen Wissenschaft und die Bedenken der Bürger*innen ignoriert und plant, dieses gefährliche Herbizid erneut für weitere zehn Jahre zuzulassen“, kommentierte Angeliki Lysimachou vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Europe) die Ankündigung der Kommission. Mit Blick auf die deutsche Enthaltung erklärte Corinna Hölzel, Pestizidexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Diese Enthaltung geht auf das Konto der FDP“, die nicht zum Koalitionsvertrag stehe. Auch die SPD habe keine Verantwortung übernommen und „schweigt weiterhin bei diesem wichtigen Verbraucherschutz- und Umweltthema“, so Hölzel. Daran anschließend appellierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne an die Ampel-Koalition, die Einschränkung nun auf nationaler Ebene voranzutreiben. Die Bundesregierung müsse „nun ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen und den Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat ab 2024 sicherstellen“, so Schöne.
Özdemir setzt sich nicht durch
Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir indes rechtfertigte seine Enthaltung mit dem Verweis auf die Koalitionspartner in der Ampel-Regierung: „Ich hätte gerne gemäß unserer Koalitionsvereinbarung mit einem klaren „Nein“ gestimmt. Auch wenn es wie eine Ablehnung gewertet wird: Mein Ministerium musste sich letztlich in Brüssel enthalten, weil es im Bundeskabinett keine gemeinsame Position gab“, erklärte Özdemir nach der Abstimmung. Sein Ministerium wolle „nun sehr genau prüfen“, welche nationalen Handlungsmöglichkeiten es zur Einschränkung von Glyphosat habe. Denn im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht der klare Satz: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“.
Klage wird vorbereitet
Nachdem die Kommission der Verlängerung grünes Licht erteilt hat, kündigte ein Bündnis der Organisationen Global2000, Générations Futures, PAN Deutschland, PAN Niederlande und PAN Europe rechtliche Schritte gegen die Genehmigung an. Sie wollen die Entscheidung vor Gericht anfechten und „The Great Glyphosate Court Case“ initiieren. [bp]