Greenwashing von umweltschädlichen Energiequellen
Ein neuer delegierter Rechtsakt der EU-Kommission sieht die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die EU-Taxonomie vor. Umweltverbände wenden sich in offenem Brief an die Bundesregierung. Auch einzelne EU-Staaten kritisieren das Vorhaben der Kommission. Österreich hat angekündigt zu klagen.
Kurz vor Neujahr hat die EU-Kommission ihren delegierten Rechtsakt zur Taxonomie an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten verschickt. Dieser sieht vor, fossiles Gas und Atomenergie als nachhaltige Brückentechnologie zu klassifizieren. Danach sollen Atomkraft und fossiles Gas befristet als umweltfreundlich eingestuft werden. Ein Entsorgungskonzept für Atommüll müsse außerdem erst ab 2050 vorliegen, berichtet die Zeit. Mit der Taxonomie will die EU Maßstäbe definieren, welche für Investitionen für eine nachhaltige Transformation künftig gebraucht werden. Die Klassifizierung zielt darauf ab, Finanzströme für Industrie, Stromnetze oder Gebäude in Richtung Nachhaltigkeit zu leiten. Sie soll Investor:innen dazu bringen, in umweltfreundliche Energiequellen zu investieren.
Einige EU-Mitgliedstaaten und auch zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren die geplante Aufnahme von Gas- und Atomenergie in die Taxonomie. Nach Einschätzung von Greenpeace gefährden die Pläne der EU-Kommission die Einhaltung des europäischen Green Deals. Atom und Gas seien keinesfalls CO2-neutral. Darüber hinaus sei Atomenergie unsicher. Umweltverbände befürchten, dass die Einstufung von Investitionen in Atomkraft als nachhaltig zum Bau neuer AKWs führen könne. In einem offenen Brief fordern Umweltverbände, unter Beteiligung des DNR, den Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Aufnahme von Atomenergie und Erdgas in die EU-Taxonomie zu stoppen. Zu diesem Zweck ruft auch Campact die Zivilgesellschaft auf, ein Appell an die Ampel- Regierung zu unterschreiben.
Die Deutsche Umwelthilfe belegt mit Rechtsgutachten, dass die Aufnahme von Atom und fossilem Gas in die EU-Taxonomie rechtswidrig wäre. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht würden der Bundesregierung einen umfassenden Handlungsrahmen vorgeben, der auch für die Mitgestaltung von Unionsrecht gelte und Ablehnung der beabsichtigten Regelungen gebiete.
Zum delegierten Rechtsakt vom 31. Dezember 2021 müssen die Mitgliedstaaten bis zum 18. Januar 2022 Stellung nehmen. Rechtsgrundlage ist die Taxonomie-Verordnung aus dem Jahr 2018. Bereits im Juni 2021 hatte die EU-Kommission in einer ersten delegierten Verordnung Kriterien festgelegt. Bei einem delegierten Rechtsakt wird die EU-Kommission mit Festlegung von Kriterien beauftragt, sofern sie unstrittig sind. Deswegen ist fraglich, ob sie überhaupt einen Vorschlag hätte vorlegen dürfen. Sofern der vorgelegte delegierte Rechtsakt bis zum 20. Januar 2022 nicht mit einer qualifizierten Mehrheit abgelehnt wird, gilt er als angekommen.
Bei einigen Mitgliedstaaten stößt das Vorhaben auf Widerstand. Österreich hat bereits angekündigt, gegen die Pläne der EU-Kommission zu klagen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) teilt in einem Interview in der ARD mit, dass auch die Bundesregierung die Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie ablehnt.
Während Deutschland planmäßig in diesem Jahr aus der Atomenergie aussteigen will, scheint die Abkehr von Atomenergie auf der EU-Ebene jedoch eher unwahrscheinlich. [lw]
EU-Kommission verteidigt Veröffentlichung des Taxonomie-Entwurfs in Neujahrsnacht – EURACTIV.de
EU-Taxonomie: Könnte es noch ein Umdenken geben? | ZEIT ONLINE
Teilnehmen - Kein Atom-Comeback in der EU - Campact
Delegierte Verordnung vom Juni 2021