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Wie clean ist der Clean Industrial Deal?
EU-News | 06.03.2025
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie #Wirtschaft

Wie clean ist der Clean Industrial Deal?

Männliche Person, auf dessen Anzug links Idustrie und rechts Natur abgebildet ist, der mit den Händen zwei Puzzleteile zusammenfügt (KI-generiert)
© AdobeStock / CURIOS (KI-generiert)

Die EU-Kommission hat am 26. Februar in einem umfassenden Gesetzespakte auch ihren angekündigten Clean Industrial Deal vorgelegt. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der energieintensiven Industrie und sauberen Technologien. Ein weiteres Element ist die Kreislaufwirtschaft. Umweltverbände beleuchten Kritikpunkte.

Was steckt drin im Clean Industrial Deal (CID)?

Nach eigenen Angaben der EU-Kommission sind die Hauptelemente des Clean Industrial Deals (CID):

Flankiert werden sollen die Maßnahmen durch Vereinfachung der Vorschriften. Da administrative Hindernisse das industrielle Wachstum und die Einführung sauberer Technologien behindern könnten, sollen Regulierungsprozesse gestrafft, Investitionen erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden, besonders für Dekarbonisierungsprojekte und staatliche Beihilfen.

Reaktionen aus der Umweltszene: 
Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien rechtfertigen keine Umweltverschmutzung

Das Europäische Umweltbüro (EEB) reagierte prompt auf die „geänderte Rhetorik“, die „vor allem auf energieintensive Industrien und große Unternehmen zugeschnitten“ sei. Das Paket bringe den Green Deal zwar nicht zum Scheitern, schwäche aber dessen ganzheitlichen Ansatz und nutze „Wettbewerbsfähigkeit als falschen Vorwand, um inakzeptable Zugeständnisse an Umweltverschmutzer zu rechtfertigen“. Industriepolitik sollte das öffentliche Interesse in den Vordergrund stellen, nicht nur die Forderungen der Industrie. „Aufschlussreich“ sei allein schon, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Clean Industrial Deal nicht öffentlich, sondern auf einer geschlossenen Veranstaltung vorstellen wolle, die „von einigen der größten Umweltverschmutzer Europas ausgerichtet wird, darunter die Lobby der chemischen Industrie, CEFIC“, kritisierte das EEB. EEB-Industrie-Experte Christian Schaible sagte: „Die politischen Entscheidungsträger der EU scheinen sich zunehmend von der dreifachen planetarischen Krise, mit der wir konfrontiert sind, abzuwenden. Der so genannte 'Clean' Industry Deal konzentriert sich auf die Dekarbonisierung, übersieht aber eine umfassendere Verschmutzung und Umweltverantwortung und zeigt nicht, wie die EU mit gutem Beispiel vorangehen kann.“ Es sei alarmierend, dass die Kommission die Vereinbarung direkt auf die Bedürfnisse zugeschnitten habe, die in der Erklärung von Antwerpen – „einem Manifest von Verschmutzern für Verschmutzer“ – dargelegt sind.

Zwar könne der CID ein starkes Instrument für die Dekarbonisierung der Industrie werden, weil er zwei wichtige Triebkräfte für die Umwandlung energieintensiver Industrien enthalte, nämlich Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien und Kreislaufwirtschaft. Allerdings begünstige der begrenzte Geltungsbereich nur die energieintensive Industrie („exklusiver Club“), Produktivitätswachstum sei die einzige Priorität. „Sauber“ bedeute mehr als klimaneutral, so das EEB. Ein „sauberes“ Abkommen, das die Umweltverschmutzung ignoriere, sei ein Widerspruch an sich. Die chemische Industrie entziehe sich der Kontrolle, da sie keine Pläne zur Entgiftung, Überwachung oder Sanierung ihrer Prozesse und Standorte habe. Europa müsse schadstofffreien und giftfreien Produktionskapazitäten Vorrang einräumen.

Ein weiterer Kritikpunkt sei die „massive Investitionslücke für den industriellen Wandel“. Die vorgeschlagenen langfristigen jährlichen Investitionen in Höhe von 480 Milliarden Euro und die ausdrücklich genannten ungefähren Finanzierungsverpflichtungen in Höhe von 207 Milliarden Euro blieben „weit hinter dem zurück, was benötigt wird“. Die EU brauche eine gemeinsame Kreditaufnahme und ein größeres Budget mit strengen ökologischen und sozialen Auflagen, die dem öffentlichen Interesse dienen und finanziellen Spielraum für einen wirklich grünen industriellen Wandel schaffen. Der CID erwähne zwar Steuern und die schrittweise Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, lasse aber konkrete Details und Maßnahmen zur Anwendung des Verursacherprinzips vermissen.

Immerhin gebe es aber durchaus Potenzial: Kreislaufwirtschaft rücke in den Mittelpunkt, das ökologische öffentliche Beschaffungswesen gewinne an Boden und es gebe eine gemeinsame Verantwortung für ehrgeizige Klimaschutzziele. Der CID enthalte aber auch schwache Konditionalitäten für staatliche Beihilfen, noch Luft nach oben beim Thema „gerechter Übergang, soziale Fairness und hochwertige Arbeitsplätze“ - und nicht zuletzt fehlten Benchmarking-Instrumente zur Verfolgung der Fortschritte vor Ort.

Der Teufel steckt im Detail

Auch der Deutsche Naturschutzring (DNR) forderte, dass die Europäische Union den besiegelten Pfad zur Klimaneutralität entschlossen fortsetzen müsse. „Eine florierende Wirtschaft [braucht] konsequenten Klimaschutz.“ Der präsentierte Clean Industrial Deal sei dafür zwar ein richtiger Schritt, allerdings blieben zentrale Umsetzungsfragen noch ungeklärt. 

Die EU-Kommission betone zwar, dass ein Zwischenziel von 90 Prozent Emissionsreduktion bis 2040 im Vergleich zu 1990 die Leitschnur für eine resiliente, wettbewerbsfähige Wirtschaft sein müsse. Dafür ist jedoch eine umgehende Gesetzesänderung des Europäischen Klimagesetzes dringend notwendig“ , so der Umweltdachverband. Finanziert werden sollen die Vorhaben des Clean Industrial Deals unter anderem durch einen „Competitiveness Fund“. Woher die Mittel dafür kommen sollen, bleibe aber bisher offen. „Im Rahmen der anstehenden Verhandlungen zum EU-Haushalt muss geklärt werden, welche europäischen Gelder hierfür zur Verfügung gestellt werden. Dafür braucht es auch von deutscher Seite ein klares Signal: Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas muss vom voraussichtlich zukünftigen Bundeskanzler Friedrich Merz auch eine gemeinsame Schuldenaufnahme in Erwägung gezogen werden“, mahnte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Voraussetzung für einen erfolgreichen Clean Industrial Deal ist nach Überzeugung des DNR die Erhaltung und lückenlose Umsetzung des European Green Deals. 

Weitere Knackpunkte und Ausblick

Im CID ist Technologieoffenheit als Leitprinzip integriert. Elektrifizierung und grüner Wasserstoff sollen maßgeblich vorangetrieben werden, aber auch umstrittene CO2-Speichertechnologien wie CCS, oder auch Atomkraft und sogenannter emissionsarmer Wasserstoff, der aus Atomkraft, CCS, Müllverbrennung oder Biogas erzeugt werden kann. Es gibt keine konkrete Bestätigung, dass der Emissionsreduktionspfad vom Europäischen Emissionshandel eingehalten werden soll. Und nicht zuletzt ist Kreislaufwirtschaft zwar als Priorität genannt, allerdings konzentrieren sich die Vorschläge hauptsächlich auf Recycling und Abfallmanagement - dabei wäre eine Förderung höherer Ebenen der Abfallhierarchie wie Vermeidung und Verwertung umweltfreundlicher. 

Zur Umsetzung des CID sollen noch weitere Aktionspläne für verschiedene Sektoren veröffentlicht werden. So hat die EU-Kommission am 5. März schon einen Aktionsplan für den Automobilsektor veröffentlicht. Auch noch im März soll ein Aktionsplan Stahl und Metalle folgen. Später im Jahr sind ein Paket für die chemische Industrie, ein Investitionsplan für nachhaltigen Verkehr sowie eine Strategie für die Bioökonomie geplant. [jg]

 

EU-Kommission: Ein Deal für eine saubere Industrie für Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung in der EU 

EEB: “The Clean Industrial Deal hides dirty concessions”, NGOs say

DNR: Clean Industrial Deal: Wichtiges Signal mit deutlichen Lücken

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