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Höchste Zeit für die ökologische Bauwende
News | 03.11.2023
# sozial-ökologische Transformation #Klima und Energie

Höchste Zeit für die ökologische Bauwende

Sanierung eines Bestandsgebäudes
© Pixabay
Sanierung eines Bestandsgebäudes

In der Wärme-, Bau- und Wohnungspolitik trifft eine durchwachsene Halbzeitbilanz der Ampelregierung auf einen wenig hoffnungsvollen Ausblick. Es braucht deutlich mehr Anstrengung. Bestandsgebäude müssen in den Fokus gerückt und tragfähige Konzepte für neue Maßnahmen erarbeitet werden.

Die Umsetzung von klimapolitisch wirksamen und sozial gerechten Maßnahmen im Gebäudesektor ist in Anbetracht der jüngsten Energiepreiskrise und dem historischen Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum drängender denn je. Trotz weitestgehend richtiger Problemanalyse ist die Bilanz der ersten Ampel-Halbzeit sehr durchwachsen. Um die Wärmewende in Gang zu setzen, wurden mit der Revision des Gebäudeenergiegesetzes und mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung wichtige Reformen angestoßen. Allerdings gibt es im Hinblick auf das klimapolitische Ambitionsniveau, die soziale Abfederung und Belange des Verbraucherschutzes dringenden Verbesserungsbedarf. Die bisherige Untätigkeit beim Mietrecht und in der Bodenpolitik sowie fehlende Konzepte für die energetische Modernisierung, die Umnutzung und den Umbau des Gebäudebestands können soziale Spannungen weiter verstärken.

Auch die dringend notwendige ökologische Bauwende ist noch nicht in der Praxis angekommen, während gleichzeitig Energieeffizienzstandards für Neubau und Bestand rückabgewickelt werden. Daher braucht es dringend weitere Anstrengungen, um die Einhaltung von Klimazielen zu gewährleisten, den Natur- und Ressourcenschutz zu stärken und gleichzeitig die langfristige Bezahlbarkeit von Energie und Wohnraum sicherzustellen.

Zweite Halbzeit der Ampel: Kaum Aussicht auf substanzielle Verbesserungen

Das unzureichende Ambitionsniveau bislang umgesetzter Maßnahmen wird die Lücke bei der Erreichung klimapolitischer Ziele höchstwahrscheinlich vergrößern, wie jüngst vom Expertenrat für Klimafragen konstatiert. Hinzu kommt, dass die geplante Aufweichung des Klimaschutzgesetzes die Bundesregierung in dieser Legislatur faktisch von der Pflicht zur Nachsteuerung entlässt. Politisches Kalkül und konträre Interessen der Koalitionäre werden absehbar zu einem weitgehenden Stillstand in diesem Politikfeld führen. Dies ist besonders fatal, da mit einer wachsenden Kluft zwischen angestrebten Zielen und tatsächlicher Entwicklung Nachsteuerungen zu einem späteren Zeitpunkt umso drastischer ausfallen müssen. Dabei gilt es, sicherzustellen, dass der wachsende Anteil der Bevölkerung, der schon heute unter sehr hohen Energie- und Wohnkostenbelastungen leidet, durch die aktuellen Versäumnisse zukünftig nicht noch stärker belastet wird.

Patrick Biegon
Es braucht Mindesteffizienzstandards, um den Einsatz fossiler Energieträger zu reduzieren, die Energiekosten für Mieter*innen und Eigentümer*innen dauerhaft zu senken und den Gebäudebestand fit für die Zukunft zu machen.
Patrick Biegon, DUH
Referent Energie- und Klimaschutz

Im Gebäudebestand liegt unbestritten der größte Hebel, um eine Vielzahl der Probleme der Wärme-, Bau- und Wohnungspolitik anzugehen. Nachdem die Ampel bislang vorrangig auf die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung abgezielt hat, ist es nun zwingend erforderlich, den Fokus auf die Reduzierung des Energiebedarfs zu legen. Die in der europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) geplanten Vorgaben für Mindesteffizienzstandards (MEPS) werden auch aufgrund eines drastischen Kurswechsels der Bundesregierung voraussichtlich stark abgeschwächt. Dabei wären MEPS für die energetisch schlechtesten Gebäude ein geeignetes Instrument, um den Einsatz fossiler Energieträger zu reduzieren, die Energiekosten für Mieter*innen und Eigentümer*innen dauerhaft zu senken und den Gebäudebestand fit für die Zukunft zu machen. Eine flankierende, sozial gerechte Förderung ist dabei eine wichtige Voraussetzung, um soziale Härten zu vermeiden. Für den Heizungstausch soll es in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) erstmalig eine soziale Komponente geben – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Unser Ziel als Deutsche Umwelthilfe ist, die gesamte BEG entlang sozialer Kriterien weiterzuentwickeln.

Um zusätzlichen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, muss künftig das große Potenzial im Bestand durch Umnutzung, Umbau und Erweiterung genutzt werden, anstatt sich vorrangig auf den Neubau im hochpreisigen Segment zu konzentrieren. Außerdem gilt es, in Zukunft Treibhausgasemissionen in allen Phasen des Lebenszyklus (LCA) eines Gebäudes stärker in den Blick zu nehmen, um Einsparpotenziale bestmöglich auszuschöpfen. Gleichzeitig muss die Transformation des Bausektors hin zum Einsatz nachhaltiger Baustoffe, gesteigerter Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit endlich in der Praxis ankommen. Wir werden uns für die ordnungsrechtliche Festschreibung von LCA-Grenzwerten für Neubau und Sanierung stark machen sowie für eine Anpassung der Bauordnung, damit Abrisse genehmigungspflichtig und zur absoluten Ausnahme werden. Mit unserem Abriss-Atlas weisen wir zudem die ungeheure Dimension der unnötigen Gebäudeabrisse in Deutschland hin und machen auf die sozialen Auswirkungen des verlorenen, bezahlbaren Wohnraums aufmerksam.

Vereinbarte und aufgeschobene Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag zügig umsetzen

Um die Wohnungspolitik sozial-ökologisch auszurichten, sind aus unserer Sicht eine Vielzahl von Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehören unter anderem die weitere Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau aus dem Sondervermögen Gas und eine Ausweitung der Belegungs- und Mietpreisbindungen. Suffizienz-Aspekte, indem kompakter und flächensparender gebaut wird, sind ebenso zu berücksichtigen wie die Senkung von Nebenkosten durch zukunftsweisende Baustandards. Da hier kaum Fortschritte von der Ampel zu erwarten sind, muss der Fokus nun auf die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen gelegt werden. Dazu zählen neben der Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit, um ein nicht profitorientiertes Segment im Wohnungsmarkt zu etablieren, vor allem auch eine Reihe bisher verschleppter mietrechtlicher und bodenpolitischer Maßnahmen.

Für alle hier skizzierten Handlungsfelder braucht es – unter Einbeziehung aller Stakeholder – kurzfristig zielführende Strategien und Lösungen, die wir mit Nachdruck einfordern werden. Lippenbekenntnisse oder Verzögerungstaktiken werden wir der Ampel nicht durchgehen lassen!

Der Autor

Patrick Biegon ist seit 2023 Referent im Bereich Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit dem Schwerpunkt Gebäudesektor. Er war zuvor im Verbraucherschutz zum Thema Energie und Bauen tätig.

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