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EU-Klimaziel 2040: Deutschland muss minus 90 Prozent unterstützen
EU-News | 19.03.2025
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

EU-Klimaziel 2040: Deutschland muss minus 90 Prozent unterstützen

Weckerzifferblatt am wolkenverhangenen Himmel
© pixabay / 51581

Noch im ersten Quartal 2025 will die EU-Kommission einen Vorschlag für das EU-2040-Ziel vorlegen. Der wissenschaftliche Klimabeirat empfiehlt mindestens 90 Prozent Emissionsreduktion im Vergleich zu 1990. Die EU muss dies verbindlich festlegen, um international glaubwürdig zu bleiben. Die deutsche Regierung sollte mit gutem Beispiel vorangehen.

Ein Beitrag von Judith Hermann, DNR

Mit dem Europäischen Green Deal will die EU bis 2050 zum ersten treibhausgasneutralen Kontinent werden und damit den Verpflichtungen aus dem Paris-Abkommen Rechnung tragen. Durch das Europäische Klimagesetz wurde die Klimaneutralität 2050 verbindlich beschlossen. Das Europäische Klimagesetz sieht auch vor, dass ein Reduktionsziel für 2040 festgelegt werden muss. Am 6. Februar 2024 veröffentlichte die damalige Europäische Kommission eine Mitteilung zum Klimaziel der EU für 2040. Darin schlägt sie vor, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Der Vorschlag basiert auf dem wissenschaftlichen Rat des European Scientific Advisory Boards on Climate Change (ESABCC), welcher eine Emissionsreduktion von 90 bis 95 Prozent empfiehlt. 

Die Mitteilung war jedoch noch kein Gesetzesvorschlag, um das 2040-Ziel von 90 Prozent im Europäischen Klimagesetz zu implementieren. Dieser Vorschlag wird jetzt von der neuen Kommission erwartet und ist im Arbeitsprogramm noch für das erste Quartal 2025 angekündigt. Bisher gibt es jedoch kein festes Datum für die Veröffentlichung, daher ist davon auszugehen, dass sie sich auch ins zweite Quartal verschieben könnte (Artikel ENDS Europe, kostenpflichtig).  

Dabei wäre ein schnelles Verabschieden des 2040-Ziels jetzt aus verschiedenen Gründen wichtig: 

  • Klarer Pfad zur EU-Klimaneutralität 2050: Die Notwendigkeit eines Reduktionsziels von mindestens minus 90 Prozent für 2040 ist wissenschaftlich fundiert und muss daher so schnell wie möglich auch gesetzlich festgelegt werden, um Planungssicherheit herzustellen und dadurch langfristige Investitionen in Klimamaßnahmen zu fördern 
  • Glaubwürdigkeit: Die EU muss zeigen, dass sie hinter ihrem 2050-Klimaneutralitätsziel steht 
  • Internationale Klimadiplomatie: Die EU muss ihre Verpflichtungen im Rahmen des Paris Agreements ernst nehmen. Dazu gehört das Einreichen einer Nationally Determined Contribution (NDC), also einem Emissionsreduktionsziel, für 2035. Das NDC muss vom 2040-Ziel abgeleitet werden und zeitnah festgelegt werden, denn die Deadline zur Einreichung war bereits im Februar. Wichtig ist dabei, dass es keine lineare Ableitung vom 2040-Ziel sein sollte, da in der ersten Hälfte des Jahrzehnts die größten Reduktionen passieren müssen. 
  • Orientierung für politische Maßnahmen: EU-Politik und Initiativen, beispielsweise der Clean Industrial Deal, müssen am 2040-Ziel ausgerichtet sein und so die Zielerreichung gewährleisten. 

Reduktion von 90 Prozent ist umsetzbar 

Eine Treibhausgasemissionsreduktion in der EU von mindestens -90% ist nicht nur notwendig, sondern auch realistisch umsetzbar. Verschiedene Studien und Szenarien beschäftigen sich mit der Zielerreichung und schlagen Maßnahmen vor: 

  • Der Report von Ecologic und Öko-Institut von 2024 Implementing the EU 2040 Climate Target: Building blocks and measures zeigt verschiedene Bausteine aus den Bereichen Energie, Industrie, Transport, Gebäude und Landwirtschaft, die es für das Erreichen des minus-90-Prozent-Ziels braucht. 
  • Der Report des Agora Think Tankds von 2024 Klimaneutrales Deutschland. Von der Zielsetzung zur Umsetzung zeichnet den Weg zur Zielerreichung der Klimaneutralität Deutschlands 2045, mit Zwischenschritten für 2040. Dabei beschreibt die Studie konkrete Maßnahmen, wie die fünf zentralen Zielbilder günstige und zuverlässige Energieversorgung, Impulse für eine innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft, gesamtgesellschaftliche Teilhabe beim Wohnen, saubere und zugängliche Mobilität für alle und eine produktive und resiliente Land- und Forstwirtschaft erreicht werden können. 
  • Das PAC 2.0 Szenario (2024) von CAN Europe zeigt sogar den Weg zur Klimaneutralität 2040 auf. Im Report werden politische Maßnahmen beschrieben, die zur Senkung der Energienachfrage, der Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energien, dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Beseitigung sozialer Ungleichheiten führen. 
Portrait von Judith Hermann
Eine Treibhausgas-Emission von mindestens minus 90 Prozent bis 2040 ist notwendig und machbar, und entscheidend um eine langfristige, kohärente Klimapolitik zu gewährleisten. Nur so kann die EU ihre ambitionierten Klimaziele erreichen und eine nachhaltige, klimafreundliche Zukunft gestalten.
Judith Hermann
Projektreferentin für EU-Klima- und Energiepolitik

Höhe und Ausgestaltung 

Klar ist, dass minus 90 Prozent das absolute Minimum ist, wie auch das ESABCC feststellt. Um internationalen Verpflichtungen nachzukommen, müsste das Ziel aber eigentlich noch deutlich höher sein. Das bedeutet einerseits, dass alle Maßnahmen immer darauf abzielen müssen, das Ziel zu überschreiten und es im Text des Klimagesetzes einen Zusatz wie „mindestens 90%“ oder eine Range von beispielsweise „90-95%“ geben sollte. Andererseits bedeutet das auch, dass die internationale Zusammenarbeit und Finanzierung von Klimaschutz bei einem minus-90-Prozent-Ziel deutlich angehoben werden muss. 

Neben der Höhe des festzulegenden Klimaziels ist auch die konkrete Ausgestaltung von großer Bedeutung: Maßnahmen wie internationaler Emissionshandel dürfen nicht in die Zielerreichung einfließen. Das Erreichen der EU-Klimaziele muss außerdem getrennt von unrealistisch hohen Zielen für die Kohlenstoffentnahme betrachtet werden: Angesichts der fortschreitenden Klimakrise darf sich die EU nicht zu stark auf technische und natürliche Senken verlassen, um ihre Klimaziele zu erreichen, da deren Zuverlässigkeit und Umsetzung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Es braucht daher drei separate Ziele: Ein hohes Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie getrennte Ziele für die Speicherung in natürlichen Senken und die dauerhafte technologiegestützte Kohlenstoffentnahme. Die letzten beiden dürfen zusammen allerdings nur einen geringen Anteil von drei Prozentpunkten ausmachen. 

EU-Klimaziel 2040 in den Koalitionsvertrag! 

Deutschland hat sich bisher noch nicht offiziell zum Vorschlag eines minus-90-Prozent-Ziels für 2040 positioniert, wenn auch die bisherige Bundesregierung sich für ein ambitioniertes 2040-Ziel im Einklang mit dem 1,5 °C Ziel eingesetzt hat. Da auch die zukünftige Bundesregierung sich bereits in ihrem Sondierungspapier erneut zur Klimaneutralität Deutschlands 2045 verpflichtet hat, passen ihre Ambitionen gut zu dem geplanten Ziel für die EU. Daher sollte die neue Bundesregierung die Implementierung des 2040-Ziels aktiv vorantreiben, um auch auf der europäischen Ebene ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Verpflichtung zu diesem Pfad zu haben. 

Die Unterstützung des minus-90-Prozent-Ziels der neuen Regierung wird jetzt dringend gebraucht, denn die Debatte ist in vollem Gange. Im Rat muss Deutschland auch zögerliche Mitgliedstaaten mitnehmen. Diese Aufgabe ist zentral, wenn der zukünftige Kanzler Merz wie versprochen eine Führungsrolle in Europa einnehmen will. Eine klare Position Deutschlands muss nicht nur auf EU-Ebene passieren, sondern auch im neuen Koalitionsvertrag verankert werden.  

Eine Treibhausgas-Emission von mindestens minus 90 Prozent bis 2040 ist notwendig und machbar, und entscheidend um eine langfristige, kohärente Klimapolitik zu gewährleisten. Nur so kann die EU ihre ambitionierten Klimaziele erreichen und eine nachhaltige, klimafreundliche Zukunft gestalten. 

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