Kippt das Parlament Atom und Gas in der EU-Taxonomie?
Die fachlich zuständigen Ausschüsse im EU-Parlament haben gegen Greenwashing von Atomkraft und Gas gestimmt. Umweltverbände begrüßten diese Entscheidung. Anfang Juli findet die finale Abstimmung im Parlament statt.
Am Dienstag haben die Mitglieder vom Umwelt- und Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament gegen die Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie gestimmt. Mit insgesamt 76 Ja-, 62 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen wurde ein Entschließungsantrag gegen den Entwurf der Kommission angenommen. Am 2. Februar hatte die EU-Kommission bekannt gegeben, fossiles Gas und Atomkraft in die Taxonomie aufnehmen zu wollen und somit die beiden Energiequellen als nachhaltig zu klassifizieren.
Die am Dienstag abgehaltene Abstimmung im Umwelt- und im Wirtschaftsausschuss gilt als Stimmungstest für das Parlamentsvotum Anfang Juli. Die Ausschussmitglieder kritisierten an dem Entwurf der Kommission, dass die darin vorgeschlagenen technischen Prüfstandards nicht den in der Taxonomie enthaltenen Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten entsprechen. Die Rolle von Kernenergie und fossilem Gas zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung während des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft erkennen die Abgeordneten hingegen an.
Die finale Abstimmung über die Resolution zur EU-Taxonomie ist für die Plenartagung des Parlaments Anfang Juli 2022 vorgesehen. Das EU-Parlament kann den Vorschlag noch abwehren. Dafür braucht es eine absolute Mehrheit mit 353 Stimmen. Sofern die Abgeordneten im Plenum den Vorschlag der Kommission ablehnen, muss die Kommission ihren Vorschlag zurückziehen oder abändern.
Reaktionen der Umweltverbände
Der WWF und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßten die Entscheidung des Umwelt- und des Wirtschaftsausschusses. Die Abstimmung sei ein wichtiger Etappensieg gegen das Greenwashing dieser umweltschädlichen Technologien, so die DUH. Ein Rechtsgutachten der DUH zeige, dass der Vorschlag der EU-Kommission gar nicht mit der EU-Taxonomieverordnung vereinbar sei, kommentierte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland wertete die Abstimmung als ein „starkes Signal“. Der Umwelt- und Wirtschaftsausschuss des Parlaments machten deutlich, dass Erdgas und Atomkraft nicht nachhaltig sind. Das EU-Parlament müsse den klaren Impuls ihrer Fachausschüsse aufnehmen und die EU-Taxonomie als glaubwürdigen Kompass für nachhaltige Investitionen retten, so Kopp.
Studie: Russische Gas- und Atomlobbyaktivitäten
Greenpeace Frankreich hatte bereits im Mai einen Bericht veröffentlicht, der die Lobbyverbindungen zwischen den russischen Energiekonzernen Gazprom, Lukoil und Rosatom und EU-Kommissaren wie auch hochrangigen Beamten in Zusammenhang mit der Taxonomie aufzeigt. Dem Bericht zufolge könnte Russland durch einen an der Taxonomie ausgerichteten Ausbau der Gaskapazitäten jährlich vier Milliarden Euro zusätzlich verdienen. Bis 2030 würde sich die gesamte Summe dann auf 32 Milliarden Euro belaufen. [lw]
Europäisches Parlament: Ausschusssitzung
Presseraum: Taxonomy: MEPs object to Commission’s plan to include gas and nuclear activities
Klimaallianz: Reaktion DUH und WWF