Klima & Energie kompakt vom 22.10.2020
Die zurückliegenden Tage boten eine Entschließung zur EU-Industriestrategie, Studien zu CO2-Grenzausgleich und Carbon Leakage, einen enthusiastischen EU-Kommissar über Batterieproduktion, eine Stellungnahme zu RED II und Verkehr sowie Kritik an der Europäischen Zentralbank.
Grünen und digitalen Umbau stützen
Der Industrieausschuss (ITRE) im EU-Parlament hat vergangenen Freitag eine Entschließung angenommen. Darin fordert er die EU-Kommission auf, die EU-Industriestrategie, die noch vor dem EU-weiten coronabedingten Ausnahmezustand im März erschien (EU-News vom 11.03.2020), an die neuen Gegebenheiten der Covid-19-Pandemie anzupassen. Dazu zählen die Abgeordneten insbesondere die wirtschaftliche Erholung, den Wiederaufbau und Resilienz. Es brauche eine Kohärenz zwischen der Strategie und dem Wiederaufbauprogramm NextGenerationEU (EU-News vom 28.05.2020).
Die revidierte Strategie müsse nach Ansicht der ITRE-Mitglieder das Ziel der Klimaneutralität, die Umsetzung des Europäischen Grünen Deals sowie die „grüne“ und digitale Transformation fördern. Ebenso müsse die Strategie Hilfen für den Strukturwandel für CO2-intensive Regionen in der EU garantieren.
Die Entschließung ist rechtlich nicht bindend, gilt aber als erster Gradmesser für den Standpunkt des Parlaments. Voraussichtlich Ende November stimmt das Plenum über die Resolution ab. Die Kommission kündigte bei der Vorstellung des Arbeitsprogramms 2021 an, die Strategie im kommenden Jahr zu überarbeiten (EU-News vom 21.10.2020).
Europäischer Grenzausgleich und Carbon Leakage unter der Lupe
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) zeigt in einem aktuellen Policy Brief, dass ein EU-weiter CO2-Grenzausgleichsmechanismus zum einen zur Bepreisung von klimaschädlichen Emissionen beitragen und zum anderen das Risiko der Abwanderung energieintensiver Industriezweige in weniger regulierte Drittstaaten (Carbon-Leakage) verringern kann. Aus Sicht des FÖS muss der Grenzausgleich vor allem mit dem Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) in Einklang stehen. Die Erlöse müssen den nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen. Außerdem beschäftigt sich das Briefing mit der Ausgestaltung des Grenzausgleichs, etwa welche Produkte und Emissionen einbezogen, ob es auf Produktions- oder Konsumseite ansetzen und wie die Einnahmen verwendet werden sollen.
Unterdessen publizierte das Umweltbundesamt (UBA) drei Analysen im Rahmen eines Projektes zum direkten und indirekten Carbon-Leakage-Risiko europäischer Industrieunternehmen im europäischen Emissionshandelssystems der vierten Handelsperiode ab 2021. Neben Analysen zum Investitionsverhalten von Industrien sowie zur Ausgestaltung des Innovationsfonds geht es um eine vergleichende Analyse der klimapolitischen Ambitionsniveaus der EU und ihrer größten industriellen Handelspartnerländer sowie um indirekte Formen des Carbon Leakage.
Mitreden auf EU-Ebene
Eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission zum avisierten CO2-Grenzausgleichsmechanismus läuft noch bis zum 28. Oktober. Interessierte EU-Bürger*innen können Stellungnahmen zum Vorschlag der Kommission einbringen. Für das zweite Quartal 2021 plant Brüssel, einen Entwurf für die entsprechende Richtlinie zu veröffentlichen.
Regeln für Batterieproduktion schon im Herbst?
Wie das Online-Nachrichtenportal Euractiv am Montag berichtete, kündigte EU-Vizekommissionspräsident Maroš Šefčovič an, noch im Herbst einen Entwurf für eine Verordnung für die „grünsten, sichersten und nachhaltigsten Batterien auf diesem Planeten“ vorzulegen. Für in der EU hergestellte Batterien sollen ausschließlich Rohstoffe verwendet werden, die strengen ökologischen und sozialen Standards unterliegen. Vor dem Hintergrund eines prognostizierten steigenden Bedarfs an Elektromobilität strebt die EU an, Weltmarktführerin bei der Batterieproduktion zu werden.
Vorschlag zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II
Die Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie II (RED II) in nationales Recht steht an. Das Bundesumweltministerium hat zur Umsetzung von Artikel 25 bis 28, die den Verkehrsbereich betreffen, Gesetzes- und Verordnungsentwürfe vorgelegt. Die Umweltverbände Deutscher Naturschutzring (DNR), WWF, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Verkehrsclub Deutschland (VCD), Deutsche Umwelthilfe (DUH), Robin Wood und Greenpeace haben eine gemeinsame Stellungnahme eingereicht. Darin fordern sie unter anderem, den Einsatz von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen zu beenden, Biokraftstoffe aus Reststoffen strikt auf die nachhaltig verfügbaren Mengen zu begrenzen, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff im Straßenverkehr auszuschließen und im Rahmen einer ganzheitlichen Mobilitätswende die E-Mobilität zu fördern.
Europäische Zentralbank in der Kritik
Einem aktuellen Bericht zufolge sollen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) CO2-intensive Unternehmen und Industriezweige unterstützen. Anscheinend sei mehr als die Hälfte der 241,6 Milliarden Euro an Unternehmensanleihen, die die EZB hält (Stand: Ende Juli 2020), von Unternehmen aus CO2-intensiven Branchen emittiert worden. Darunter sollen sich Anleihen der Ölkonzerne OMV, Total und Shell befinden. Nach Ansicht der Autor*innen stelle diese Praxis die von der EZB selbstproklamierte Marktneutralität erheblich in Frage. Der Bericht wurde gemeinsam von der New Economics Foundation, SOAS University of London, University of the West of England, University of Greenwich und Greenpeace Zentral- und Osteuropa herausgegeben. [aw]
ITRE: MEPs blueprint for a new Industrial strategy
UBA: Analysen zum direkten und indirekten Carbon- Leakage-Risiko europäischer Industrieunternehmen
EU-Kommission: öffentliche Konsultation zum CO2-Ausgleichsmechanismus
Euractiv: EU to push new standards for ‘greenest’ car batteries on earth
Greenpeace EU: ECB’s purchasing policies skewed towards carbon-intensive industries – report