Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Klima: Klage, schuldenfinanzierte Investitionen und ein neuer Kommissar
EU-News | 05.10.2023
#Klima und Energie

Klima: Klage, schuldenfinanzierte Investitionen und ein neuer Kommissar

Rubrik_Klima_Energie_Fridays4Future_mika-baumeister-1405711-unsplash
© Photo by Mika Baumeister on Unsplash
Der Klimawandel ist für mehr als die Hälfte der jungen Menschen in Europa die wichtigste globale Herausforderung für die Zukunft der EU.

Während sich junge Menschen gezwungen sehen, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klimaklage anzustrengen, stellt die Reform des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes möglicherweise eine Hürde für das Erreichen der Klimaziele dar. Der Niederländer Wopke Hoekstra ist neuer EU-Klimakommissar.

Seit dem 27. September befasst sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einer Klage von sechs jungen Menschen aus Portugal - die bisher größte Klimaklage in der Geschichte des Gerichtshofes. Die Kläger*innen im Alter zwischen 11 und 24 Jahren werfen den Regierungen der EU-Staaten sowie von Großbritannien, der Schweiz, Norwegen, Russland und der Türkei vor, nicht genug zu unternehmen, um den Klimawandel zu stoppen. Die Klage wurde bereits 2020 eingereicht. Auslöser für die Klage waren die Waldbrände 2017 in Portugal in der Region Pedrogão Grande: Dutzende Menschen fanden damals den Tod in den Flammen. Laut dem Global Legal Action Network (GLAN), der die Klimaklage unterstützt, hätten Expert*innen bestätigt, dass der Klimawandel eine Rolle bei dieser Katastrophe gespielt hat. Es klingt wie Hohn, wenn nun der Anwalt der griechischen Regierung vor Gericht behauptet, dass „die bisher festgestellten Auswirkungen des Klimawandels keine direkten Auswirkungen auf das menschliche Leben oder die menschliche Gesundheit zu haben scheinen“.

Inzwischen ist zwar nicht mehr Angela Merkel, sondern Olaf Scholz Adressat der Klage in Deutschland, aber die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels sind unverändert heftig: Im August dieses Jahres wütete Sturmtief „Hans“ in Skandinavien: Wegen extremwetterbedingten Überschwemmungen und Erdrutschen mussten in Südnorwegen hunderte Menschen evakuiert werden. In Schweden wurden Menschen verletzt, weil ein Zug wegen eines von Starkregen unterspülten und dadurch eingestürzten Bahndamms entgleiste. In Griechenland verbrannte im Juli bei Waldbränden so viel Fläche wie seit 2008 nicht mehr.

Mit der Klage wollen die jungen Menschen eine rechtsverbindliche Entscheidung erreichen. Diese könnte die beklagten Staaten dazu zwingen, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern und strengere Klimaziele zu beschließen und einzuhalten. Allerdings werden der Klage nur geringe Erfolgschancen eingeräumt. GLAN wertet es aber bereits als Erfolg, dass das Gericht die Klage angenommen hat. In der Vergangenheit wurden ähnliche Klagen gar nicht erst zugelassen.

Wie sinnvoll sind schuldenfinanzierte Klimainvestitionen?

Indessen bescheinigt eine Studie der New Economics Foundation (NEF), dass die geplante Reform der EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes dringend benötigten Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels im Wege stehen könnte. „Mit Ausnahme von vier europäischen Ländern hindern die fiskalischen Vorschriften alle Länder daran, genug zu investieren, um ihre Pariser Klimaverpflichtungen zu erfüllen und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, heißt es in der Ende August veröffentlichten Analyse. Die EU-Mitgliedsländern sind sich derzeit noch uneins, wie die Reform des Stabilitätspaktes gelingen kann. Diskutiert werden eine feste jährliche Mindestkonsolidierung oder ein flexibler, länderspezifischer Schuldenabbau. Der Fiskalausschuss der EU dringt auf eine Entscheidung bis Jahresende, berichtet das Handelsblatt.

Die NEF warnt vor starren Schuldenregeln und argumentiert, dass Investitionen in die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen so früh wie möglich erfolgen müssen: „Ein Aufschub dieser Investitionen ist kontraproduktiv. Die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel und die Eindämmung des Klimawandels steigen, je länger wir warten.“ Die Stiftung weist darauf hin, dass die geplanten Fiskalregeln die wirtschaftliche Divergenz zwischen reicheren und ärmeren Ländern innerhalb der EU weiter verstärken würden – und damit auch die Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel. Mit Blick auf das enorme Investitionsvolumen des Inflation Reduction Act der USA seien ohnehin Wettbewerbsnachteile zu befürchten, sollte die EU nicht verstärkt in klimafreundliche Technologie investieren.

Aufgrund der „transformativen Effekte“ und der im Vergleich zu anderen öffentlichen Investitionen „überdurchschnittlichen Multiplikatoreffekts“ von klimafreundlichen Investitionen könnten diese sogar zu einem rascheren Schuldenabbau beitragen. „Konkret kommen wir zu dem Ergebnis, dass die am höchsten verschuldeten Länder der EU mindestens 135 Milliarden Euro pro Jahr für grüne Investitionen ausgeben könnten, wobei die Schulden bis 2030 immer noch sinken würden“, bilanziert die Studie.

Knappe Mehrheit für den neuen Klimakommissar

Am 5. Oktober ist der Niederländer Wopke Hoekstra im EU-Parlament zum neuen EU-Klimakommissar gewählt worden. Zur Wahl genügte eine einfach Mehrheit der Stimmen; diese hat Hoekstra knapp erreicht (279 von 485 Stimmen). Die Wahl war nötig geworden, weil sein Vorgänger, Frans Timmermans, im November als Spitzenkandidat der Linken bei der Parlamentswahl in den Niederlanden ins Rennen geht und dafür im August sein Amt als EU-Kommissar aufgegeben hat. Nachdem bekannt geworden war, dass Hoekstra als Nachfolger von Timmermans im Gespräch ist, hat die Bürgerbewegung De GoedeZaak eine Petition gegen Hoekstra ins Leben gerufen. Stein des Anstoßes war die frühere Tätigkeit von Hoekstra beim Ölkonzern Shell.  Die Petition wurde von über 30.000 Menschen unterzeichnet.

Bei der Befragung im Umweltausschuss (ENVI) des EU-Parlaments am 2. Oktober hat sich Hoekstra zu einem ambitionierten 2040-Klimaziel bekannt: Die CO₂-Emissionen sollen um mindestens 90 Prozent reduziert werden. Außerdem sprach er sich für eine Ausweitung der CO₂-Bepreisung sowie eine globale Luftverkehrssteuer aus.

[ym]

NEF-Studie: New EU fiscal rules jeopardise investment needed to combat climate crisis

Artikel LTO: Klimaklage gegen Deutschland zugelassen

Deutschlandfunk: Überschwemmungen und Erdrutsche in Schweden, Norwegen und Dänemark

Table Europe: Prozessauftakt: Größte Klimaklage in Geschichte des EGMR

Table Europe: Hoekstra und Šefčovič: Umweltausschuss beendet Hängepartie

Euractiv: Nominierung von Hoekstra als Kommissar stößt auf Kritik

Correctiv: Faktencheck: Weniger Waldbrände, mehr Regen widersprechen dem Klimawandel?

Das könnte Sie interessieren

Boden
EU-News | 28.11.2024

#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie #Landwirtschaft und Gentechnik

Rat bestätigt Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen

Der Rat hat den EU-Rahmen zur Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen abgesegnet. In Zukunft sollen CO2-Entnahmen durch neue Technologien, durch Bindung und Minderung mittels „Carbon Farming“ und durch Speicherung in Produkten zertifiziert werden können. Doch der Teufel steckt im Detail.  Kurz ...