Klima und Energie kompakt vom 04.02.2021
„Fit für 55“: wichtige Konsultationen enden bald
Am Freitag und am kommenden Montag laufen verschiedene öffentliche Konsultationen aus, die die EU-Kommission im Zuge des von 40 auf mindestens 55 Prozent angehobenen EU-Klimaziels 2030 im Klima- und Energiebereich geschaltet hatte.
Noch bis zum morgigen Freitag können Meinungen abgegeben werden, wie das europäische Emissionshandelssystem (EU ETS), die Verordnung zu Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF), die Verordnung über CO2-Emissionsstandards für neue Pkws und leichte Nutzfahrzeuge sowie die Verordnung der Lastenteilung (Effort Sharing Regulation, ESR, auch: Klimaschutz-Verordnung) an die geänderten politischen Rahmenbedingungen angepasst werden sollten. Bis Montag laufen Konsultationen zur Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) und der Energieeffizienz-Richtlinie (EED).
Vor Ablauf der Fristen steht bei Umweltorganisationen in erster Linie die ESR im Fokus, die die Treibhausgasemissionen in den Bereichen Gebäude (Wärme, Kälte), Verkehr, Abfallwirtschaft und Landwirtschaft abdeckt. Als die EU-Kommission im Oktober die Konsultation hierzu einleitete, brachte sie die Überlegung ein, die ESR zu streichen.
In einem gemeinsamen Papier machen sich das Öko-Institut, das Regulatory Assistance Project (RAP) und der Berater Stefan Scheuer dafür stark, die ESR beizubehalten und darin mehr Gewicht auf die Energieeffizienz zu legen. Nach Ansicht der Autoren sollte die Kommission vorschlagen, das Gesamtziel für die Emissionsreduzierung im Nicht-ETS-Sektor bis 2030 von 30 Prozent auf 39 Prozent zu erhöhen (unter der ESR ist das Basisjahr 2005 und nicht 1990, wie es für das Gesamtziel der EU zur Emissionsreduzierung der Fall ist) und die jährliche Verpflichtung zur Energieeinsparung unter der Energieeffizienzrichtlinie (EED) zu verdoppeln.
Mit der Petition und Kampagnenwebsite #EverybodyCounts setzen sich außerdem die Umwelt- und Klimaschutzorganisationen Transport & Environment (T&E), BirdLife Europe, CAN Europe, das Europäische Umweltbüro (EEB), Carbon Market Watch und der WWF dafür ein, die ESR beizubehalten. Jede*r kann die Petition online unterstützen und damit gleichzeitig an der öffentlichen Konsultation teilnehmen.
Eine andere öffentliche Konsultation treibt indes ein Bündnis aus Nichtregierungsorganisationen, darunter das Climate Action Network (CAN) Europe, die Umweltrechtsorganisation Client Earth sowie das Europäische Umweltbüro (EEB) um. Es rief eine Petition ins Leben, um darauf zu dringen, die Industrieemissions-Richtlinie (IED) grundlegend zu überarbeiten. Die Konsultation der Kommission endet am 23. März.
Das Bündnis fordert die EU-Kommission auf, strengere Regeln zur industriellen Umweltverschmutzung auf den Weg zu bringen, die dem europäischen Green Deal gerecht werden. Es sollen zum einen eine Obergrenze für den Kohlenstoffausstoß gesetzt und zum anderen neue „Null-Verschmutzungsregeln“ für Fabriken und Kraftwerke gelten, die die Eigentümer dazu zwingen, Luft, Wasser und andere natürliche Ressourcen besser zu schützen.
Den gerechten Übergang planen und bewerten
Alle EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, territoriale Pläne für einen gerechten Übergang (TJTPs) zu entwickeln, um Zugang zu Fördermitteln aus dem Just Transition Fund zu erhalten. Sämtliche Strategien auf lokaler Ebene müssen in öffentlicher Konsultation mit allen relevanten Interessenvertreter*innen, einschließlich der Zivilgesellschaft und Vertreter*innen vor Ort, entwickelt werden. Für den Zweck der Einbindung von Akteur*innen hat das Europabüro des WWF ein Online-Tool entwickelt. Es sollen damit Bewertungen möglich werden, wie effektiv die Entwurfs- oder endgültigen Pläne sind, um einen wirklich gerechten Übergang im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu schaffen. Es richtet sich an politische Entscheidungsträger*innen, Kommunen, die Zivilgesellschaft und andere Partner*innen, die an der Entwicklung der Pläne beteiligt sind, um Informationen darüber zu liefern, was einen guten Plan ausmacht, und um es ihnen zu ermöglichen, die Qualität des Plans zu bewerten.
Grüne Anleihen helfen bei CO2-Reduktion
Die Gemeinsame Forschungsstelle (Joint Research Centre, JRC) der EU-Kommission legt in einem am Dienstag erschienen Policybrief dar, dass sich grüne Anleihen als „effektiv bei der Förderung nachhaltigerer, weniger kohlenstoffintensiver Aktivitäten in der EU“ erweisen. Die Analyse der Kohlenstoffemissionen der Vermögenswerte von Emittenten grüner Anleihen habe eine durchschnittliche Reduzierung von etwa 4 Prozent im Vergleich zu ähnlichen Emittenten nicht grüner Anleihen ergeben.
JRC: Green bonds support carbon emissions reduction, research finds
Risiken des Rohstoffabbaus für grüne Transformation
Die Umweltorganisation CEE Bankwatch weist in einem neuen Bericht auf Risiken hin, die aus dem wachsenden Rohstoffbedarf in der EU entstehen, wenn die Ziele des European Green Deal erreicht werden sollen. Trotz der langfristigen Ziele, eine Kreislaufwirtschaft zu erreichen und die Ressourcennutzung zu reduzieren (EU-News vom 28.01.2021), werde der Green Deal einen verstärkten Abbau von Rohstoffen bewirken, um die Nachfrage nach sauberer Energie, erneuerbaren Energien und anderen Hightech-Lösungen zu befriedigen, die im Vordergrund der grünen Entwicklungsagenda der EU stehen, konstatieren die Autor*innen.
Dem Bericht zufolge hat die EU-Kommission umfangreiche Pläne vorgelegt, die den gesicherten Zugang zu Rohstoffen, die für Informations- und Kommunikationstechnologien von großer Relevanz sind, skizzieren. Wenig sagt die Kommission hingegen über den effektiven Umgang mit den Risiken, die mit dem Rohstoffabbau verbunden sind. So schätzt die EU, dass sie für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicher im Jahr 2030 bis zu 18 Mal mehr Lithium und fünf Mal mehr Kobalt und im Jahr 2050 fast 60 Mal mehr Lithium und 15 Mal mehr Kobalt benötigen würde.
CEE Bankwatch: NEW REPORT: EU push for metals mining is a raw deal for people and environment
Wissenschaftlicher Widerstand gegen Erdgas
Die Scientists for Future (S4F) kritisieren in einer neuen Studie den geplanten Ausbau von Erdgas-Infrastruktur in Deutschland. Der Ausbau lasse sich nicht klimapolitisch begründen und berge zahlreiche finanzielle Risiken. Zudem werde damit die geplante Energiewende verzögert. Vor allem richtet die Studie den Blick auf direkte Methanemissionen, die bei Förderung, Lagerung, Transport und Verbrauch von Erdgas entstehen. Gerade hier habe sich die Einschätzung verändert, seitdem Leckagen von Methan aus Pipelines und anderen Teilen der technischen Infrastruktur besser erfasst werden können. Dazu stellt Erdgasexpertin Hanna Brauers (S4F) fest: „Methanemissionen, die durch Leckagen, bewusstes Ablassen oder Abfackeln insbesondere bei der Erdgasförderung entstehen, wurden bisher nicht oder nicht vollständig in die Berechnung der Klimawirkung von Erdgas einbezogen.“
S4F: Ausbau der Erdgas-Infrastruktur: Brückentechnologie oder Risiko für die Energiewende?
Frankreich: Klatsche vor Gericht und Austrittswunsch
Das Pariser Verwaltungsgericht stellte in einem Urteil vom Mittwoch fest, dass es Versäumnisse des französischen Staates im Kampf gegen die globale Erwärmung gebe. Die vier Umweltorganisationen Notre Affaire à tous, Fondation Nicolas Hulot, Greenpeace und Oxfam, die die Klage angestrengt hatten, sprachen von einem historischen Sieg. So berichtete es das Nachrichtenportal Euractiv. Die Richter*innen hätten sich nun zwei Monate Zeit gegeben, um zu entscheiden, ob sie die Regierung anweisen werden, Maßnahmen zum Schutz des Klimas zu ergreifen.
Anscheinend forderte Frankreich die EU-Kommission in einem Brief auf, aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) auszusteigen. Nach Informationen des Nachrichtenportals Euractiv bemängelten die Minister*innen Brune Le Maire (Wirtschaft und Finanzen), Barbara Pompili (Ökologische Transformation), Franck Riester (Außenhandel) und Clément Beaune (Europaangelegenheiten) den Stillstand bei den Verhandlungen, den ECT an internationale Verträge wie das Klimaabkommen von Paris anzupassen. Sie befürworten daher den Austritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Vertrag.
Euractiv: French state loses landmark lawsuit over climate inaction
Euractiv: France puts EU withdrawal from Energy Charter Treaty on the table
Gesammelt von Ann Wehmeyer
Lektüreempfehlung: die neueste Ausgabe des DNR-Newsletters zum Thema Wasserstoff
Ist Wasserstoff (H2) tatsächlich die Patentlösung für eine treibhausgasneutrale Zukunft? Dieser Frage widmen sich die Beiträge im Schwerpunkt des Newsletters. Einen Einblick, was erforderlich ist, um H2 ökologisch und ökonomisch zu erzeugen, gibt der Fachjournalist Frank Grotelüschen. Erika Bellmann vom WWF richtet ihr Augenmerk auf H2 als Rohstoff und BUND-Experte Oliver Powalla konstatiert, dass nur erneuerbarer Wasserstoff klimafreundlich ist. Und der DNR hat passend zum Thema einen Steckbrief veröffentlicht.
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