Klima und Energie kompakt vom 14.10.2021

EU-Taxonomie I: keine Rolle für fossiles Gas
Die Umweltrechtsorganisation Client Earth hat in einem Brief an die EU-Kommission ihre Bedenken dargelegt, was die mögliche Einbeziehung von fossilem Gas in die EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen anbelangt. In den kommenden Wochen wird ein delegierter Rechtsakt aus Brüssel erwartet, der bestimmte Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig klassifiziert und Investor*innen anlocken soll.
Seit Monaten tobt Streit über die Frage, ob fossiles Erdgas zur Eindämmung des Klimawandels beiträgt oder anderweitig als ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung eingestuft werden soll (EU-News vom 22.04.2021).
Die Position von Client Earth ist klar: Sollte Erdgas als nachhaltige Investition bezeichnet werden, stünde dies „in völligem Widerspruch“ zu den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen und des hauseigenen European Green Deal.
Client Earth: Exclusion of natural gas activities from the EU Taxonomy Regulation
EU-Taxonomie II: Renaissance der Atomenergie?
Frankreich, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik, die Slowakei, Slowenien und Ungarn plädieren dafür, dass Kernenergie „Teil der Lösung für die Klimakrise und den Anstieg der Energiepreise“ sein muss. So geht es aus einem gemeinsamen Meinungsartikel hervor, der am Montag in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde. Dies berichtete das Nachrichtenmagazin Euractiv am Dienstag.
Die Wirtschafts- und Energieminister*innen dieser zehn EU-Mitgliedstaaten erkennen Atomkraft als sichere, CO2-arme Energiequelle an, die dem Prinzip „Vermeidung erheblicher Schäden“ (Do no significant harm, DNSH) entspreche. Sie befürworten daher deren Aufnahme in das EU-Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzen.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am Dienstag einen Investitionsplan für sein Land bis 2030 angekündigt. Von den insgesamt 30 Milliarden Euro sollen allein acht Milliarden Euro in die Dekarbonisierung der Wirtschaft fließen. Davon sollen vor allem neue Kleinatomreaktoren (small modular reactors), aber auch bestehende Atomkraftwerke profitieren.
Am Mittwoch erschien in der Zeitung Die Welt ein Brief von nationalen und internationalen Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und anderen Personen der Öffentlichkeit, die vor dem Atomausstieg Deutschlands warnen. Ohne Atomstrom werde Deutschland das Reduktionsziel von 65 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030 nicht schaffen.
Euractiv: 10 EU countries back nuclear power in EU green finance taxonomy
Tagesschau.de: Wie Frankreich 2030 aussehen soll
Offener Brief: Liebes Deutschland, bitte lass die Kernkraftwerke am Netz (Die Welt)
Unsachgemäße Lagerung von französischem Atommüll befürchtet
Im Gegensatz zu den zehn EU-Ländern forderte die Umweltorganisation Greenpeace die EU-Kommission auf, Nuklearenergie als nicht nachhaltig einzustufen. Eine neue Untersuchung zu Exporten von radioaktiven Abfällen nach Russland scheint den Standpunkt der Organisation zu bestätigen: Greenpeace Frankreich vermutet, dass Atommüll, den die Orano-Gruppe – ein staatlicher Industriekonzern mit Sitz in Paris, der Nukleartechnikanlagen und -brennstoff herstellt – Anfang des Jahres nach Russland exportiert hat, dort nicht ordnungsgemäß gelagert werde.
Satellitenbilder aus dem sibirischen Sewersk würden belegen, dass Tausende von Fässern mit verbrauchtem Uran ungeschützt im Freien lagerten. Dies verstoße nach Ansicht von Greenpeace gegen EU-Vorschriften, die die Ausfuhr radioaktiver Abfälle in ein Drittland regeln.
Greenpeace EU: Exposed: French nuclear companies dumping radioactive waste in Siberia
Menschengemachte Methanemissionen weltweit in den Blick nehmen
Ein Bündnis aus Umwelt- und Klimaschutzorganisationen, darunter der Deutsche Naturschutzring, appelliert in einem Brief an die EU-Kommission, den Anwendungsbereich des geplanten Legislativvorschlags zur Verringerung von anthropogenen – also durch den Menschen verursachte – Methanemissionen im Öl-, Gas- und Kohlesektor auf die gesamte Lieferkette auszuweiten. Die Organisationen warnen davor, nur die Methanemissionen, die in der EU entstehen, in den Fokus zu rücken.
Der Vorschlag aus Brüssel soll Maßnahmen zur Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (MRV) sowie zur Erkennung und Reparatur von Leckagen (LDAR) enthalten. Auch werde ein Verbot des routinemäßigen Ablassens und Abfackelns (BRVF) erwogen, das die NGOs als notwendig erachten. Methan ist ein hochpotentes Treibhausgas, dessen Treibhauswirkung etwa 28 Mal stärker ist als die von Kohlendioxid (CO2).
Überdies betont das Bündnis, dass internationale Initiativen, wie der von der EU und den USA ins Leben gerufene Global Methane Pledge (EU-News vom 23.09.2021), nicht dazu führen dürfen, dass regulatorische Maßnahmen der EU für Importe aufgeweicht werden.
Dem EU-US-Vorstoß haben sich mittlerweile 24 weitere Staaten – darunter Deutschland, Frankreich, Kanada und Pakistan – angeschlossen, wie das Nachrichtenmagazin Euractiv am Dienstag berichtete. Die Zusage beinhaltet die Verpflichtung, die anthropogenen Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber dem Stand von 2020 zu senken. Dieser Schritt solle die globale Erwärmung bis 2050 um mindestens 0,2 Grad Celsius reduzieren. Der Global Methane Pledge soll auf der UN-Konferenz COP26 offiziell vorgestellt werden.
EIA Climate Campaign: Brief an die EU-Kommission
Euractiv: Two dozen countries announce commitment to EU-US global methane pledge
Kritik am Entwurf für Energiebeihilfe-Leitlinien
In der vergangenen Woche haben europäische Umwelt- und Gesundheitsorganisationen ihre Besorgnis über neue Leitlinien für staatliche Beihilfen in den Bereichen Klima, Energie und Umwelt (CEEAG) geäußert. In einem offenen Brief an die EU-Kommission argumentieren die Organisationen, dass angedachte staatliche Ausgleichsmaßnahmen die Stilllegung von Kohlekraftwerken verzögern könnten. Der Entwurf sei somit weder geeignet, den Kohleausstieg zu unterstützen, noch das Versprechen der Kommission einzulösen, die Wettbewerbspolitik mit dem European Green Deal (EGD) in Einklang zu bringen. Die Leitlinien müssten stattdessen Anreize für einen EU-weiten Kohleausstieg vor 2030 schaffen, das Verursacherprinzip durchsetzen und die Förderung von fossilem Erdgas als Übergangstechnologie beenden, betonten die Organisationen Client Earth, CAN Europe, Europäisches Umweltbüro (EEB), Europe Beyond Coal, HEAL und Ember.
Müllverbrennung in den Emissionshandel
Eine neue Studie der niederländischen Forschungs- und Beratungseinrichtung CE Delft, die von der Umweltorganisation Zero Waste Europe (ZWE) in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass die Einbeziehung von Müllverbrennungsanlagen in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) die Abfallvermeidung und das Recycling von Unternehmen und Privathaushalten fördern würde. Ebenso würde es Vorteile für den Klimaschutz und die Beschäftigung bringen. CE Delft rechnet mit rund 14.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2030.
ZWE: Waste Incineration under the EU ETS – An assessment of climate benefits
Keine CCS-Technologie für Müllverbrennung
Zero Waste Europe und Only Solutions LLP lehnen die Abscheidungs- und Speichertechnologie von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) für Müllverbrennungsanlagen ab. Beide Organisationen befürchten, dass somit die Verbrennung von Abfällen weitergehe, statt kreislauffähige Lösungen zu entwickeln. EU-Mittel dürften daher nicht in CCS-Technologien für solche Anlagen fließen, sondern in praktikable alternative Ansätze. Im Mittelpunkt stehe die Abfallvermeidung: Produkte und Materialien müssen so konzipiert sein, dass sie länger halten und wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können, anstatt auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen zu landen.
Redakteurin: Ann Wehmeyer