Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Kreislauf angekurbelt für ökologischen Wandel
News | 07.12.2022
#Kreislaufwirtschaft

Kreislauf angekurbelt für ökologischen Wandel

Textilien - lange haltbar
© pexels by pixabay
Textilien - lange haltbar

Die EU-Kommission hat nach dem ersten Kreislaufwirtschaftspaket vom März Ende November auch den zweiten Teil veröffentlicht. Mit den Vorschlägen sollen nachhaltige Produkte in der EU zur Norm gemacht, Kreislaufwirtschaftsmodelle gefördert und Verbraucher*innen für den ökologischen Wandel gestärkt werden. Weitere wichtige Beschlüsse wurden auf 2023 verschoben.

Mit den beiden Gesetzespaketen legt die EU-Kommission zentrale Instrumente für den Übergang in eine Kreislaufwirtschaft vor. Die Vorschläge fokussieren auf Produktpolitik und eine Stärkung der Verbraucher*innen und betreffen insbesondere Sektoren wie die Bauwirtschaft, Textilien, Verpackungen und Biokunststoffe. Mit dem Ziel „nachhaltige Produkte zur Norm zu machen“, wird kreislauforientiertes Produktdesign zum zentralen Hebel für die Kreislaufwirtschaft. Denn laut EU-Kommission ist die Produktgestaltung für bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produkts verantwortlich. Dabei setzt sie auf das bewährte Instrument der Ökodesignvorschriften, die aktuell nur für energieverbrauchsrelevante Produkte gelten.

Mit dem Verordnungsentwurf soll der Anwendungsbereich auf praktisch alle auf den EU-Markt gebrachten physischen Produkte ausgeweitet werden. Es werden Mindestanforderungen festgelegt, um Produkte haltbarer, zuverlässiger, wiederverwendbarer, reparierbarer, leichter zu warten und zu recyceln sowie energie- und ressourceneffizienter zu machen. Darüber hinaus wird es produktspezifische Informationspflichten geben. So werden etwa alle regulierten Produkte mit digitalen Produktpässen versehen werden müssen. Dies soll Verbraucher*innen ermöglichen, die Umweltauswirkungen ihrer Einkäufe besser beurteilen zu können, und Betrieben die Reparatur und das Recycling von Produkten erleichtern.

Maria Langslehner
Kreislauforientiertes Produktdesign wird zum zentralen Hebel für die Kreislaufwirtschaft. (...) Es werden Mindestanforderungen festgelegt, um Produkte haltbarer, zuverlässiger, wiederverwendbarer, reparierbarer, leichter zu warten und zu recyceln sowie energie- und ressourceneffizienter zu machen.
Maria Langslehner, Umweltdachverband Österreich
Referentin für Kreislaufwirtschaft und Wirtschaftstransformation

Die praktische Umsetzung wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die EU-Kommission wird die Details zu den Produktgruppen erst erarbeiten. Trotz des hohen Arbeitsaufwands ist vorgesehen, das für Produktpolitik zuständige Personal nur begrenzt aufzustocken. Zudem wurde versäumt, ein sofortiges Verbot für die Vernichtung unverkaufter Waren festzulegen. Stattdessen soll es eine Berichtspflicht geben und das Verbot erst in zukünftigen Rechtsakten geregelt werden.

Stärkung der Verbraucher*innen für den ökologischen Wandel

Neben produktseitigen Änderungen sieht die EU-Kommission mit der neuen Richtlinie eine Stärkung der Konsument*innen zum besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Information vor. Sie soll unter anderem die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsbehauptungen- und siegeln (Green Claims) erhöhen, denn laut Behörden sind 42 Prozent der Nachhaltigkeitsbehauptungen falsch oder irreführend. Verbote spezifischer Greenwashing-Praktiken, zum Beispiel ökologische Behauptungen ohne Nachweis über die Umweltverträglichkeit des Produkts durch vertrauenswürdige Zertifizierungssysteme, sollen dem entgegenwirken.

Bedauerlicherweise wurde ein generelles Verbot vorzeitiger Obsoleszenz aus dem Vorschlag gestrichen. Stattdessen sollen spezifische Praktiken aufgelistet werden, die zu vorzeitiger Obsoleszenz führen, einschließlich der Einschränkung von Software-Updates und falscher Angaben zur Reparierbarkeit. Neue Informationsvorschriften über Haltbarkeitsgarantie oder Verfügbarkeit von Ersatzteilen sollen Verbraucher*innen fundierte Kaufentscheidungen ermöglichen.

Textilien und Bauprodukte: zu vage Regeln

Die EU-Textilstrategie sieht Maßnahmen für den Textilsektor vor. Mit den Ökodesignvorschriften sind verbindliche Regeln für das Produktdesign geplant, die Textilien langlebiger, reparierbarer und recyclingfähiger und frei von gefährlichen Substanzen machen sollen. Die Angaben zu Letzterem sind derzeit noch sehr vage. Auch das Problem der unbeabsichtigten Freisetzung von Mikroplastik aus synthetischen Textilien soll angegangen werden. Begrüßenswert sind geplante Zielvorgaben, Re-Use (also die Wiederverwendung) zu erhöhen und Hersteller*innen stärker zur Verantwortung zu ziehen. Der Strategie fehlen jedoch genauere Angaben zu den sozialen Aspekten sowie absolute Zielwerte, um Ressourcenverbrauch und Konsum zu verringern.

Die Überarbeitung der Bauprodukteverordnung legt die Messlatte für Produktanforderungen niedrig an. Die Verordnung zielt auf EU-weit harmonisierte Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten ab. Neben Sicherheits- und Funktionalitätsaspekten sollen auch Nachhaltigkeitskriterien für dies Produkte festgelegt werden. Minimalkriterien sollte es zumindest für inhärente Produktanforderungen geben (etwa Minimierung der Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus, Maximierung des Recyclinganteils). Der Vorschlag sieht aber weder einen Zeitplan für die Festlegung von Mindestanforderungen vor, noch schreibt er eine verpflichtende Offenlegung der Anforderungen mittels eines digitalen Produktpasses vor.

Verpackungen und Biokunststoffe: Mehr Ambition gefordert  

Das November-Paket inkludierte den Vorschlag zur Überarbeitung der Vorschriften über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Als übergeordnetes Ziel enthält er die Reduktion der Verpackungsabfälle von 15 Prozent pro Mitgliedstaat und Kopf bis 2040 im Vergleich zu 2018. Zudem sind zum ersten Mal Ziele für das Re-Use und die Wiederbefüllung von Verpackungen in verschiedenen Branchen, darunter Getränke, Speisen zum Mitnehmen und Transport, vorgesehen. Viele Maßnahmen zielen zudem darauf ab, Verpackungen bis 2030 uneingeschränkt recyclingfähig zu machen und weitere Einwegverpackungen zu verbieten. Letzteres betrifft etwa Lebensmittel und Getränke, die im Restaurant konsumiert werden. Einer ersten Reaktion des Europäischen Umweltbüros (EEB) zufolge liegen die Re-Use-Quoten unter der ursprünglich angedachten Menge. Ebenso wurden weitere Umweltziele seitens der Industrie stark verwässert.

Auch die Mitteilung über einen politischen Rahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe war Teil des November-Pakets. Sie enthält Leitlinien darüber, wie Biokunststoffe verwendet werden sollten, wenn überhaupt. Das ist ein wichtiges Signal, da es zeigt, dass Biokunststoffe gegenüber konventionellen Kunststoffen nicht notwendigerweise besser sind bzw. nicht einfach substituiert werden sollten. Die EU-Kommission setzt damit ein klares Zeichen für die Einhaltung der Abfallhierarchie und legt die Prioritäten auf Zirkularität und die Minderung von Materialverbrauch. Die Mitteilung ist jedoch rechtlich nicht bindend und gibt auch keinen klaren Weg für Regulierungsmaßnahmen vor.

Nach dem umfangreichen März-Paket ist das November-Paket mit den Vorschlägen zu Verpackungen und dem Rahmen für Biokunststoffe ziemlich mager ausgefallen. Die erwartete Verordnung zu Green Claims wurde zum zweiten Mal verschoben. Sie sollte die dringend notwendigen Vorgaben für die Kennzeichnung von Nachhaltigkeitsbehauptungen und -labels regeln. Auch der Entwurf für ein Recht auf Reparatur wurde in das kommende Jahr geschoben. Die veröffentlichten Vorschläge werden nun von EU-Parlament und Rat diskutiert.

Die Autorin

Maria Langsenlehner ist sozial-ökologische Ökonomin und arbeitet seit 2017 als Referentin für Kreislaufwirtschaft und Wirtschaftstransformation beim österreichischen Umweltdachverband.

Der Artikel basiert unter anderem auf den Analysen des Europäischen Umweltbüros (EEB), die im Zuge der Veröffentlichung der Kreislaufwirtschaftspakete erschienen sind.

https://eeb.org/new-circular-economy-package-set-to-be-a-game-changer

https://eeb.org/only-two-files-remaining-in-a-meager-circular-economy-package

Das könnte Sie interessieren

Symbolbild: weißes Verkehrsschild mit der Aufschrift Europäischer Rechnungshof
EU-News | 15.11.2024

#Chemikalien #EU-Umweltpolitik #Kreislaufwirtschaft #Landwirtschaft und Gentechnik #Mobilität #Wasser und Meere #Wirtschaft

Pläne der Rechnungsprüfer für 2025

Der Europäische Rechnungshof (ECA) hat in seinem Arbeitsprogramm 69 Prüfberichte vorgesehen, um die EU-Politikmaßnahmen unter die Lupe zu nehmen. Im Umweltbereich sind 2025 und 2026 insgesamt 17 Sonderberichte geplant. Nächstes Jahr sollen außerdem EU-Mittel zur Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen geprüft werden....