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Net Zero-Industry Act: EU-Parlament vergibt Zukunftschance
EU-News | 22.11.2023
#Klima und Energie

Net Zero-Industry Act: EU-Parlament vergibt Zukunftschance

Atomkraftwerk neben Windrädern
© AdobeStock/Ralf
Wer alles fördert, fördert am Ende nichts mehr.

Mit 376 Ja-Stimmen, 139 Nein-Stimmen und 116 Enthaltungen hat das EU-Parlament am 21. November seine Position zum Net Zero-Industry Act (NZIA) beschlossen. Umweltverbände kritisieren den Gesetzesentwurf, der Subventionen für nicht-nachhaltige Technologien vorsieht und Beteiligungsrechte gefährdet.

Während Lobbyisten die Abstimmung zum NZIA als „Big day for carbon removals!“ bejubelten, ärgerte sich EU-Parlamentarier Michael Bloss (Bündnis 90/Die Grünen) über eine Gesetzesinitiative, die „statt Zukunftsindustrien anzulocken“, „Subventionen zum Fenster rausschmeißt“. Mit den Stimmen von Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten hat der CDU-Europaabgeordnete Christian Ehler, Chefverhandler des Parlaments für das Gesetz, seinen im Oktober im Industrieausschuss (ITRE) vorgelegten Entwurf durchgesetzt. Geplant als industriepolitische Antwort der EU auf den 400 Milliarden Dollar umfassenden Inflation Reduction Act der USA, verfehlt der NZIA in der nun verabschiedeten Form sein Ziel, so Bloss: „Mit diesem Gesetz haben wir gegen die USA keine Chance.“

Wenig vom ursprünglichen Vorschlag übrig

Ursprünglich zielte das von der EU-Kommission am 16. März eingebrachte Gesetzesvorhaben darauf ab, die Entwicklung und den Ausbau erneuerbarer Technologien in der EU zu fördern und im Sinne des europäischen Green Deal die Transformation der europäischen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität voranzubringen. Nach dem Willen des EU-Parlaments wurde die Liste der „strategischen Netto-Null-Technologien“ nun von ursprünglich 10 auf 17 erweitert. Diese sind im rechtlichen Sinn von „öffentlichem Interesse“ und förderungswürdig. Neben der Wind- und Solarenergie umfasst die Liste somit auch die Atomenergie, Biomethan und Wasserkraft. „Das Parlament ändert die Logik des Kommissionsvorschlags. Statt europäisch eine begrenzte Liste an strategischen Netto-Null Technologien auszuschreiben, können Mitgliedstaaten individuell aus einer langen Liste an Technologien auswählen“, kommentierte Bloss die Entscheidung.

Auch die Einstufung von CCS als Netto-Null-Technologie und die Festlegung eines verschärften Mengenziels für die CO2-Speicherung bis 2030 wird von Umweltverbänden kritisiert. Sie befürchten, dass statt einer klimafreundlichen Industrieförderung nun ein neuer Markt für CCS geschaffen wird, der statt zur Emissionsvermeidung zu einem Lock-in fossiler Technologien führt. CCS darf nur für prozessbedingte nicht vermeidbare Industrieemissionen zum Einsatz kommen“, fordert deshalb der WWF.

Letzte Hoffnung Trilog

Der Gesetzentwurf ermöglicht in seiner jetzigen Fassung die Ansiedlung von Industrieanlagen auch in Schutzgebieten und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Es steht zu befürchten, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht oder nur unzureichend durchgeführt und die Beteiligungsrechte von Umweltverbänden und der interessierten Öffentlichkeit eingeschränkt werden. Dies wird in einem gemeinsamen Positionspapier von sechs Umweltverbänden ausführlich dargelegt. Möglicherweise werde durch das Gesetz sogar eine verzögernde Wirkung erzielt, so die Verbände: „Deregulierung und Missachtung des öffentlichen Interesses führen nicht zu einer schnelleren Umsetzung. Stattdessen bremsen sie den Fortschritt durch juristische Auseinandersetzungen um Genehmigungen und beschleunigen den ohnehin dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt.“

Die Umweltverbände setzen ihre Hoffnungen nun auf die Verhandlungen im Ministerrat am 7. Dezember und den anschließenden Trilog. Wir fordern die EU-Gesetzgeber und die Mitgliedstaaten auf, die öffentliche Unterstützung auf Lösungen zu konzentrieren, die bereits existieren und funktionieren“, betont Luke Haywood vom European Environmental Bureau (EEB). Da die Positionen der Mitgliedstaaten zum Teil weit auseinanderliegen, ist mit schwierigen Verhandlungen zu rechnen, die noch die eine oder andere Überraschung bereithalten könnten. Das Trilogverfahren soll spätestens im April abgeschlossen sein, damit das Gesetz noch vor den Europawahlen im nächsten Jahr in Kraft treten kann. [ym]

EU-Parlament: Bessere Förderung der Herstellung klimaneutraler Technologien in Europa

DNR: EU-Parlament stimmt für Aufweichung des Netto-Null-Industrie-Gesetzes

WWF: Pressestatement zum Net-Zero-Industry-Act und Carbon Removal Certification Framework

EEB: European Parliament unravels net-zero industrial policy with costly giveaways and a new attack on nature

Michael Bloss: Klima-Industrie Gesetz: Konservative riskieren Deindustrialisierung

Artikel Euractiv: EU-Parlament unterstützt Atomkraft in Net-Zero-„Wunschliste“

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