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Neue Gentechnik: EU-Vorsorgeprinzip gefährdet
EU-News | 05.10.2023
#Landwirtschaft und Gentechnik

Neue Gentechnik: EU-Vorsorgeprinzip gefährdet

Ökolandbau

Laut eines neuen Rechtsgutachtens verletzt die geplante Gentechnik-Gesetzgebung das EU-Vorsorgeprinzip. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will die Kennzeichnungspflicht auch für neue Gentechnik. Bundesagrarminister Özdemir soll sich für gentechnikfreie Wertschöpfungsketten einsetzen.

Ein neues Rechtsgutachten zeigt auf, dass die geplante Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts zentrale Prinzipien des europäischen Rechts verletzt. Der Kommissionsvorschlag zum zukünftigen Umgang mit neuen genomischen Techniken (NGT) widerspreche laut Gutachten dem Vorsorgeprinzip, einer wesentlichen Leitlinie der europäischen Umweltpolitik. Am 5. Juli hatte die EU-Kommission ihren Verordnungsentwurf zur Regelung der neuen Gentechnik vorgelegt. Der Vorschlag sieht eine Einteilung von gentechnisch veränderten Organismen in zwei Kategorien vor. NGT-Pflanzen der ersten Kategorie wären weitgehend mit Produkten klassischer Züchtung gleichgestellt. Nur für Pflanzen der zweiten Kategorie würden weiterhin die bestehenden Anforderungen des EU-Gentechnikrechts gelten.  

Vorsorgeprinzip und Cartagena-Protokoll verletzt

Das von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Auftrag gegeben Rechtsgutachten kommt nun zu der Bewertung, dass die Privilegierung der Organismen unter der ersten Kategorie gegenüber herkömmlichen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) nicht gerechtfertigt sei. Der Kommissionsvorschlag widerspreche sowohl dem Vorsorgeprinzip der EU als auch den Anforderungen des Cartagena-Protokolls. Das unionsrechtlich verbindliche Cartagena-Protokoll regelt den Umgang mit GVO und verlangt Risikoprüfungen vor dem Ausbringen solcher Organismen.

Fehlende Risikoermittlungs- und Kennzeichnungspflicht   

Laut Kommissionsvorschlag sind für Pflanzen der ersten Kategorie jedoch keinerlei Risikoprüfungen vorgesehen. Die geplante Gesetzgebung sei zudem „blind gegenüber potenziellen Risiken von NGT-Pflanzen der Kategorie 1“, heißt es im Gutachten. Es gebe auch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass von NGT-Pflanzen der ersten Kategorie grundsätzlich geringere Risiken ausgehen als von NGT-Pflanzen der zweiten Kategorie. Nicht zuletzt verletze auch der Verzicht auf die Kennzeichnungspflicht das Vorsorgeprinzip. Dies könne dazu führen, dass selbst nach einer festgestellten Gefährlichkeit keine Schutzmaßnahmen mehr getroffen werden könnten, da die Erzeugnisse schlicht nicht mehr erkennbar seien. Das Gutachten kommt zu dem Urteil, dass die EU-Gesetzgeber die Grenzen des „Regelungsspielraums bei der Anwendung des Vorsorgeprinzips überschreiten“. Das Gutachten attestiert daher selbst einer Nichtigkeitsklage gegen die geplante Verordnung „gute Erfolgsaussichten“.

Umfrage: Verbraucher*innen wollen Kennzeichnung

Entsprechend kritisch begleitete Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, die Ergebnisse des Rechtsgutachtens: „Hier wird das Vorsorgeprinzip offensichtlich mit Füßen getreten.“ Sowohl die möglichen Effekte bei der Freisetzung von NGT würden ignoriert, als auch Verbraucher*innen die Möglichkeit genommen, „selbst zu entscheiden, ob sie gentechnisch verändertes Essen zu sich nehmen wollen oder nicht“, so Häusling weiter. Dass Kennzeichnung und Risikoprüfung ein großes Anliegen der Verbraucher*innen ist, hatte zuletzt erneut eine aktuelle Umfrage von Forsa im Auftrag von Foodwatch ergeben: 92 Prozent der Befragten waren hier der Meinung, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen, unabhängig davon, ob NGTs oder herkömmliche gentechnische Verfahren angewendet würden.

AbL: Özdemir beim Wort nehmen

Indes appellierte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) an Häuslings grünen Parteikollegen, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, sich für eine strikte Regulierung aller neuen Gentechnik-Pflanzen einzusetzen und den Verordnungsentwurf der Kommission zurückzuweisen. Die AbL werde Cem Özdemir beim Wort nehmen: „Die gentechnikfreie konventionelle und ökologische Landwirtschaft und ihre Wertschöpfungsketten dürfen nicht in ihrer Existenz bedroht sein“, so Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL. Anlässlich einer am 5. Oktober stattfindenden Veranstaltung in Brüssel, veröffentlichte die Organisation eine Stellungnahme, die aufzeige was nötig sei, um die Existenz gentechnikfreier Wertschöpfungsketten zu sichern. [bp]

Pressemitteilung Martin Häusling

Pressemitteilung AbL

Pressemitteilung Foodwatch

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