Neues Gas in alten Schläuchen

Am 27. November wurden die Trilogverhandlungen zum ersten Teil des Gaspakets erfolgreich abgeschlossen. Die Novellierung der EU-Gasmarkt-Richtlinie soll die Einführung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Gase, einschließlich Wasserstoff, in den EU-Gasmarkt erleichtern. Umweltverbände kritisieren, dass eine wirksame Entflechtung der Netzbetreiber nicht erreicht wurde.
Die Gasmarkt-Richtlinie zielt darauf ab, die Produktion von erneuerbaren Gasen und Wasserstoff zu steigern und deren Integration in die EU-Energienetze voranzutreiben. Damit soll die Abhängigkeit von russischem Gas und der Verbrauch klimaschädlicher fossiler Rohstoffe reduziert werden. „Die Einigung macht Europa fit für Wasserstoff. Dies wird die europäische Wettbewerbsfähigkeit sichern und Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Wirtschaft erhalten“, kommentierte der Chefunterhändler, der deutsche Sozialdemokrat Jens Geier (S&D-Fraktion), das Verhandlungsergebnis.
Kernpunkt der Verhandlungen war die Regelung der Eigentumsverhältnisse an der Wasserstoffinfrastruktur. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah eine strengere Regulierung als bei Gas- und Stromnetzen vor, die sogenannte horizontale Verflechtung (unbundling). Damit sollte verhindert werden, dass ein und dasselbe Unternehmen sowohl Strom- oder Gasproduzent als auch Netzeigentümer ist und Gasunternehmen ihre bestehende Pipeline-Infrastruktur auf Wasserstoff umstellen können.
Die Einigung sieht nun vor, dass letztlich die Mitgliedstaaten diese Frage selbst entscheiden können, denn die Entflechtungsregeln gelten nur für Übertragungsnetzbetreiber, nicht jedoch für Verteilernetzbetreiber, und dies auch nur unter bestimmten Bedingungen. Die Umnutzung von Erdgasleitungen für Wasserstoff ist ausdrücklich möglich. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte den erzielten Kompromiss. „Die Entscheidung ist von fundamentaler Bedeutung für die gesamte Branche und Mindestvoraussetzung für einen erfolgreichen Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland und ganz Europa“, so Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Gaslobby setzt sich durch
Kritiker der Entscheidung warnten vor einer Quersubventionierung von Wasserstoff auf Kosten der Gasverbraucher und befürchten eine teure, unrentable Umwidmung der Gasnetze für Wasserstoff. „Eine unbefriedigende Vereinbarung“, kommentierte die Umweltorganisation CAN Europe. „Mit der Aufweichung der Entflechtungsvorschriften wurden der Gasindustrie die Schlüssel für die Entwicklung von Wasserstoffnetzen auf der Ebene der Verteilernetze in die Hand gegeben, mit dem Risiko, dass Wasserstoff in die Heizungshäuser gedrängt wird und die Verbraucher für künftige ungenutzte oder übermäßig ausgebaute Infrastrukturen zahlen müssen. Die Tatsache, dass man sich nicht auf einen unabhängigen Wasserstoffbetreiber einigen konnte, spiegelt den gleichen Interessenkonflikt und den großen Einfluss der Gasindustrie auf die politischen Entscheidungsträger wider“, so Esther Bollendorf, Expertin für Gaspolitik bei der Umweltorganisation.
Positiv zu vermerken sei laut CAN, dass „schwer zu dekarbonisierende Sektoren“ Vorrang bei der Versorgung mit Wasserstoff hätten. Ob allerdings wirklich ausgeschlossen werden kann, dass Wasserstoff auch im Wärmesektor zum Einsatz kommt, wo wesentlich effizientere und kotengünstigere Alternativen zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten.
Verbraucherschutz wird leicht verbessert
Die Richtlinie sieht auch vor, dass Verteilnetzbetreiber Pläne für die Stilllegung von Netzen entwickeln müssen, wenn der Rückgang der Nachfrage dies erfordert – ein erster Schritt in Richtung Rückbau oder Weiternutzung ungenutzter fossiler Gasinfrastrukturen.
Im Bereich des Verbraucherschutzes und der Preistransparenz wurde mit dem Recht der Verbraucher auf angemessene Information und der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Verhinderung von Stromsperren zu ergreifen, eine rudimentäre Verbesserung erreicht.
Die Richtlinie bedarf noch der formalen Zustimmung von Rat und Parlament, die aber als gesichert gilt. Derzeit wird noch über den zweiten Teil des Gaspakets, die Gasmarktverordnung, verhandelt. Am 8. Dezember findet dazu der Trilog statt. Strittig sind hier noch die Biogasziele und die gemeinsame EU-Beschaffung von Wasserstoff. Das Gaspaket ist Teil des „Fit for 55“-Pakets, mit dem die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent (gegenüber 1990) gesenkt werden sollen. [ym]
PM EU-Parlament: Deal reached on gas market reform
Artikel Euractiv: EU einigt sich auf neue Investitionsmöglichkeiten
PM CAN Europe: Gas package trilogue reaction
PM IWR: EU-Entscheidung: Gasnetzbetreiber dürfen künftig Wasserstoffnetze betreiben
Artikel DNR: Schwache Reform des EU-Gasmarkts vorgeschlagen