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Ostseefangquoten 2024 schlagen Wellen
EU-News | 31.10.2023
#Wasser und Meere

Ostseefangquoten 2024 schlagen Wellen

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© pixabay

Der EU-Ministerrat hat im Oktober die Fangmöglichkeiten in der Ostsee für 2024 festgelegt. Die meisten Quoten wurden gesenkt, allerdings nicht weit genug, um ökologisch vertretbar zu sein. Das jedenfalls kritisieren Umweltverbände.

Die Fischereiministerinnen und -minister haben in ihrer Ratssitzung am 23. und 24. Oktober auf zulässige Gesamtfangmengen (TACs) und Quoten für 2024 für die kommerziell wichtigsten Fischbestände in der Ostsee geeinigt. Nach eigenen Angaben entspricht die Einigung den wissenschaftlichen Gutachten des Internationalen Rates für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, ICES) und den Zielen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) sowie den Bestimmungen des Mehrjahresplans für Ostseebestände. Dieser Einschätzung widersprechen allerdings Umweltverbände vehement.

Der Fischereirat einigte sich auf Folgendes:

  • Hering in der westlichen Ostsee, Dorsch in der östlichen Ostsee sowie Dorsch in der westlichen Ostsee dürfen weiterhin nicht gezielt, sondern – mit entsprechender Quote - nur als Beifang gefischt werden;
  • für Hering im Bottnischen Meerbusen und in der mittleren Ostsee gilt eine um 31 beziehungsweise 43 Prozent gesenkte Gesamtfangquote;
  • die Quote für Lachs im Finnischen Meerbusen wurde um 7 Prozent erhöht;
  • bei Scholle blieben die TACs auf gleicher Höhe wie 2023;
  • die TACs für Hering im Rigaischen Meerbusen, Lachs im Hauptbecken und Sprotte wurden um 17, 15 beziehungsweise 10 Prozent gesenkt.

Nach Angaben des dpa-Europatickers bedauerte die schleswig-holsteinische Fischereistaatssekretärin Anne Benett-Sturies die Auswirkungen auf das Freizeitangeln durch das ganzjährige Verbot der gezielten Freizeitfischerei auf Dorsch. Bisher war zwischen Januar bis März erlaubt, täglich maximal einen Dorsch zu fangen. Laut dpa zeigte sich Benett-Sturies aber erfreut über eine Ausnahme vom Verbot der gezielten Heringsfischerei für Fischereifahrzeuge der kleinen Küstenfischerei (Schiffe unter 12 Meter).

Reaktion der Umweltverbände reicht von „unzureichend“ bis „nicht vertretbar“

Ein breites Bündnis von europäischen Meeresschutzorganisationen wie Seas At Risk kritisierte die Entscheidung, die „aktiv zur weiteren Verschlechterung des Ökosystems und seiner Fischbestände“ beitrage und außerdem gegen das EU-Fischereirecht verstoße.

Die gezielte Heringsfischerei im Bottnischen Meerbusen und in der zentralen Ostsee werde auf einem „unverantwortlichen“ Niveau gehalten, das einen Zusammenbruchs des Ökosystems riskiere. Dabei habe die EU-Kommission vorgeschlagen, die gezielte Fischerei auf diese Art im Einklang mit dem Mehrjahresplan für die Ostsee zu schließen. Einer der Hauptgründe für den drastischen Rückgang des Ostseeherings sei die nicht nachhaltige Fischerei auf Hering und Sprotte, die für Fischmehl und Fischöl verwendet werden. Diese kleinen Fische seien eine lebenswichtige Nahrungsquelle für größere Fische wie Dorsch, Meeressäuger und Seevögel.

Die Organisationen nannten es „enttäuschend“, dass die Quoten für Sprotten ebenfalls höher angesetzt wurden als ökologisch verkraftbar sei. Insofern begrüßte das Bündnis, dass der Rat das Verbot der gezielten Befischung des östlichen und westlichen Ostseedorsches aufrechterhalten wolle und sich schließlich darauf geeinigt habe, den Freizeitfang von westlichem Ostseedorsch zu verbieten. Denn dieser mache nach wissenschaftlichen Angaben 68 Prozent der gesamten fischereilichen Sterblichkeit des Bestandes aus. Die Beifangquote für den westlichen Ostseedorsch sei aber höher als empfohlen und deshalb ungeeignet für eine wirksame Erholung der Bestände.

Auch die Deutsche Umwelthilfe kritisierte die Beschlüsse zu den Ostsee-Fangquoten als „unzureichend“ und „eine vertane Chance, die Ostseefischerei auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen“. Ein Umschwenken auf ein ökosystembasiertes Fischereimanagement und ein sofortiges Verbot von Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten sei erforderlich. Nach jahrelanger Überfischung brauche es weitreichende Maßnahmen, damit sich die zusammengebrochenen Dorsch- und Heringspopulationen erholen könnten, so die DUH.

Der BUND findet die Fangquoten „nicht vertretbar“, da aktuell fünf von zehn Fischpopulationen in der Ostsee zusammengebrochen seien. Außerdem müssten die Gesamtfangmengen auch Klima- und Biodiversitätskrise berücksichtigen. Die Fischpopulationen in der Ostsee bräuchten eine „echte Pause“, um eine Chance auf Erholung und Anpassung an die sich rapide ändernden Umweltbedingungen zu haben. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt nannte die Fangquoten für den zentralen und bottnischen Hering einen „Fehler“. Der Rat ignoriere damit den desaströsen Zustand der Populationen und EU-Gesetze. „Die gemeinsame Fischereipolitik und den Ostsee-Mehrjahresplan gibt es, damit in kritischen Fällen wie diesem Schutzmaßnahmen greifen und Fischpopulationen nicht weiter heruntergewirtschaftet werden“, so Brandt. Es sei „tragisch“, dass Fehler der Vergangenheit wiederholt würden.  [jg]

 

Rat „Landwirtschaft und Fischerei“, 23./24. Oktober 2023, Wichtigste Ergebnisse sowie Beschluss zur Ostsee

dpa-Europaticker: Fischereistaatssekretärin: EU-Beschluss Einschnitt für Freizeitangler

Seas At Risk et al.: EU ministers set quotas for Baltic herring that defy fisheries laws

DUH: Deutsche Umwelthilfe kritisiert Beschlüsse als unzureichend

BUND: Ostsee-Fangquoten ohne Fische – Schutz dringend erforderlich

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