Reduzierte Ostseefangquoten, Bestände weiter bedroht
Der Fischereirat hat am Montag zum dritten Mal in Folge geringere Fangquoten für die Ostsee beschlossen. Nichtregierungsorganisationen sehen darin zwar gute Nachrichten für überfischte Bestände wie Hering und Dorsch, fürchten aber, dass die Maßnahmen zu spät kommen und immer noch nicht ausreichend sind. Die EU-Kommission hat letzten Freitag außerdem Quoten für Mittelmeer und Schwarzes Meer vorgelegt.
Wegen des schlechten Zustands der Bestände umfasst die politische Einigung der EU-Fischereiminister*innen eine Senkung der Quoten für Hering im Bottnischen Meerbusen um 28 Prozent, für Hering im Golf von Riga um 4 Prozent und für die Sprottenbestände um 11 Prozent gekürzt. Die Population von Kabeljau beziehungsweise Dorsch ist in einem derart miserablen Zustand, dass es keine Quoten für den direkten Fang, sondern nur für den Beifang gibt; dies gilt auch für den Heringsfang in der westlichen Ostsee und für Lachs im Hauptbecken der Ostsee.
Erhöht wurden die Fangmöglichkeiten in der mittleren Ostsee für Hering um 32 Prozent und Scholle um 25 Prozent. Laut Medienberichten beeinflusst der Krieg Russlands auch die Verhandlungen über Fischereiquoten negativ. Gespräche mir Russland darüber seien fast vollständig zum Erliegen gekommen.
Nur teilweise gute Nachrichten für überfischte Bestände in der Ostsee
Ein Bündnis aus Meeresschutzorganisationen begrüßte die neuerliche Reduzierung der Quoten. Allerdings sei der Zustand der Fischbestände seit Jahren und bekanntermaßen so schlecht, dass die Maßnahmen wohl zu spät kommen. The Fisheries Secretariat, Seas at Risk, Our Fish, Oceana, Coalition Clean Baltic, WWF Baltic Ecoregion Programme und die Danish Society for Nature Conservation hatten empfohlen, in Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Gutachten gar keine Fänge für bestimmte Fischarten zuzulassen, auch nicht als „unbeabsichtigten“ Beifang. Zwar gebe es keine 100 Prozent beifangfreie Fischerei, allerdings hatten die Organisationen gehofft, dass die Entscheidungsträger die Zulassung von Beifängen wenigstens von einer angemessenen Aufzeichnung der Fänge mit Hilfe elektronischer Fernüberwachungstechniken abhängig machen würden.
Deutsche Umwelthilfe (DUH) nud die Kampagne Our Fish forderten zusätzliche Schutzmaßnahmen wie erweiterte Schließzeiten und Schongebiete, selektive Netze und eine bessere Kontrolle der Anlandeverpflichtung. Außerdem müsse es mehr Tempo bei der Umsetzung von ökosystembasierten Fischereimanagement geben.
Die Leiterin des BUND-Meeresschutzbüro Nadja Ziebarth nannte die angemessene Reduktionsentscheidung „nur ein Trostpflaster“, da zwar die Quoten einzelner Arten reduziert, andere dafür aber erhöht wurden. In der Natur hänge nun mal alles zusammen: Wenn mehr Sprotten gefischt werden dürfen, fehlten sie dem Dorsch als Nahrungsquelle. Es dürfe weiterhin selbst in ausgewiesenen Schutzgebieten gefischt werden und zerstörerische Fangmethoden wie die Grundschleppnetzfischerei blieben erlaubt. Hier lande der Dorsch oft als Beifang im Netz. „Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden!“, so Ziebarth.
Ausblick und weitere Beschlüsse des Fischereirats
Im November werden die Entscheidungen für die Nordseefangquoten getroffen. Darüber hinaus dürfte der jüngste Vorschlag der EU-Kommission für die Quoten im Mittelmeer und im Schwarzen Meer Thema sein. Im wesentlichen sollten hier die 2022 geltenden Quoten auch im nächsten Jahr beibehalten werden. Ebenfalls im November findet die Jahrestagung der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) statt. Der Fischereirat beschloss Leitlinien für die EU-Kommission, die für die EU an der ICCAT 2022 verhandelt. Unter anderem geht es um die Bewirtschaftung von Rotem Thun, Kontrollmaßnahmen, die Festsetzung der Fangmöglichkeiten für tropischen Thunfisch, Weißen Thun im Mittelmeer und Schwertfisch im Südatlantik. Der Rat wolle seine Arbeit auf technischer Ebene fortsetzen, um den EU-Standpunkt der EU noch vor der Tagung vom 14. bis 21. November festzuklopfen. [jg]
Agriculture and Fisheries Council, 17./18. Oktober 2022 Main results
Reaktion Seas At Risk: Some good news for overfished stocks in the Baltic Sea but could be too little too late
Reaktion DUH/Our Fish zur EU-Entscheidung zu Ostsee-Fangquoten
Reaktion BUND: Ostsee-Fangquoten 2023 sind nur ein Trostpflaster – Die ökologische Misere dauert an plus Newsletter
Jahreswirtschaftsbericht der EU-Fischereiflotte: Potenzielles Verlustejahr
Laut Jahreswirtschaftsbericht 2022 über die EU-Fischereiflotte könnte die EU-Fischerei aufgrund des starken Anstiegs der Energiekosten und der Inflation Schwierigkeiten haben, in diesem Jahr ihre Gewinne aufrechtzuerhalten. Allerdings berücksichtigt die Prognose nicht finanzielle Unterstützungsmaßnahmen durch die EU und nationale staatlichn Beihilfen. Die Ergebnisse dieses Berichts zeigten aber auch, dass die Ziele der nachhaltigen Fischerei und der Energiewende sich gegenseitig verstärken und notwendig sind, um die langfristige sozioökonomische Lebensfähigkeit des EU-Fischereisektors zu gewährleisten.