Schlechtes Zeugnis für GAP-Pläne, Deutschland will nachbessern
Neue Analysen belegen deutliche Schwächen der Pläne der EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023. Das deutsche Agrarministerium hat Nachbesserungen angekündigt und will Ziele des Green Deals besser verankern.
Bodenschutz und Grünlanderhalt: Unangemessene Verwendung der GAP-Gelder
Am 13. Juni hat das Europäische Umweltbüro (EEB) gemeinsam mit Birdlife Europe die Bewertungen von acht beziehungsweise elf Strategieplänen der Mitgliedstaaten mit Blick auf Bodengesundheit und Grünlanderhalt veröffentlicht. Laut der Analysen versäumen es die Staaten, die GAP-Mittel angemessen zum Schutz der Böden und zur nachhaltigen Nutzung wertvollen Grünlands einzusetzen. Die nationalen Strategiepläne stünden damit im Wiederspruch zu den Zielen der europäischen Biodiversitätsstrategie und der Farm to Fork-Strategie.
Die Organisationen kritisieren, dass Grünland vielfach ungeschützt bleibt oder aber zu intensive Nutzung gefördert wird. Auch fehle es an Mitteln, um nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden zu unterstützen oder Viehbestände in bestimmten Regionen abzubauen. Darüber hinaus könne die Verschlechterung des Bodenzustands und der Verlust organischer Substanz mit den geplanten Maßnahmen nicht aufgehalten werden. Laut der Berichte werden für den Bodenschutz relevante Grundvoraussetzungen in der GAP zu schwach umgesetzt. Die nun veröffentlichten Dokumente folgen auf zwei im April erschienene Analysen, die den EU-Mitgliedstaaten bereits mangelhafte Ambitionen zum Schutz der Artenvielfalt und von Mooren nachwiesen.
Thünen-Institut: Große Unterschiede in Mittelverwendung für Umweltmaßnahmen
Die Verwendung der GAP-Gelder in den eingereichten Strategieplänen untersuchte auch das Thünen-Institut in einer Studie. Darin wurde insbesondere betrachtet, wo die einzelnen EU-Mitgliedstaaten ihre Schwerpunkte bei der Mittelverwendung setzen. Trotz gemeinsamer Förderleitplanken zeige sich, dass es durchaus Unterschiede gebe: Etwa beim Anteil der Umschichtung von der ersten in die zweite Säule, der Höhe der einzelnen Prämien und dem Angebot gekoppelter Direktzahlungen. Auch inhaltlich, beispielsweise bei der Ausgestaltung der Öko-Regelungen, gebe es Kontraste zwischen den EU-Staaten. Insgesamt stellen die Autor*innen fest, dass zwar der Anteil von Zahlungen für die Umwelt steigt, die Direktzahlungen, sowie Förderung von Einkommen und Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors aber weiter dominieren.
Rechnungshof: Klimaschutzziele in der Agrarförderung verfehlt
Zu einem vernichtenden Urteil über die Verwendung der Agrargelder im Zeitraum von 2014 bis 2020 kam der Europäische Rechnungshof bereits Ende Mai. Darin wird der EU nachgewiesen, dass sie ihr selbst gestecktes Ziel, mindestens 20 Prozent ihrer Mittel für den Klimaschutz auszugeben, deutlich verfehlt. Der klimarelevante Anteil der EU-Ausgaben liege statt bei den gemeldeten 20 Prozent eher bei rund 13 Prozent. Dabei seien in keinem anderen Bereich so viele Gelder zu Unrecht für den Klimaschutz verbucht worden, wie bei der Agrarförderung. Der Betrag sei mit 60 Milliarden Euro viel zu hoch angesetzt und die Emissionen aus der Landwirtschaft trotzdem seit 2010 in der EU nicht zurückgegangen. Dementsprechend besorgt zeigten sich die Prüfer*innen des Europäischen Rechnungshof auch über die kommende Klimaberichterstattung für die Jahre 2021-2027.
Grünen-Studie: Ernährungssicherheit in Zeiten des Krieges
Welche Änderungen der europäischen Agrarförderung angesichts des Krieges in der Ukraine geeignet wären, beschreibt auch eine neue Studie im Auftrag der Grünen/EFA-Abgeordneten des EU-Parlaments Sarah Wiener und Martin Häusling. In der Studie analysieren die Agrarökonom*innen Sebastian Lakner, Wilhelm Klümper und Kristina Mensah die Wirkungen fehlender Exporte aus der Ukraine und benennen agrarpolitische Handlungsoptionen. Darunter: Die Stärkung des Multilateralismus und offener Märkte, der Fokus auf die Produktions- und Verwendungsseite, das Aussetzen der Beimischung von Biokraftstoffen, der Umbau der Tierhaltung und Anpassungen bei den Grundanforderungen der GAP. Im Hinblick auf das geringe Mengenpotential bei hohen zu erwartenden ökologischen Schäden, erscheint laut Studie das grundsätzliche Aussetzen der Regelung zu nicht-produktiven Ackerflächen (GLÖZ 8) als nicht sinnvoll.
Diskussion um Brachen und den deutschen GAP-Plan
Über diese Regelung war zuletzt intensiv diskutiert worden. Allerdings kündigte EU-Agrarkommissar Wojciechowski bei der Pressekonferenz des Agrarrates am 13. Juni an, dass er sich dafür einsetzen werde, die Standards zum Fruchtwechsel (GLÖZ 7) und nicht-produktiver Ackerflächen (GLÖZ 8) im Jahr 2023 noch nicht anzuwenden. Laut Wojciechowski plädierte während der Sitzung des Agrarrats eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür, Ausnahmen bei den Grundanforderungen zu ermöglichen. Auch der deutsche Landwirtschaftsminister Özdemir sprach sich bereits dafür aus, eine befristete Aussetzung des Fruchtwechsels möglich zu machen.
Indes reagierte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auch auf das Anmerkungsschreiben der EU-Kommission zum deutschen GAP-Strategieplan, den sogenannten „observation letter“. Der deutsche Antwortbrief an die Kommission wurde am 7. Juni nach Brüssel verschickt. Darin kündigt das Ministerium an, den Strategieplan nachzubessern. So wolle das Ministerium prüfen, wie die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und der EU-Biodiversitätsstrategie konkreter verankert werden können. Auch einzelne Fördermaßnahmen sollen nochmals überprüft werden. Das Landwirtschaftsministerium verweist dabei auf die Herausforderungen aufgrund des föderalen Systems in Deutschland. Als nächster Schritt ist daher für Anfang Juli ein Sondertreffen der Agrarministerkonferenz der Bundesländer angekündigt. Umweltverbände forderten, die Zeit bis dahin zu nutzen, um die nötigen Verbesserungen am deutschen Plan vorzunehmen. Das Ministerium strebt an, dass der GAP-Strategieplan von der EU-Kommission bis zum Herbst genehmigt wird. [bp]
EEB/BirdLife Europe - Analysen zu Grünland, Boden, Biodiversität und Mooren in GAP-Strategieplänen
Bericht des Thünen-Instituts: Wohin fließt das Geld?
Meldung zur Position des EU-Agrarkommissars Wojciechowski
Antwortschreiben des Landwirtschaftsministeriums auf observation letter