SOS für Europas Meere - Delfinbeifänge und Plastikmüll
Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz: Könnten Meere morsen, würden sie wohl SOS funken. "Die EU-Kommission muss Frankreich und Spanien daran hindern, Tausende Delfine zu töten", fordern Nichtregierungsorganisationen. Und das Mittelmeer könnte bald "Mare plasticum" heißen, wenn nichts gegen die jährlich rund 229.000 Tonnen Plastikmüll unternommen werde, die im Salzwasser landen, warnte die Weltnaturschutzunion IUCN.
Endlich wirksame Maßnahmen gegen qualvollen Delfintod gefordert
Die Meeres- und Umweltschutzorganisationen Seas At Risk, Whale and Dolphin Conservation, France Nature Environnement, International Fund for Animal Welfare, ClientEarth, WWF, Ecologistas en Acción und Sea Shepherd Frankreich haben die Europäische Kommission aufgefordert, wissenschaftlichen Gutachten zu folgen und zwischen 1. Dezember 2020 und 31. März 2021 bestimmte Fischereitätigkeiten im Golf von Biskaya zu verbieten. Ansonsten drohe tausenden Delfinen wie jeden Winter ein schreckliches Ende als Beifang oder der Erstickungstod. John Condon von ClientEarth sagte: "Frankreich und Spanien sind bereits Gegenstand von Klagen der Kommission wegen des Versäumnisses, Beifänge zu verhindern. Um zu verhindern, dass sich dieser Verstoß verschärft, muss die Kommission dringend handeln, um Delfine im Golf von Biskaya zu schützen." Auch der Internationale Meeresrat ICES hatte im Mai Sofortmaßnahmen zum Schutz der Meeressäuger gefordert (EU-News 27.05.2020). Im Juli 2019 hatten Umweltverbände offiziell Beschwerde gegen 15 Mitgliedstaaten eingereicht, da diese nicht genug unternommen haben, um unbeabsichtigte Beifänge zu beenden (EU-News 10.07.2019). Im Winter 2018/19 waren über 1.200 tote Delfine allein an der französischen Küste angeschwemmt worden, davon waren 80 Prozent nachweislich wegen kommerzieller Fischereimethoden verendet.
Das Mittelmeer wird zugemüllt
Umgerechnet 500 volle Schiffscontainer Plastikmüll pro Tag landen im Mittelmeer, das sind jährlich insgesamt schätzungsweise 229.000 Tonnen. Das hat die Weltnaturschutzunion IUCN errechnet und in einem Bericht mit dem Titel Mare plasticum veröffentlicht. Ermittelt wurden die Müllmengen aus 33 Mittelmeeranrainerstaaten. Ein Löwenanteil der großteiligen Abfälle - sogenannter Makrokunststoff -, nämlich 94 Prozent, gelangt wegen fehlenden Manangements überhaupt erst in die Fluten. Trauriger Spitzenreiter ist Ägypten (74.000 Tonnen/Jahr), gefolgt von Italien (34.000 t/a) und der Türkei (24.000 t/a), alles Staaten mit vielen Küstenbewohner*innen und lebhaftem Tourismus. Pro Kopf auf die Einwohnerzahl umgerechnet führen die Statistik jedoch Montenegro (8 kg/Jahr/Person), Albanien, Bosnien und Herzegowina und Nordmakedonien (jeweils schätzungsweise 3 kg/Jahr/Person) an.
Bei primärem Mikroplastik – also Kunststoffen, die schon in Form kleiner Partikel in die Ozeane gelangen, im Gegensatz zu größeren Plastikabfällen, die im Wasser abgebaut werden – wird die Menge, die jährlich ins Mittelmeer gelangt, auf 13.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Reifenstaub ist die größte Leckagequelle (53 Prozent), gefolgt von Textilien (33 Prozent), Mikroperlen in Kosmetika (12 Prozent) und Produktionspellets (2 Prozent). Da der Produktionszuwachs bei Kunststoffen auf 4 Prozent jährlich prognostiziert wird, könnte sich ohne Gegenmaßnahmen die Menge von ins Meer gelangendem Plastikmüll bis 2040 sogar noch verdoppeln, warnt die IUCN. Um das zu verhindern, müssten erhebliche Anstrengungen unternommen werden, die über die derzeitigen Verpflichtungen hinausgehen.
Europas Meere in beklagenswertem Zustand
Generell ist der Zustand der europäischen Meere kritisch. Im Juni (EU-News 27.06.2020) hatte die Europäische Umweltagentur (EEA) einen aufrüttelnden Bericht über die Meere Europas veröffentlicht, die den gesetzlich vorgeschriebenen guten Zustand in allen Meeresgewässern 2020 nicht erreichen würden. Die historische und gegenwärtige Nutzung unserer Meere - von der Ostsee bis zum Mittelmeer - fordere ihren Tribut und führe zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Meeresarten und -lebensräume bis hin zu Veränderungen in der allgemeinen physikalischen und chemischen Zusammensetzung der Meere, heißt es in dem Meeresbotschaften-Bericht ("Marine Messages II"). Zu diesen ohnehin schon komplexen Problemen komme der Klimawandel hinzu, der die Auswirkungen der anderen Bedrohungen noch verschärfe. Im Januar 2020 hatten über 100 Nichtregierungorganisationen mit ihrem "Blauen Manifest" einen Rettungsplan für die Meere gestartet (EU-News 28.01.2020). Und im März hatte ein breites Bündnis von Umwelt- und Meeresschutzorganisationen eine Meeresoffensive 2020 gefordert (EU-News 16.03.2020). [jg]
Engagiert gegen Müll im Meer
Zahlreiche Umwelt- und andere Verbände setzen sich gegen Verpackungsmüll, Abfallberge und die Verschmutzung der Meere ein. Hier einige Beispiele:
- BUND-Meeresmüllkampagne "Plastik - weniger ist Meer"
- Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen Plastik im Meer
- NABU-Seite "Müllkippe Meer - Gemeinsam anpacken gegen die Plastikflut im Meer"
- Verein Jordsand: Forschungsprojekt Basstölpel und Meeresmüll
- WWF-Projektseite Meeresschutz
- Aktionsseite der Küsten Union Deutschland (EUCC): www.meeresmuell.de
- Bundesverband Meeresmüll: www.bundesverband-meeresmuell.de
- Runder Tisch Müll im Meer: www.muell-im-meer.de
Munitionsaltlasten und Schweinswalschutz
BfN-Gutachten: Sprengungen können Schweinswale gefährden
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat nachgewiesen, dass durch im August 2019 erfolgte Sprengungen von Seeminen die im Gebiet vorkommenden Schweinswale potenziell verletzt wurden beziehungsweise zu Tode kamen, auch wenn sich die Todesursache laut Gutachten nicht eindeutig nachweisen ließ. Um die ohnehin gefährdeten Schweinswalpopulationen besser vor den Folgen von Sprengungen zu schützen, haben die Bundesministerien für Umwelt, Verteidigung und Verkehr (BMU-Pressemitteilung) eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesamtes für Naturschutz eingerichtet, in der auch die Küstenbundesländer vertreten sind. Die Arbeitsgruppe soll für einen besseren Schutz der Schweinswale einen gemeinsamen Leitfaden zu naturschutzrechtlichen und fachlichen Anforderungen bei der Beseitigung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee erarbeiten. Die Deutsche Marine wiederum wolle laut BfN in Zukunft neue technische Formen von Vergrämung einsetzen, um die Meeressäuger vor Sprengungen wirksam zu verscheuchen. Weitere Informationen