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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
News | 11.12.2023
# sozial-ökologische Transformation #Klima und Energie

Wo bleibt das Klimageld?

Steigende Heizkosten
© Pixabay/Geralt
Steigende Heizkosten

Das Urteil des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zum Klimaschutzgesetz vom 30. November stellt klar: Klimaschutz ist kein Nice-to-have. Klimaschutz ist gesetzliche Pflicht. Auf Zielverfehlungen in einzelnen Sektoren wie in den Bereichen Verkehr und Gebäude muss reagiert werden – sofort. Klimaschutz muss sich in konkreten und verbindlichen Maßnahmen äußern. Was wir brauchen, um die Klimakrise zu begrenzen, ist ein Policy-Mix aus gezielten Investitionen und Ordnungsrecht.

Dass sich die Finanzierungsstrategie der Bundesregierung hinsichtlich Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland als – milde ausgedrückt – unzureichend beschreiben lässt, hat unter anderem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 eindrücklich bewiesen. Politisches und konstruktives Handeln, das maßgeblich von Mut, Dialogbereitschaft und Gestaltungswille getrieben wird und gezielte Investitionen in die Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur anstrebt, sucht man vergebens. Sollten auf die Haushaltskrise – auf die fehlenden Milliarden – nun Einsparungen beim Klimaschutz erfolgen, sollte es weiterhin keinen Plan, keine ambitionierte Finanzierungsstrategie geben, drohen wir auf breiter Front zu scheitern, wenn es um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen geht.

Begrenzung der Staatsschulden bringt die Zukunft ins Stocken

Die Schuldenbremse muss 2024 ausgesetzt und eine grundsätzliche Reform dieses Instruments angestrebt werden. Die Schuldenbremse kann in ihrer derzeitigen Form keine Antwort auf die strukturellen und tiefgreifenden Herausforderungen und Fragen geben, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Grundlegende und seit Jahren bestehende Fehlanreize müssen aufgehoben, das Steuersystem kritisch hinterfragt werden. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer oder eine Erhöhung der Erbschaftssteuer sind dringend zu prüfen. Die Frage der nachhaltigen Finanzierung ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern der Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland: Nur wenn wir eine klare Perspektive bieten und den Umstieg durch Unterstützungen erleichtern, können wir eine umwelt- und klimafreundliche, wettbewerbsfähige Wirtschaft erreichen – ohne soziale Schieflagen zu riskieren. Nur so können wir Resilienz schaffen und gleichzeitig den Zusammenhalt unserer demokratischen Gesellschaft stärken. Einen Investitionsstopp können wir uns nicht leisten, ein weiterer Investitionsstau ist verantwortungslos. Unternehmen brauchen Investitionssicherheit.

Birthe März
Wir benötigen Investitionen in die Energie- und Mobilitätswende, die energetische Sanierung des Gebäudebestands, in den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen.
Birthe März, DNR
Referentin für Klimaschutz und Transformationspolitik

In der aktuellen Situation ist Trägheit fahrlässig, ebenso wie Ignoranz. 65 Milliarden Euro klimaschädliche Subventionen sind fahrlässig, die deutsche Förderpolitik muss neu gedacht werden. Unterlassener Klimaschutz ist fahrlässig – und wird mittel- und langfristig deutlich teurer, als jetzt geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Wir benötigen Investitionen in die Energie- und Mobilitätswende, die energetische Sanierung des Gebäudebestands, in den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen.

Die Idee des Klimagelds: Alle bekommen den gleichen Betrag als Ausgleich für steigende Preise

Fakt ist: Um die Klimakrise zu bekämpfen, muss es Investitionen geben. Fakt ist aber auch: Klimaschutz muss sozial verträglich sein. Das Klimageld (auch Klimaprämie genannt) – finanziert aus den Einnahmen des CO2-Preises, der ein ebenso wichtiges Instrument in der Klaviatur der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen darstellt – spielt hier eine zentrale Rolle. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien das Klimageld aufgenommen: eine Auszahlung des Staates an Bürger*innen als Ausgleich für steigende CO2-Preise. Die Einführung des Klimageldes darf im Zuge der Debatten um den Haushalt und den Klima- und Transformationsfonds (KTF) keinesfalls verzögert werden, für die soziale Akzeptanz ist die geplante Einführung unerlässlich. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen. Kürzungen im sozialen Bereich gefährden den sozialen Zusammenhalt, den sozialen Frieden. Die Politik ist jetzt gefragt, Prioritäten zu setzen. Mutig und ambitioniert.

Klimagerechter Umbau wird nur gelingen, wenn er gesellschaftlich gerecht geschieht

Zudem ist die Einführung des Klimageldes die Voraussetzung für eine sozial gerechte und ambitionierte Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung – die wir ebenso dringend benötigen wie einen tiefgreifenden Investitions-Boost. Damit es tatsächlich sozial gerecht vergeben wird, ist eine sozial gestaffelte Pro-Kopf-Auszahlung geboten. Ohne ein angemessenes Klimageld riskieren wir die gesellschaftliche Akzeptanz sowohl für den CO2-Preis als auch für Klimapolitik im Allgemeinen. Solch wichtige Maßnahmen dürfen nicht aufgrund von politischen Befindlichkeiten und Ideologien scheitern.

Ideen, wie eine pragmatische Klimageld-Auszahlung bereits zeitnah erfolgen kann, liegen bereits auf dem Tisch. Ebenso auf dem Tisch liegen Ideen, wie finanzielle Mittel neu verteilt werden können, damit Maßnahmen für den Klimaschutz auch weiterhin vorangetrieben werden können und gleichzeitig für den sozialen Ausgleich gesorgt wird. Die Politik muss dies erkennen, Mittel zielgerichteter einsetzen und endlich für eine angemessene und robuste Haushaltsaufstellung sorgen. Jetzt!

Das Umweltinstitut München fordert in einer gemeinsamen Aktion mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen die Verantwortlichen in der Regierung auf, endlich das Klimageld einzuführen. Unterschreiben auch Sie!

Die Autorin

Die Politikwissenschaftlerin Birthe März ist seit 2020 Referentin für Klimaschutz und Transformationspolitik beim DNR.

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