Titandioxid-Einstufung: Industrielobbying hat funktioniert
Nach monatelangen Diskussionen hat die EU-Kommission Anfang Oktober eine Entscheidung zur Einstufung der Substanz Titandioxid gefällt. Umwelt- und Gesundheitsverbände warnen vor den Folgen.
Hersteller müssen Produkte mit Titandioxid demnach nur als möglicherweise krebserregend kennzeichnen, wenn Titandioxid in Pulverform darin vorkommt. Für alle anderen Formen und Gemische schlägt die EU-Kommission Hinweise vor, die Verbraucher*innen über Vorsichtsmaßnahmen informieren sollen. Mit der Entscheidung gab die EU massivem Druck der Industrieverbände nach, die sich dagegen aussprachen, alle Titandioxid-Formen als möglicherweise krebserregend zu kennzeichnen. Die Substanz kommt in vielen Alltagsprodukten wie Farben, Lacken, Kunststoffen, Kosmetik, Lebensmitteln oder Medikamenten vor. Nachdem ein Ausschuss der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Titandioxid als Karzinogen der Stufe 2, also möglicherweise krebserregend, eingestuft hatte, entbrannte ein Streit darüber, für welche Formen des Stoffes entsprechende Warnhinweise festgelegt werden.
Umwelt- und Gesundheitsverbände hatten im Vorfeld der Entscheidung darauf gedrängt, den wissenschaftlichen Empfehlungen des Ausschusses zu folgen und alle Formen zu kennzeichnen. Eine uneindeutige Kennzeichnung ohne die klare Bezeichnung "möglicherweise krebserregend" auf allen Produkten, die Titandioxid enthalten, sei zum Schutz der Verbraucher*innen nicht ausreichend. Die nun verabschiedete Klassifizierung könne zudem einen „gefährlichen Präzedenzfall“ schaffen, indem sie von Bewertungsverfahren abweiche, die „strikt an rechtlichen und wissenschaftlichen Standards ausgerichtet sind“ (siehe EU-Umweltnews vom 14.2.).
Das EU-Parlament und der Ministerrat können den neuen Kennzeichnungsvorschriften in den nächsten zwei Monaten noch widersprechen. Falls sie das nicht tun, treten sie 18 Monate später in Kraft. [km]
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Brief von 28 Verbänden im Vorfeld der Entscheidung
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