Klima: Nationalstaaten als Bremser, Hitzebilanz 2020 und Ausblick
In seiner ersten Rede im neuen Jahr vor den Vereinten Nationen appellierte UN-Generalsekretär António Guterres an die Regierungen, neben der Bekämpfung der Coronapandemie auch den Klimaschutz zur Priorität zu machen und dafür global zusammenzuarbeiten. Wie sehr Klimawandel und globale Gesundheitsfragen zusammenhängen, hat nicht nur der jährliche Bericht Lancet Countdown 2020 gezeigt. Die Zahl der Todesfälle über 65-jähriger durch Hitze ist demnach in den letzten Jahren weltweit um 53 Prozent gestiegen. Zudem könnten durch vermehrte Waldbrände schädliche Bakterien und Pilze als Bioaerosole in den Rauch gelangen, die sich dann weit verbreiten könnten, heißt es in einem Artikel im Wissenschaftsmagazin Science.
Über die Hälfte der Staaten legen keine erhöhten Klimaschutz-Pläne vor
Nach Angaben von UNRIC, dem Informationszentrum der Vereinten Nationen, haben bis Ende des vergangenen Jahres mehr als die Hälfte der Staaten keine Verpflichtung zu mehr Klimaschutz abgegeben. Das gehe aus einer Zwischenbilanz der UN zu den Wirkungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 hervor. Mittels national festgelegter Beiträge (nationally determined contributions - NDCs) sollen die Treibhausgasemissionen schrittweise verringert werden, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Denn die bisher vorgelegten Ziele reichen bei weitem nicht. Nur 70 von fast 200 Vertragsstaaten hätten bis zum Jahreswechsel aktualisierte Verpflichtungen vorgelegt. Nach Einschätzung der UN müssten die Treibhausgasemissionen jedes Jahr bis 2030 um 7,6 Prozent sinken, um möglicherweise das Ziel von 1,5 Grad einzuhalten. Schon jetzt sei aber eine durchschnittliche globale Erderwärmung von 1,2 Grad festgestellt worden. UN-Generalsekretär António Guterres habe zum Jahreswechsel dazu aufgerufen, bis zur Mitte des Jahrhunderts eine weltweite Koalition für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf einen Wert von netto Null zu erreichen.
Der Informationsdienst EurActiv berichtete mit Bezug auf die wissenschaftliche Insider-Gruppe Climate Action Tracker, dass lediglich 49 Staaten neue NDCs vorlegten, die für rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Darunter hätten sich auch alle Mitglieder der Europäischen Union befunden. Bei den 49 NDCs handele es sich allerdings nicht zwangsläufig um Verbesserungen. Climate Action Tracker verwies darauf, dass die Erklärungen aus Brasilien, Japan, Russland, Neuseeland, Vietnam und der Schweiz nicht auf erhöhte Verpflichtungen hinausliefen.
Hitzerekordjahr 2020 - Covid-19 hat zur Reduktion von etwa 7 Prozent CO2 geführt
Der Copernicus Dienst zur Überwachung des Klimawandels (Copernicus Climate Change Service - C3S) der EU-Kommission hat berechnet, dass 2020 global gesehen mit dem bisher wärmsten Jahr 2016 gleichauf lag. In Europa war es sogar das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Um 0,4 Grad Celsius war es wärmer als 2019, das zuvor das wärmste Jahr war. Insgesamt war 2020 das sechste in einer Reihe von außergewöhnlich warmen Jahren, die 2015 begann, und das wärmste aufgezeichnete Jahrzehnt von 2011 bis 2020.
Zusammen mit dem Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS) berichtet C3S auch, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiterhin mit einer Rate von etwa 2,3 parts per million (abgekürzt ppm, in etwa "Anteile pro Million") pro Jahr gestiegen ist und im Mai 2020 ein Maximum von 413 ppm erreicht hat. In Europa, das von einer außergewöhnlichen Hitzewelle geprägt gewesen sei, sei 2020 das bisher mit Abstand wärmste Jahr gewesen. Es lag 0,4 Grad über 2019 und 1,6 Grad über der Referenzperiode von 1981 bis 2010, das heißt mehr als 2,2 Grad über dem vorindustriellen Zeitraum, so der C3S-Bericht.
Vincent-Henri Peuch, Direktor des CAMS, kommentierte: "Obwohl die Kohlendioxid-Konzentrationen im Jahr 2020 etwas weniger gestiegen sind als im Jahr 2019, ist dies kein Grund zur Zufriedenheit. Solange die globalen Netto-Emissionen nicht auf null sinken, wird sich das CO2 weiterhin in der Atmosphäre anreichern und den Klimawandel weiter vorantreiben."
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie habe es nach Schätzungen des Global Carbon Projects eine Reduktion der fossilen CO2-Emissionen um etwa 7 Prozent gegeben.
Klimawahljahr 2021?
Wetterprognosen sind schwierig. Allerdings verweist der Informationsdienst Euractiv auf die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), die prognostizierte, dass 2021 im Schnitt etwas kühler werden könnte als 2020. Das liege laut WMO am Kaltwetterphänomen La Niña, das im Pazifikraum für kühlere Wassertemperaturen sorgt.
Allerdings wird dieses Jahr in Deutschlad ein neuer Bundestag gewählt. "Die Klimakrise wird aller Voraussicht nach ein entscheidendes Wahlkampfthema werden; bei nahezu allen Parteien", schreibt Euractiv. Doch wer auch immer die Wahl gewinnt, dürfte im November als Teil der deutschen Delegation zur von 2020 auf 2021 verschobenen UN-Klimakonferenz (COP 26) nach Glasgow reisen. [jg]
Hintergrund zum Lancet Countdown: https://klimagesund.de/
UNRIC-Pressemitteilung: Über die Hälfte der Staaten legen keine erhöhten Klimaschutz-Pläne vor
Euractiv: UNO: Mehr als die Hälfte der Staaten legen keine erhöhten Klimaschutz-Pläne vor
C3S: Europa 2020: wärmstes Jahr der Aufzeichnungen
Copernicus Dienst zur Überwachung des Klimawandels (C3S): https://climate.copernicus.eu/