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Damit das Wasser nicht den Bach runter geht…
EU-News | 15.12.2020
#Wasser und Meere

Damit das Wasser nicht den Bach runter geht…

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c. pixabay

EEB-Skandalbericht: Die Kohleindustrie zahlt ihre Wasserrechnung nicht, Mitgliedstaaten verstoßen damit gegen die Wasserrahmenrichtlinie. Nichtregierungsorganisationen protestieren gegen Wasserkraftwerke, die mehr schaden als nutzen. Das Parlament beschließt die neue Trinkwasserrichtlinie.

Die Kohleindustrie in Deutschland, Tschechien und Polen ist weitgehend von Wasserentnahmeentgelten befreit – das zeigt eine Studie des Europäischen Umweltbüros (EEB). Unter Missachtung des Verursacherprinzips werde hier versteckt subventioniert, kritisierte der europäische Umweltdachverband. Laut Bericht versäumen es die Regierungen der Länder, jährliche Gebühren im Gesamtwert von schätzungsweise 54,2 Millionen Euro zu erheben, wie in der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gefordert. Dabei verpflichtete die WRRL die EU-Regierungen schon bis 2010 eine Wasserpreispolitik einzuführen, die einen "angemessenen Beitrag" sowohl von Einzelpersonen als auch von Unternehmen gewährleistet, um Wasser zu sparen und die Verschmutzung der Gewässer zu reduzieren. Privatpersonen zahlten in Deutschland durchschnittlich 5,50 Euro pro Kubikmeter Wasser. Für Kohleunternehmen seien diese Gebühren jedoch entweder außergewöhnlich niedrig oder fehlten nach Angaben des EEB ganz. Und das, obwohl andere Industriezweige zahlen müssten und die neun Braunkohlegruben eine Milliarde Kubikmeter Wasser pro Jahr förderten, fast fünfmal mehr als die Einwohner*innen Berlins verbrauchten. Die deutsche, die polnische und die tschechische Regierung hätten ein Jahrzehnt weggeschaut und das sei ein Skandal. „Warum sollte die Kohleindustrie einen Freifahrtschein von den Wassergebühren bekommen, wenn Kohlekraftwerke in Deutschland, Polen und Tschechien allein im Jahr 2017 rund 9,5 Tonnen des Nervengiftes Quecksilber emittiert haben, die letztlich in den Gewässern landen“, so das EEB. Das Umweltnetzwerk Grüne Liga weist seit über einem Jahrzehnt auf das Problem der Wassernutzung durch Kohleunternehmen hin. 

"Es besteht ein dringender Bedarf an mehr Transparenz über die Menge an Grund- und Oberflächenwasser, die durch Kohle und andere Industrien entnommen wird. Die Wasserwirtschaftsbehörden kennen das Ausmaß der Auswirkungen des Kohlebergbaus, dennoch machen sie ihre Hausaufgaben nicht, um Daten zusammenzustellen und die Verursacher zur Kasse zu bitten. Ökonomische Instrumente, wie Wassergebühren und -steuern, sollten in ganz Europa angewandt werden und die notwendigen Mittel bereitstellen, um die ökologische Gesundheit von Flüssen, Seen und Grundwasser zu verbessern."
Grüne Liga-Wasserexperte Michael Bender

Nicht nur die Emissionen aus der Industrie sind eine Gefährdung der Gewässer. Auch Wasserkraft – besonders kleine Kraftwerke unter 10 Megawatt Kapazität – richten mehr Zerstörung im Ökosystem Fluss an, als dass sie der Energieerzeugung nützen. Das kritisieren Nichtregierungsorganisationen seit langem. Doch noch fehlt ein rigoroses Verbot bei den Diskussionen um die Wasserrahmenrichtlinie.

Die Stiftung Euronatur wies zumindest auf einen europäischen Vorreiter hin: Ab dem 1. Januar 2021 werden nämlich die garantierten Subventionen für Kleinwasserkraftwerke in der Föderation von Bosnien und Herzegowina nicht verlängert. Die bosnisch-herzegowinische Regierung will die dafür vorgesehenen Mittel als Anreize für erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind umschichten. Diese neuen Statuten könnten dazu beitragen, den Bau von mindestens 162 Kleinwasserkraftprojekten an 79 Flüssen zu verhindern, so Euronatur.

Laut Biodiversitätsstrategie 2030, die die EU-Kommission im Mai vorgeschlagen hat, sollen bis 2030 rund 25.000 Flusskilometer renaturiert werden. Abgesehen davon, dass es in der EU etwa 400.000 Flusskilometer gibt, ist bisher noch unklar, was dieses Ziel für die Nutzung von Wasserkraft in kleinem Maßstab bedeutet, für Wasserkraftwerke in großem Stil ganz zu schweigen. Studien belegen unter anderem Schädigungen von wandernden Fischarten (Beispiel 1, Beispiel 2). Zudem nimmt auch die Biodiversität der Wasserlebewesen und –insekten seit Jahren ab; diese sind jedoch Nahrungsgrundlage für Fische, Wasservögel und andere Süßwasserorganismen.

Die EU-Abgeordneten haben in ihrem Dezemberplenum derweil für die neue EU-Trinkwasserrichtlinie entschieden, wie kurz zuvor der Umweltausschuss des EU-Parlaments (EU-News 02.12.2020). Die Nutzung von Leitungswasser und ein geringerer Verbrauch von abgefülltem Wasser könnte den EU-Haushalten über 600 Millionen Euro pro Jahr ersparen, berechnete das EU-Parlament. Darüber hinaus könne somit viel Plastikmüll eingespart werden. Außerdem würden in der Trinkwasserrichtlinie zum ersten Mal zumindest Teile der Forderung einer europäischen Bürgerinitiative – "Right2Water", ein Recht auf sauberes Wasser – in ein Gesetz gegossen. Nicht zuletzt werde der Schwellenwert für bestimmte Schadstoffe wie Blei oder bestimmte Umwelthormone verschärft. Bis Anfang 2022 werde die EU-Kommission eine Liste von Stoffen und Verbindungen erstellen und überwachen, die für die Gesundheit bedenklich sind. Dazu gehörten Pharmazeutika, endokrin wirkende Verbindungen und Mikroplastik. Die Kommission wird auch europäische Listen erstellen, die angeben, welche Stoffe mit Trinkwasser in Kontakt kommen dürfen, beispielsweise in Wasserrohren. Die Richtlinie wird 12 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten. Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten müssen die Mitgliedstaaten die notwendigen Änderungen vornehmen, um die Richtlinie zu erfüllen. [jg]

EEB-Pressemitteilung: Coal firms get €50+ million ‘free pass’ on water bills – investigation  und der Bericht „Mind the Gap: Mapping hidden subsidies for the coal and lignite industry“

Euronatur: Kleinwasserkraftwerke auf dem Balkan bald passé?

EU-Parlament: Parliament adopts deal to improve quality of tap water and reduce plastic litter

Deals über Wasser an der Wallstreet

Zum ersten Mal werden Wasserrechte an der Börse gehandelt, berichtet Euronews. Knapp werdende Güter scheinen lukrativ. Und da die UN errechnet hat, dass bis 2050 rund fünf Milliarden Menschen unter Wasserknappheit leiden könnten, war es nur eine Frage der Zeit, bis Verträge über Wassernutzungsrechte börsenfähig werden. Weiterlesen

Diese Meldung rief inzwischen auch den UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung Pedro Arrojo-Agudo auf den Plan. Wasser sei die "blaue Seele des Lebens", als Ressource überlebenswichtig und kein Spekulationsobjekt. Der Sonderberichterstatter rief dazu auf, eine globale Debatte über die Werte des Wassers anzustoßen. Der nächste UN-Weltwassertag am 22. März 2021 soll voraussichtlich unter dem Slogan #water2me stehen. Weiterlesen

_rivers4recovery

Global Call to protect rivers

#Rivers4Recovery

Einen weltweiten Aufruf zum Schutz der Flüsse hat ein großes Bündnis von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen gestartet. Wie wichtig der Schutz von Flüssen für eine gerechte und grüne Erholung von der COVID-19-Pandemie sei, müsse anerkannt werden. Flüsse seien ein entscheidender Teil des Ökosysteme und wirkten als wirtschaftliches Sicherheitsnetz für die Armen und Schutzbedürftigen in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Umwelt- und Wasserverschmutzung müssten verhindert werden und zwar nicht nur, um Wasserquellen zu sichern, sondern auch, um zu verhindern, dass Länder, die durch COVID-19 in den Bankrott getrieben wurden, katastrophale neue Schulden aufnehmen, um einen gerechten Energiewandel zu beschleunigen und um der Klimakrise wirksam zu begegnen. #Rivers4Recovery fordert:

  • ein Moratorium für neue Wasserkraftwerke
  • höhere Investitionen in erneuerbare Energien und Speicherung außerhalb der Wasserkraft
  • verbesserte Effizienz bestehender Wasserkraft anstelle von Neubauten
  • neue, dezentrale Energielösungen
  • den Schutz von Schutzgebieten, frei fließenden Flüssen und indigener Gebiete

#Rivers4Recovery

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Pläne der Rechnungsprüfer für 2025

Der Europäische Rechnungshof (ECA) hat in seinem Arbeitsprogramm 69 Prüfberichte vorgesehen, um die EU-Politikmaßnahmen unter die Lupe zu nehmen. Im Umweltbereich sind 2025 und 2026 insgesamt 17 Sonderberichte geplant. Nächstes Jahr sollen außerdem EU-Mittel zur Unterstützung von Nichtregierungsorga...