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Alle Moore nass: Entwässerung beenden
News | 06.07.2022
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie

Alle Moore nass: Entwässerung beenden

Protestaktion des MoorBündnis im Göldenitzer Moor bei Rostock
© MoorBündnis
Protestaktion des MoorBündnis im Göldenitzer Moor bei Rostock. In Mecklenburg-Vorpommerns größtem Hochmoor wird noch immer Torf abgebaut.

Zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels müssen alle Moore in Deutschland wiedervernässt werden. Dafür braucht es mehr Tempo und wirksame Gesetze. Ohne den Druck der Klimabewegung sind Fortschritte kaum zu erwarten.

Übersieht die Klimabewegung die Bedeutung der Moore? Jedes Jahr machen sich Tausende auf den Weg in die Kohlereviere und blockieren den schädlichen Abbau fossiler Energieträger. Mutige Aktivist*innen besetzen Wälder, um sie vor der Abholzung zu bewahren und den Bau weiterer Autobahnen zu verhindern. Und durch die Streiks der Fridays for Future-Bewegung ist die Forderung nach globaler Klimagerechtigkeit so prominent wie nie zuvor. Ein lautstarker Protest für den Ausstieg aus der Entwässerung von Mooren ist in Deutschland bislang aber ausgeblieben. Dabei gibt es sehr gute Gründe gegen die andauernde Zerstörung dieser wertvollen Ökosysteme zu kämpfen.

Entwässerte Moore sind enorme Treibhausgas-Quellen. Während nasse, intakte Moore gigantische Mengen Kohlenstoff speichern, verursachen trockengelegte Moorböden jährlich sieben Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands. Da trockene Moore auf einem relativ geringen Teil der Landfläche verhältnismäßig große Mengen an CO2 freisetzen, gelten sie als „Emissions-Hotspots“. Wie auch die Kohleregionen sind die Moorregionen ungleich in Deutschland verteilt. So ist der Anteil der Moorflächen und Mooremissionen in den norddeutschen Bundesländern deutlich größer: Niedersachsen ist hier Spitzenreiter. In Mecklenburg-Vorpommern sind entwässerte Moore mit einem Drittel der Gesamtemissionen sogar die größte Einzelquelle für den Ausstoß von Treibhausgasen – noch vor Industrie und Verkehr. Das Problem ist: Weder in den Bundesländern noch auf Bundesebene werden bisher wirksame Maßnahmen umgesetzt, um Mooremissionen substanziell zu reduzieren.

Mehr als ein Drittel Agraremissionen entfielen, würden Entwässerungsgräben geschlossen

Dabei hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) im Juni nochmals klargestellt, wie viel CO2 Deutschland maximal noch ausstoßen darf, um die Klimaziele von Paris zu erreichen – und das ist nicht mehr viel! Das noch verfügbare faire CO2-Budget Deutschlands zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze liegt bei 3,1 Gigatonnen CO2. Selbst bei einer strikten Emissionsreduktion ab 2022 wäre das verbleibende Budget bis zum Jahr 2031 aufgebraucht. Es bleibt also nur sehr wenig Zeit, um das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten. Dafür müssen alle Sektoren liefern, auch der Landnutzungssektor, zu dem die Mooremissionen zählen (land use, land use change, forestry; LULUCF). Um unserer globalen Verantwortung für die Emissionsreduktion gerecht zu werden und das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, ist die weitgehende Wiedervernässung aller Moore erforderlich. Auch in der Landnutzungspolitik sollte verstärkt von den klimapolitischen Erfordernissen her gehandelt werden: Ein Entwässerungsausstieg ist dringend notwendig. Die Entwässerungsgräben müssen geschlossen und der Wasserstand in den Flächen angehoben werden. Damit ließen sich auf nur sieben Prozent der Landwirtschaftsfläche 37 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen einsparen. Bei einer entwässerten Moorfläche von etwa 1.700.000 Hektar müssten jährlich mindestens 180.000 Hektar Moorböden vernässt werden, um die Flächen bis 2031 zu restaurieren. Das ist eine Mammutaufgabe, die von der Politik angepackt werden muss, anstatt sie weiter zu verschleppen.

Gesetzlicher Rahmen dringend benötigt

Denn bislang getroffene Regelungen sind völlig unzureichend. Die einzig konkrete Zielvorgabe zur Emissionsminderung der Moore findet sich in einer Bund-Länder-Vereinbarung. Sie sieht aber lediglich ein Reduktionsziel von 5 Millionen Tonnen CO2-Äquvialente bis 2030 vor. Bei jährlichen Mooremissionen von 53 Millionen Tonnen ist dieses Ziel extrem schwach. Eine nationale Moorschutzstrategie der Bundesregierung ist angekündigt, steht aber weiterhin aus. Zaghafte Fortschritte sind auf europäischer Ebene durch das kürzlich vorgestellte EU-Restoration Law und die LULUCF-Verordnung zu erwarten. Auch das von Deutschland angekündigte Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz weist zumindest in Richtung Moorschutz. Bei der aktuellen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023 zeichnet sich hingegen ab, dass entwässerungsbasierte Landwirtschaft weiterhin gefördert wird und die Grundanforderungen an die Betriebe keine Trendwende bringen.

Björn Pasemann
Die Wiedervernässung der Moore ist, ebenso wie der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, eine Frage globaler Klimagerechtigkeit.
Björn Pasemann, DNR
Projektreferent für Naturschutz und Agrarpolitik

Verantwortung und Kosten der Wiedervernässung sollten nicht auf einzelne Landwirt*innen abgewälzt werden. Analog zum Kohleausstieg muss der Entwässerungsausstieg politisch organisiert, finanziell untermauert und sozial abgefedert werden – er ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Lösungsstrategien, die den Fokus auf freiwillige Maßnahmen, CO2-Kompensation mittels Kohlenstoffzertifikaten oder Informationskampagnen für torffreie Blumenerde legen, werden den Herausforderungen nicht gerecht. Stattdessen bedarf es der gesetzlichen Verankerung des Entwässerungsausstiegs und ein Paket wirksamer und verbindlicher Regelungen; inklusive regulativer, ökonomischer und kooperativer Instrumente. Um bei der Analogie zu bleiben: Das Kohleausstiegsgesetz regelt den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Wann kommt ein Gesetz zur Regelung des Entwässerungsausstiegs? Der Kohleausstieg wurde teuer erkauft. Was lassen wir uns den Entwässerungsausstieg kosten? Fakt ist: Moore können unsere natürlichen Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise sein. Aber wie bei allen naturbasierten Lösungen darf der Blick auf das CO2 nicht verstellen, dass es sich um komplexe Ökosysteme handelt, die viele Funktionen erfüllen und zugleich wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von Arten sind.

Den Kohleausstieg haben Klimaaktivist*innen und Umweltverbänden hart erkämpft. Damit endlich mehr Tempo bei der Restaurierung der Moore gemacht wird, braucht es den politischen Druck der Zivilgesellschaft. Denn die Wiedervernässung der Moore ist, ebenso wie der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, eine Frage globaler Klimagerechtigkeit. Obwohl eine breite Mobilisierung für den Entwässerungsausstieg bislang ausblieb, stellten sich unlängst Initiativen gegen die weitere Zerstörung von Mooren: das A-20-Camp „Moor bleibt Moor“, die symbolische Besetzung eines Torfabbaugebiets bei Rostock durch das MoorBündnis und Fridays for Future-Gruppen in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein guter Anfang. So wie der Entwässerungsausstieg mit den Dimensionen des Kohleausstiegs vergleichbar ist, brauchen wir zukünftig Moor-Proteste, die eine ähnliche Kraft wie die Anti-Kohle-Bewegung entfalten. Auf geht’s, ab geht’s: Alle Moore nass.

Der Autor

Björn Pasemann ist Projektreferent für Naturschutz und Agrarpolitik beim Deutschen Naturschutzring. Seine Masterarbeit hat er über die Kommodifizierung von Ökosystemleistungen am Beispiel der MoorFutures geschrieben. In seiner Freizeit engagiert er sich beim MoorBündnis.

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(c) Christian Lue
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