Biodiversitätsziele: Bericht über weltweites Totalversagen
Kein einziges der vereinbarten Schutzziele für biologische Vielfalt wurde erreicht - das bescheinigt der am Dienstag veröffentlichte fünfte Global Biodiversity Outlook (GBO5) der Weltgemeinschaft. "Humanity at Crossroads" lautet der Titel, also Menschheit - oder Menschlichkeit - am Scheideweg.
Vor zehn Jahren hatte sich die Staatengemeinschaft im Rahmen des Übereinkommens über biologische Vielfalt (CBD) auf zwanzig Ziele verständigt, um den dramatischen Artenrückgang und Verlust der Vielfalt von Ökosystemen zu stoppen. Die Vertragsstaatenkonferenz fand 2010 im japanischen Aichi statt, weshalb diese kurz Aichi-Ziele genannt werden. Auf 212 Seiten hat das CBD-Sekretariat nun wenig erfreuliche Fakten zusammengetragen, auch wenn es hier und da - wie bei der Ausweisung von Schutzgebieten - Fortschritte gibt. Nur sechs der 20 Aichi-Ziele seien teilweise erreicht worden. Und immerhin wäre der Verlust von Arten ohne jegliche Ziele und Maßnahmen noch weitaus größer ausgefallen. Der GBO5 enthält außerdem Szenarien und Lösungswege bis 2050, die für den neuen strategischen Rahmen, der eigentlich 2020, wegen Corona aber 2021 vereinbart werden soll, nützlich sein können.
Eine "bittere Bilanz", konstatiert der WWF. Doch es gebe die Chance für eine Trendwende, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen. Der Global Biodiversity Outlook benennt acht zentrale Handlungsfelder. Jetzt ist es an den einzelnen Staaten, dort endlich anzupacken. Aus EU-Sicht sei es dringend notwendig, den Systemwechsel in der Ernährungs- und Agrarpolitik zügig einzuläuten. Neben der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union müsse auch die Umsetzung des European Green Deal in verbindliche Politik in den Mitgliedstaaten im Sinne des Biodiversitätsschutzes gestaltet werden, so der WWF.
Der NABU hat eine deutschsprachige Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlicht. "Das Abkommen krankt an seiner Unverbindlichkeit, so ist es leider nicht verwunderlich, dass die Ziele verfehlt wurden", kommentierte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger den Bericht. Ein großes Problem sei auch der falsche Einsatz von Subventionen: "Naturschädliche Subventionen sind im vergangenen Jahrzehnt kaum reduziert worden, obwohl sich die Regierungen dazu 2010 verpflichtet hatten. Gleichzeitig fehlt es an finanziellen Anreizen für naturverträgliches Wirtschaften. Die aktuelle EU-Agrarpolitik ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man mit viel Geld großen Schaden anrichten kann." Zudem fehlten vielen Schutzgebieten die Mittel für effektive Betreuung und Pflege. Der NABU fordert die EU-Organe auf, zukünftig zehn Prozent aller EU-Gelder für den Erhalt der biologischen Vielfalt bereitzustellen.
Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt sagte: "Die Zerstörung der biologischen Vielfalt bedroht die Menschheit mindestens genauso sehr wie die Klimakrise. Wir Menschen sind abhängig von unzähligen Lebewesen, Pflanzen und ihren unersetzlichen Lebensräumen – sie sind die Grundlage unseres Lebens." Der anhaltende Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen sei verheerend für die Zukunft nachfolgender Generationen. Die Weltgemeinschaft müsse "radikal umsteuern", um einen ökologischen Kollaps der Erde zu verhindern. [jg]
Offizielle Seite zum Global Biodiversity Outlook
Vollständiger Bericht (engl., PDF, 212 p.) sowie Kurzfassung (engl., PDF, 19 p.)
Berichterstattung Deutsche Welle: UN-Bericht: Alle 20 Ziele für Artenschutz wurden verfehlt
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NABU: Weltgemeinschaft hat beim Schutz der biologischen Vielfalt versagt