Brandenburg und das Nature Restoration Law: Verzögern statt wiederherstellen?

Das Land Brandenburg hat Ende Februar die dortige Umsetzung der EU-Wiederherstellungsverordnung (NRL) vorläufig außer Kraft gesetzt. Begründung: fehlende rechtliche Vorgaben auf EU- und Bundesebene. Formale Vorgaben der EU-Kommission sollen im März kommen. Aus Umweltsicht sind die Eckpfeiler aber bereits jetzt klar.
Führende Fachjuristen gingen davon aus, dass ein Vollzug der Verordnung auf Landesebene erst erfolgen kann, wenn der Bund auf gesetzlichen Wege Verfahrensregeln erlässt, so die Argumentation des Brandenburger Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (MLEUV) für die Aussetzung des EU-Rechts per Dienstanweisung. Die zuständige Ministerin Hanka Mittelstädt (SPD) wolle sich zwar „dafür einsetzen, dass die entsprechenden EU- und bundesrechtlichen Vorgaben für den Vollzug der Verordnung schnell geschaffen werden“. Wahrscheinlich müsse aber die kommende Bundesregierung das Bundesnaturschutzgesetz novellieren.
Die EU-Kommission hat die angekündigte formale Hilfestellung tatsächlich noch nicht veröffentlicht. Eine entsprechende Konsultation für einen einheitlichen formalen Rahmen lief bis 7. Februar, eine Veröffentlichung ist aber erst für März geplant und steht aktuell noch aus.
Allerdings gelten EU-Verordnungen unmittelbar, also auch in Brandenburg. Oder, wie NABU-Biodiversitätsexperte Stephan Piskol auf Bluesky schreibt: „EU-Recht hat Anwendungsvorrang und kann nicht von Bundesländern aufgehoben werden. Sie können es natürlich brechen und ignorieren - mit allen Konsequenzen.“ Brandenburg bekenne sich immerhin weiter zur NRL und setze diese durch Dialogworkshops um – was man nicht von allen Bundesländern sagen könne, so Piskol. Der schlechte Zustand der Ökosysteme sei aber hinlänglich bekannt, die Ziele der Verordnung klar genug und auch nicht neu, so dass aus seiner Sicht mit den Vorbereitungen zur Umsetzung durchaus losgehen könne.
Ähnlich argumentierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne im Gespräch mit dem Tagesspiegel Background und bezeichnete das Vorgehen als „populistische Symbolpolitik“. Ein Bundesland könne nicht „per Dienstanweisung Europarecht außer Kraft setzen“. Das Brandenburger Ministerium schiebe die notwendige Arbeit unnötig auf, womöglich in der trügerischen Hoffnung, dass die NRL auf EU-Ebene nochmal geöffnet werden könnte.
Nach weiteren Recherchen des Mediums geht „das Sägen am Renaturierungsgesetz“ weiter. So plädiere der Deutsche Bauernverband zum Missvergnügen des Bundesumweltministeriums auf Nachverhandlungen in Brüssel.
Worum es geht
Die finale Abstimmung für die EU-Wiederherstellungsverordnung war denkbar knapp ausgegangen (EU-News 20.06.2024). Während Umweltverbände nach Jahrzehnten der Naturzerstörung den Schritt als „historisch“ und „Meilenstein im europäischen Naturschutz“ feierten, drohte das Gesetzeswerk an vielen Widerständen, wiederholten Blockadeversuchen und Desinformationskampagnen zu scheitern. Grundsätzlich sieht das NRL vor, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederherzustellen. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, um den Zustand von Lebensräumen in schlechtem Zustand zu verbessern: Bis 2030 mindestens 30 Prozent, bis 2040 mindestens 60 Prozent und bis 2050 mindestens 90 Prozent. Für jedes der im NRL aufgelisteten Ökosysteme werden außerdem spezifische Ziele und Verpflichtungen für die Wiederherstellung festgelegt. Für gelistete Ökosysteme und wiederhergestellte Gebiete soll ein Verschlechterungsverbot gelten.
Ein nationaler Wiederherstellungsplan ist laut EU-Gesetz bis September 2026 zu erstellen. Jede Verzögerung dürfte also die Umsetzung in Deutschland verkomplizieren. [jg]
MLEUV: Brandenburg setzt Vollzug der EU-Wiederherstellungsverordnung vorläufig aus
Tagesschau: EU-Verordnung: Brandenburg setzt Wiederherstellung von Naturflächen aus