Dieselskandal: EuGH stärkt Klagebefugnis von Umweltverbänden

Einen „Paukenschlag gegen Betrugsdiesel“ nennt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Dienstag. Das oberste EU-Gericht hatte der DUH sowohl das Recht auf Klage bestätigt, als auch eine Software, die das Emissionskontrollsystem beeinflusst, als „unzulässige Abschalteinrichtung“ bezeichnet.
„Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar“, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag.
Der Hintergrund ist eine Klage der DUH vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht gegen eine Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts, eine Fachbehörde des Bundesverkehrsministeriums. Dieses hatte genehmigt, dass eine Software für bestimmte Fahrzeuge der Marke Volkswagen die Verringerung des Recyclings von Schadstoffen je nach Außentemperatur drosselt. Das „Thermofenster“ der Software legte fest, dass die Abgasrückführungsrate bei einer Umgebungstemperatur unter minus 9 Grad Celsius bei null Prozent liegt, zwischen minus 9 und 11 Grad Celsius bei 85 Prozent und über 11 Grad Celsius ansteigt, um erst ab einer Umgebungstemperatur von über 15 Grad Celsius 100 Prozent zu erreichen. Da die Durchschnittstemperatur in Deutschland 2018 bei 10,4 Grad Celsius betragen haben soll, liege die Abgasrückführungsrate also nur bei 85 Prozent. Die DUH klagte, dass ein solches Thermofenster eine gemäß dem Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Die Bundesrepublik Deutschland machte geltend, dass die DUH nicht klagebefugt sei und das Thermofenster mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Dieser Auffassung war der EuGH nicht.
Die DUH habe sehr wohl das Recht, auch gegen Typgenehmigungen des Kraftfahrt-Bundesamtes vorzugehen. Das Übereinkommen von Aarhus in Verbindung mit der Grundrechtecharta sei dahin auszulegen, dass es einer Umweltvereinigung, die nach nationalem Recht zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt ist, nicht verwehrt werden darf, eine Verwaltungsentscheidung vor einem innerstaatlichen Gericht anzufechten. Zumal, wenn diese Verwaltungsentscheidung möglicherweise gegen das Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, verstößt.
Die DUH kommentierte, dies sei eine „Ohrfeige für Kraftfahrt-Bundesamt, Bundesverkehrsminister und Dieselkonzerne, die rechtswidrig Millionen Besitzer von Betrugsdiesel-Pkw und Geschädigte durch Luftverschmutzung um ihre Rechte bringen“. Der Verband forderte nun von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, dass das Kraftfahrt-Bundesamt „sofort die betroffenen mindestens fünf Millionen Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge zur Hardware-Nachrüstung mit Entschädigung der Halter zurückrufen“ müsse. Ohne Hardware-Nachrüstung seien die Autos zwingend gegen Entschädigung der Halter stillzulegen, so die DUH. [jg]