Erfolgreiche Oder-Klage, prioritäre Substanzen, Abwasser
Deutsche Umweltverbände feiern ein – allerdings noch nicht rechtskräftiges – Urteil gegen den Ausbau der Oder auf polnischer Seite. Europäische Umweltverbände analysieren wasserpolitische Vorschläge der EU-Kommission.
Deutscher Naturschutzring (DNR), NABU und BUND Brandenburg haben am letzten Freitag ein „wichtiges Urteil gegen Oder-Ausbau“ erstritten. Demnach hat das woiwodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau die Genehmigung des Oder-Ausbaus vorläufig aufgehoben und damit einer Klage der Umweltorganisationen stattgegeben. Zwar habe die polnische Regierung bereits angekündigt, in Berufung zu gehen, jedoch darf derzeit nicht weiter gebaut werden, bis das Hauptsacheverfahren entschieden ist.
„Das Ergebnis des Gerichtsurteils ist nicht nur ein Gewinn für die natürliche Vielfalt der Flusslandschaft Oder, sondern auch für die Menschen am naturnahen Strom, die schon heute mit Dürre als eine der zentralen Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert sind“, kommentierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. In Zeiten des Klimawandels und nach der Umweltkatastrophe an der Oder seien die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Baumaßnahmen auf geschützte Arten und Lebensräume stärker zu berücksichtigen.
Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) meldet derweil „kaum Fische und nach wie vor zu hohe Salzgehalte“ in dem Fluss. Auch Muscheln und Schnecken seien stark dezimiert. Das habe die Routinebefischung am 29. November, als erste große Bestandsaufnahme in der Strommitte der Oder nach der menschengemachten Umweltkatastrophe im Sommer (EU-News 26.08.2022), ergeben. Insgesamt sei deutlich weniger Fisch gefangen worden. Für dieses Ökosystem wichtige Arten, wie Zope und Rapfen, fehlten ganz. Wasseranalysen der Forschenden zeigten zudem, dass die Salzkonzentration nach wie vor deutlich zu hoch sei, so das IGB.
Analyse von EU-Vorschlägen für prioritäre Substanzen und Abwasser
Ende Oktober hatte die EU-Kommission einige wasserpolitische Rechtsentwürfe vorgelegt. Seit Mitte Dezember liegen nun Bewertungen aus Sicht von Umweltorganisationen vor.
Das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) Europa, die SurfriderFoundation, Health Care without Harm und das Europäische Umweltbüro (EEB) haben den Vorschlag über prioritäre Substanzen in Oberflächen- und Grundwasser unter die Lupe genommen. Es gibt sowohl Lob als auch Kritik. So seien 24 kritische Stoffe sowie 24 per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) in die Liste prioritärer Stoffe für Oberflächengewässer aufgenommen worden, die die Mitgliedstaaten für die Erhaltung der Wasserqualität besonders überwachen müssen. Es wurden außerdem EU-weite Schwellenwerte für flussgebietsspezifische Schadstoffe eingeführt, um der zuvor großen Varianz der in verschiedenen Ländern (oder sogar Regionen) verwendeten Standards entgegenzuwirken. Gut sei auch, dass Methoden zur Überwachung von Mikroplastik und antimikrobiellen Resistenzgenen entwickelt und sowohl als prioritäre Stoffe als auch in der Wasserrahmenrichtlinie integriert werden sollen.
Allerdings seien im Vorschlag die Auswirkungen von Chemikaliencocktails kaum berücksichtigt und die meisten Stoffe seien als Einzelstoffe aufgenommen worden. Letzteres könne dazu führen, dass die Liste schnell veralte. Die Kommission habe außerdem einen Schwellenwert von 0,5 Mikrogramm pro Liter für die Gesamtheit der Wirkstoffe in Pestiziden, einschließlich ihrer relevanten Metaboliten, Abbau- und Reaktionsprodukte, eingeführt, gleichzeitig aber Qualitätsnormen für Glyphosat vorgeschlagen, die weit über diesem Schwellenwert liegen. Außerdem übersteige die bestehende Umweltqualitätsnorm für Atrazin den Gesamtschwellenwert, kritisierte das Bündnis.
In ähnlicher Konstellation (ohne PAN Europe) wurden die Vorschläge für eine Überarbeitung der Abwasserrichtlinie analysiert. Hier werden ungenügende Ziele für eine ordnungsgemäße Regenwasserbewirtschaftung bemängelt, eine fehlende Verpflichtung für Bewirtschaftungspläne auch in mittelgroßen Gemeinden und der ebenso fehlende Bezug zum Klimawandel, der trotz der negativen Prognosen vielerorts noch gar nicht einkalkuliert sei. Auch Schadstoffe in Schnee und Schmelzwasser würden momentan noch unzureichend berücksichtigt. [jg]
DNR: Umweltorganisationen erstreiten wichtiges Urteil gegen Oder-Ausbau
IGB: Befischung nach der Oder-Katastrophe zeigt: von Erholung keine Spur
Joint NGO Analysis of the European Commission’s Proposal for a Revised UWWTD
Wasserrahmenrichtlinie: Wenn die Ausnahme zum Normalfall wird
Europäisches Umweltbüro (EEB) und ClientEarth haben ein gemeinsames Briefing über den übermäßigen Gebrauch von Ausnahmen von den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) veröffentlicht. Auch mehr als 20 Jahre nach der Verabschiedung der WRRL seien zwei Drittel der europäischen Oberflächengewässer und ein Viertel der Grundwasserkörper in einem schlechten Zustand. Gleichzeitig zeige sich, dass Ausnahmen von den Umweltzielen exzessiv statt ausnahmsweise genutzt wurden: Für mehr als die Hälfte der Wasserkörper in der EU gelten Ausnahmen von den WRRL-Zielen. Bis 2027 sollen die europäischen Gewässer in einem "guten Zustand" sein, da seien Ausnahmen fehl am Platz. Die Beispiele im Briefing beziehen sich zwar auf Kohlebergbau, allerdings ist anzunehmen, dass die Argumente auch für andere Sektoren verwendet werden können.