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EU debattiert über den Schutzstatus von Wölfen
EU-News | 19.09.2023
#Biodiversität und Naturschutz

EU debattiert über den Schutzstatus von Wölfen

Ein weißer Wolf steht im Wald und schaut der Kamera entgegen.

Eine noch laufende Datenabfrage der EU-Kommission zu Wolfspopulationen in Europa sorgt für eine angeregte Debatte und Kritik an der Kommissionspräsidentin. Es geht um die Frage, ob Wölfe in der EU auch in Zukunft unter strengem Schutz stehen werden. Verbände nennen das Verfahren undurchsichtig und fürchten eine Instrumentalisierung des Wolfes.

Eine umstrittene Formulierung und ein Call of Data sorgen aktuell für eine hitzige Debatte in der EU. Noch bis zum 22. September läuft der Aufruf der EU-Kommission, Daten zu Wolfspopulationen und ihren Auswirkungen einzureichen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte die Konzentration der Wolfsrudel in manchen Regionen der EU in einem am 4. September veröffentlichten Statement als „reelle Gefahr“ für den Tierbestand und potenziell auch für Menschen bezeichnet. Nicht nur diese Aussage bringt Tier- und Umweltschützer*innen auf die Barrikaden. Denn mit der Datenabfrage verbunden ist die mögliche Konsequenz, den derzeitigen Schutzstatus der Wölfe in der EU herabzustufen.

Der Schutz der europäischen Wölfe ist unter anderem in der von der EU ratifizierten internationalen Berner Konvention sowie in der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der EU geregelt. Nun will die EU-Kommission auf Basis der erhobenen Daten über die Aktualisierung des rechtlichen Rahmens entscheiden. Geprüft werden soll, ob Naturschutzvorschriften gelockert und somit der selektive Abschuss großer Raubtiere wie Wölfe unter bestimmten Umständen wieder erlaubt sein könnte. Ausnahmen von der FFH-Richtlinie sind in Einzelfällen bereits heute möglich, beispielsweise zur Wahrung sozioökonomischer Interessen.

Die Datenabfrage als Konsequenz einer länger schwelenden Debatte?

Im November 2022 hatte das EU-Parlament in einer Resolution 2022/2952(RSP) gefordert, den Schutzstatus des Wolfes zu überprüfen. Auch Mitgliedstaaten wie Rumänien, Polen, Frankreich und Italien hatten entsprechende Forderungen erhoben. Im April 2023 hatte die Kommission damit begonnen, Daten von Expert*innengruppen und Interessensvertreter*innen ebenso wie solche von nationalen Autoritäten zusammen zu tragen. Anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz bei der EU-Kommission am 7. September betonte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil seine Dankbarkeit für den Vorstoß der Kommission zur Erhebung aktualisierter Daten.

Wölfe waren bis in die 1960er-Jahre europaweit durch Jagd fast ausgerottet worden, haben in den letzten Jahrzehnten jedoch ein beeindruckendes Populationswachstum erlebt. Somit gab es im Jahr 2012 wieder circa 12.000 Wölfe in Kontinentaleuropa. Heute wird die Anzahl der Wölfe in der Europäischen Union auf etwa 19.000 geschätzt. Aktuelle Zahlen für Deutschland stellt die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf zur Verfügung. Laut einer vom Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebenen Studie wurde von 2012-2016 für etwa 20.000 Schafe eine Entschädigung angefordert, was etwa 0,05 Prozent des überwinternden Schafbestandes ausmacht.

Uneinigkeit im Parlament, Widerstand und Kritik von Umweltorganisationen

Die Uneinigkeit bei dem Thema zeigte sich auch in einer öffentlichen Debatte im EU-Parlament am 13. September. So verwies der landwirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion darauf, dass man den „Konflikt zwischen Wölfen und lokalen Landwirten erkennen“ müsse, während eine Abgeordnete der Linksfraktion die Neueröffnung der Debatte als „Machtmissbrauch seitens der Kommissionspräsidentin“ bezeichnet. Für Thomas Waitz von den Grünen würde diese „falsche Debatte“ zudem nur dafür sorgen, dass Panik vor Wölfen verbreitet würde.

In einem offenen Brief an von der Leyen kurz vor der Debatte im EU-Parlament mahnten acht Nichtregierungsorganisationen an, die Behauptung der Kommissionspräsidentin zu den von Wölfen ausgehenden Gefahren sei nicht wissenschaftsbasiert. „Der Wolf gilt in Europa nicht als gefährlich für den Menschen“, so die Autor*innen. Wölfe betrachteten den Menschen nicht als Beute. Jede Entscheidung zur Änderung des Erhaltungsstatus von Wölfen müsse zudem gemäß einschlägiger Rechtsvorschriften auf zuverlässigen wissenschaftlichen Daten beruhen und nicht auf anekdotischen Beweisen, die im Rahmen eines undurchsichtigen Konsultationsprozesses vorgelegt werden, heißt es in dem Brief. Unterzeichnet hatten unter anderem der WWF, ClientEarth, EuroNatur und das Europäische Umweltbüro (EEB).

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger äußert zudem den Eindruck, „dass der Wolf im Wahlkampf stellvertretend für vieles herhalten muss, was in der Politik schief läuft“. Wenn Wölfe Weidetiere reißen, seien die Schutzmaßnahmen im konkreten Fall zu verbessern und auch eine Tötung einzelner Wölfe angebracht. Insgesamt müsse aber „die Weidetierhaltung […] dringend mehr Unterstützung im Herdenschutz erhalten anstatt durch langwierige Debatten über den Schutzstatus von Wölfen hingehalten zu werden“, so Krüger. Unter dem Titel "Wölfe unter Beschuss!" hat der WWF zudem eine Online-Aktion gestartet, bei der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgefordert wird den Schutzstatus des Wolfs unangetastet zu lassen. Stattdessen müssten die Tierhalter*innen stärker beim Herdenschutz unterstützt werden, so die Forderung der Protestaktion, die weiterhin unterstützt werden kann. [mi]

 

ENDS: Farming ministers urge rethink of wolf protections

ENDS: Von der Leyen criticised for talking up danger from wolves

EU-Kommission: Statement zu Wölfen in Europa

RedaktionsNetzwerk Deutschland: Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel

Euronews: EU-Parlament uneins über Pläne zur Überprüfung des Schutzes von Wölfen

NABU: Statement zur Wolfsdebatte

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