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EU-Kommission sieht Neue Gentechnik als Teil einer nachhaltigen Landwirtschaft
EU-News | 29.04.2021
#Landwirtschaft und Gentechnik

EU-Kommission sieht Neue Gentechnik als Teil einer nachhaltigen Landwirtschaft

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c. Pixabay

Die am Donnerstag von der EU-Kommission veröffentlichte Studie zur Regulierung neuer gentechnischer Methoden rief harsche Kritik von Umweltschützer*innen und Landwirt*innen hervor. Die Studie war seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2018 mit Spannung erwartet worden.

Es gebe Verfahren der Neuen Gentechnik, die „das Potenzial bergen, im Rahmen der Ziele des europäischen Grünen Deals und der Strategie 'Vom Hof auf den Tisch' zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem beizutragen“, erklärte die EU-Kommission. Da das geltende EU-Gentechnikrecht dafür nicht mehr „zweckmäßig“ sei, will sie nun einen „neuen Rechtsrahmen für diese biotechnologischen Verfahren erörtern“. Die EU-Kommission erkenne auch an, dass neue gentechnisch veränderte Organismen (GVO) Risiken „für die biologische Vielfalt, die Koexistenz mit einer ökologischen und GVO-freien Landwirtschaft sowie die Kennzeichnung“ berge. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides wünscht sich nun einen „offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament, um gemeinsam über den künftigen Umgang mit diesen biotechnologischen Verfahren in der EU zu entscheiden“. Dafür kündigte die EU-Kommission für die nächsten Monate eine Folgenabschätzung und eine öffentliche Konsultation zum Thema an.

Mit der Studie erfüllte die EU-Kommission einen Auftrag der Mitgliedstaaten von 2019. Diese hatten nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der befunden hatte, dass auch Produkte neuer gentechnischer Verfahren unter das EU-Gentechnikrecht fallen, um eine Untersuchung der praktischen Konsequenzen des Urteils gebeten.

Die Umweltorganisation Friends of the Earth Europe hatte im März aufgedeckt, dass die EU-Kommission Industrieinteressen bei der Erstellung der Studie im Vergleich zu anderen Stakeholdern stärker berücksichtigte (siehe EU-News vom 4.3.).

Reaktionen auf die Studie

Vor dieser Schlussfolgerung – also einer Sonderbehandlung und möglicherweise lascheren Regulierung von Verfahren wie Crispr/Cas – hatten viele Akteure der Zivilgesellschaft gewarnt und gefordert, Neue Gentechnik aufgrund ihrer Risiken weiterhin über das bestehende Gentechnikrecht der EU zu regulieren.

Sophia Guttenberger, Referentin für Landwirtschaft und Gentechnik am Umweltinstitut München, sieht in der Studie eine „wortreiche“ Beschreibung „möglicher Vorteile der neuen Techniken, die es in der Praxis nicht gibt.“ Eine Anpassung des Gentechnikrechts sei nur angemessen, „um endlich den Import von gentechnisch veränderten Futtermitteln zu unterbinden“ - und nicht, „um Gentechnik auf die Teller und Äcker in Europa zu bringen“. Die Nutzung von Gentechnik in der Landwirtschaft ist und bleibt eine Bremse für die Agrarwende“, so Guttenberger weiter.

Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, forderte, dass eine Regulierung der neuen Verfahren die Prinzipien „Vorsorge, Wahlfreiheit, Transparenz und Haftung“ sicherstellen müsse. „Bäuerinnen und Bauern wollen keine Risikoprodukte auf dem Acker und im Futter. Wir wollen garantiert erzeugen können, was ein Großteil der Verbraucher*innen will: Gentechnikfreie Lebensmittel“, so Volling.

Das deutsche Bundesumweltministerium (BMU) hatte sich am Dienstag in einem Positionspapier ebenfalls dafür ausgesprochen, neue gentechnische Methoden weiterhin über das bestehende Gentechnikrecht der EU zu regulieren und so das Vorsorgeprinzip zu sichern. Am Donnerstag kündigte es an, die Studie nun „sorgsam auszuwerten, um den anstehenden Dialog zu begleiten“ und stellte noch einmal fest: „Das BMU spricht sich deutlich gegen eine Aufweichung des geltenden Gentechnikrechts aus.“

Auch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher Grünen/EFA im EU-Parlament, kritisierte die Schlussfolgerungen der EU-Kommission, die den Ergebnissen einer Studie der Grünen widersprächen - „denn diese zeigen, dass Gentechnik bisher kaum zu nachhaltigeren Produkten oder Praktiken geführt hat – auch die neue nicht“, so Häusling.

In einem gemeinsamen Positionspapier hatten vergangene Woche 94 Organisationen, darunter der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), gefordert, keine gesonderte Regelung für Methoden der Neuen Gentechnik zu erarbeiten. Ansonsten sei der „überfällige Umbau zu einer nachhaltigen, bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft“ gefährdet, erklärte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Gene-Drive-Organismen stellten auch eine Gefahr für wildlebende Arten dar „und könnten damit negative Folgen für ganze Ökosysteme zur Folge haben“, so Schöne.

Die EU-Kommission kündigte an, die Ergebnisse der Studie im Mai im Rahmen des Agrifish-Rats mit den Vertreter*innen der Mitgliedstaaten zu diskutieren. [km]

Pressemitteilung der EU-Kommission

Studie der EU-Kommission: Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the Court of Justice ruling in Case C-528/16

Positionspapier des BMU

Pressemitteilung des BMU als Reaktion auf die Studie der EU-Kommission

Reaktion des Umweltinstitut München

Reaktion der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Studie "Wissenschaftliche Kritik der Leopoldina- und EASAC-Stellungnahmen zu genom-editierten Pflanzen in der EU" der Fraktion der Grünen/EFA im EU-Parlament

Pressemitteilung von Martin Häusling

Positionspapier "Gentechnik auch in Zukunft strikt regulieren!"

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