EU-Lieferkettengesetz: Der Zwist nimmt kein Ende
Das EU-Lieferkettengesetz hätte längst in trockenen Tüchern sein sollen, doch dann gefährdete die FDP mit der Enthaltung Deutschlands maßgeblich die notwendige Mehrheit im EU-Rat. Erneut wurde nun die Entscheidung über die Richtlinie zur Stärkung der Menschenrechte und des Umweltschutzes vertagt. Die Kritik vonseiten der Umweltorganisationen ist groß.
Es ist ein Krimi in vielen Akten, bei dem noch immer kein Ende in Sicht ist. Am 9. Februar hätte über das EU-Lieferkettengesetz abgestimmt werden sollen, in das zahlreiche NGOs und große Teile der Zivilgesellschaft viel Hoffnung setzen im Kampf gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung.
Doch dann wurde der Beschluss des EU-Rats laut: die Abstimmung wird mit der Hoffnung auf eine zeitnahe Lösung vertagt. Nachdem auch Italien Zweifel an seiner Bereitschaft, der Richtlinie zuzustimmen, ausgedrückt hatte, wäre die qualifizierte Mehrheit im EU-Rat gefährdet und die Richtlinie somit gekippt worden. Andernfalls ist eine notwendige Mehrheit der „Ja-Stimmen“ unter den Mitgliedstaaten bisher nicht absehbar, da auch Schweden, Tschechien, Estland, Litauen und auch die Slowakei ihre Ablehnung angekündigt haben.
Bei den im Ministerrat zur Abstimmung stehenden Gesetzen handelt es sich bereits um einen in der Aushandlung zwischen dem EU-Parlament und den Vertreter/innen der Länder entstandenen Kompromiss, der nur noch einer formalen Billigung bedarf. Im Fall des Lieferkettengesetzes war nach langem Ringen Ende 2023 eine Einigung zwischen EU-Parlament und Rat erzielt worden.
Kleine Partei mit großer Wirkung – FDP blockiert das EU-Gesetz
Doch nicht nur an Italien droht das gesamte Projekt in letzter Minute maßgeblich zu scheitern: Die FDP blockiert die Zustimmung Deutschlands und drängt auf Enthaltung. Zwar hatte Justizminister Marco Buschmann das Gesetz in Brüssel mit verhandelt, wollte der Richtlinie aber mit Verweis auf bürokratische Hürden nun doch die Zustimmung versagen. Die interne Ablehnung der FDP gegen das Lieferkettengesetz geht inzwischen so weit, dass sie in einem Brief nicht nur die EU-Kommission über die geplante Ablehnung informierten, sondern auch an die Amtskolleg/innen anderer Mitgliedstaaten appellierten, es ihnen gleich zu tun. Auch nach intensiven Gesprächen ist der Zwist in der Ampelregierung noch nicht beigelegt. Finanzminister Lindner sprach sich gar dafür aus, die Lösungssuche im Streit um das Lieferkettengesetz auf nach der Europawahl im Juni zu vertagen.
NGOs kritisieren Sabotage des Lieferkettengesetzes und befürchten Blamage Deutschlands
Zahlreiche deutsche und europäische Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zeigen sich enttäuscht über das drohende Scheitern der Richtlinie. Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch, appellierte an die Bundesregierung „endlich“ ihre Blockadehaltung aufzugeben. Es sei jetzt an „Bundeskanzler Scholz, den immensen europapolitischen Schaden aufzuräumen“, den die kleinste Partei der Koalition in den vergangenen Wochen angerichtet habe. Schließlich habe sich gezeigt, dass „nicht nur die Öffentlichkeit in Deutschland und Europa nicht bereit ist, Ausbeutung und Umweltzerstörung durch europäische Unternehmen weiter zu tolerieren“. Auch große Teile der deutschen Wirtschaft machten sich inzwischen für das Lieferkettengesetz und somit gleiche europäische Wettbewerbsbedingungen stark.
Die Deutsche Umwelthilfe äußert sich ebenfalls verärgert über die Blockade der FDP. Christian Lindner und Marco Buschmann sabotierten auf diesem Wege „eines der zentralen Vorhaben des EU Green Deal und einen Meilenstein für Menschenrechte und Umweltschutz“, so der Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
Der WWF Deutschland und die Environmental Justice Foundation äußerten sich auf Twitter zur Blockade Deutschlands. Es sei das Land, das „von der UN ermahnt werden“ müsse bezüglich seiner Verantwortung für Menschenrechte, so der WWF. In einem Brandbrief aus Genf versucht die UN derzeit, den Bundeskanzler zum Umlenken zu bewegen.
Auch die Sprecherin der Linken im Bundestag, Cornelia Möhring, fordert Scholz zum Einsatz seiner Richtlinienkompetenz auf und äußert sich zum Streit der Ampel: „die FDP [stellt] sich gegen die Mehrheit des EU-Parlaments, ein fatales Zeichen kurz vor der EU-Parlamentswahl. Derweil lassen sich SPD und Grüne von der Wirtschaftslobbypartei weiter auf der Nase rumtanzen“. Die Initiative Lieferkettengesetz hat indes eine Petition mit ebendieser Forderung an Olaf Scholz ins Leben gerufen. [mi]
Die Linke PM: FDP muss Blockade des EU-Lieferkettengesetzes aufgeben.
Frankfurter Rundschau: FDP gegen Lieferkettengesetz.
Tagesspiegel Background (kostenpflichtig): UN wendet sich mit Brandbrief an Scholz.
Taz.de: Streit um das EU-Lieferkettengesetz.
Zeit.de: Lindner will Lieferkettengesetz erst nach Europawahl neu verhandeln.