EU-Parlament will mehr Kohlenstoffentnahme
Das Europäische Parlament hat eine Position zu nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen beschlossen. Carbon Farming und technische Lösungen sollen gestärkt werden. Auch die Zertifizierung von CO2-Entnahmen wird aktuell diskutiert.
Mit einer Entschließung hat sich das EU-Parlament am 18. April für einen verstärkten Abbau von CO2 aus der Atmosphäre ausgesprochen. Die Abgeordneten betonten zwar, dass der Reduktion von Emissionen weiterhin Vorrang einzuräumen sei. Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 komme aber auch der Entnahme von Kohlenstoff eine wachsende Bedeutung zu. Nach Ansicht der Abgeordneten sollen dafür sowohl landbasierte Praktiken, sogenanntes „Carbon Farming“, als auch technische Optionen zukünftig gestärkt werden.
Carbon Farming als zentraler Ansatz
Die Land- und Forstwirtschaft nimmt laut der Entschließung eine wichtige Rolle bei der Speicherung von Kohlenstoff in Ökosystemen ein, wodurch zuvorderst allerdings die Klimaziele des Landnutzungssektors selbst erfüllt werden sollten. Die Möglichkeit, zusätzlich CO2 anderer Sektoren abzubauen, solle auf nicht oder schwer reduzierbare Emissionen beschränkt werden. Die CO2-Entnahme durch Ökosysteme sei schon allein aufgrund des verschlechterten Zustands der Wälder eine Herausforderung. Verhindert werde müsse zudem, dass „die Industrie ihre Emissionen durch CO2-Zertifikate kompensiert“. Ferner forderten die Abgeordneten die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass verifizierte Daten über Emissionen und Kohlenstoffabbau in landwirtschaftlichen Betrieben bis 2026 zur Verfügung stehen.
Kontroverse Techniken
Umstritten ist der zukünftige Einsatz technischer Optionen zur Kohlenstoffentnahme. Technologien wie CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) oder CO2-Abscheidung und -Nutzung (CCU) misst eine Mehrheit der Abgeordneten eine Rolle bei der Dekarbonisierung bei. Dass die Grünen letztlich gegen die Entschließung stimmten, begründet Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher im Europäischen Parlament, damit, dass diese technischen Optionen „noch lange nicht ausgereift“ seien und bereits jetzt klar sei, „dass diese Verfahren mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen einhergehen.“ Statt auf unausgereifte Technologien zu setzen, sei es laut Häusling nötig, die Vermeidung von Emissionen in den Vordergrund zu stellen und „die Nutzung fossiler Energien schnellstens zu beenden.“
Nächster Schritt: Zertifizierung von CO2-Entnahme
Durch die Abstimmung hat das EU-Parlament nun eine eigene Position zu „nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen“. Die EU-Kommission hatte hierzu bereits im Dezember 2021 eine umfassende Mitteilung präsentiert. Aktuell diskutieren Parlament und Rat zudem den Vorschlag der Kommission zur Zertifizierung von Kohlenstoffentnahmen (Carbon Removal Certification Framework, CRCF). Auf der kommenden Sitzung des Agrarrats am 25. April steht der Verordnungsvorschlag zur Aussprache auf der Tagesordnung. Die Entscheidung des EU-Parlaments zum CRCF wird für den Herbst erwartet.
Kritik: Greenwashing und Gefahr fossiler Lock-Ins
Zuletzt äußerten sich immer mehr Organisationen und europäische Umweltverbände wie das Europäisches Umweltbüro (EEB), Carbon Market Watch (CMW), Fern oder das Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) sehr kritisch zum Vorschlag der EU-Kommission zur Zertifizierung der Kohlenstoffentnahme. Im Zentrum der Kritik steht die Gefahr, dass durch CO2-Kompensation Greenwashing betrieben werden könnte, fossile Industrien ihre klimaschädlichen Praktiken legitimieren und tatsächliche Emissionsreduktion verschleppt werde. Aber auch der eindimensionale Fokus auf die Kohlenstoffspeicherfunktion von Ökosystemen und die zu geringe Berücksichtigung der Biodiversität sowie sozialer Effekte erntet Widerspruch [bp].
Pressemitteilung Europäisches Parlaments