EU-Parlament: Zugang zu Gerichten erleichtern, Umweltkriminalität strikter verfolgen

Die Europaabgeordneten haben sich für eine Reform der europäischen Aarhus-Verordnung ausgesprochen. Umweltorganisationen bewerteten diesen Schritt als positiv. Die Parlamentarier*innen forderten außerdem einheitliche und bessere Regeln für die Verfolgung von Umweltkriminalität.
Aarhus-Verordnung
Nachdem Ende April der federführende Umweltausschuss (ENVI) im EU-Parlament seinen Bericht angenommen hatte (EU-News vom 23.04.2021), stimmte am Donnerstag das Plenum für eine Überarbeitung der EU-Rechtsvorschrift, die den Zugang für Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen zu Gerichten in Umweltbelangen regeln soll. 553 von 693 Abgeordneten votierten für den Bericht von Christian Doleschal (EVP, Deutschland). Darin sprechen sie sich dafür aus, den Anwendungsbereich der Aarhus-Verordnung auf allgemeine Akte sowie Verwaltungsakte, die gegen das EU-Umweltrecht verstoßen, zu erweitern. Auch der Kreis der Klageberechtigten soll sich nach Ansicht der Abgeordneten auf Einzelpersonen ausweiten.
Harriet Mackaill-Hill vom Climate Action Network (CAN) Europe freute sich: „Dies war ein dringend notwendiger Schritt, um das Problem der Umweltdemokratie und der öffentlichen Rechenschaftspflicht in der EU anzugehen.“ Es sei nun „von größter Wichtigkeit“, dass sich das Parlament gegenüber den schwächeren Positionen von Umweltrat und Kommission in den informellen Verhandlungen um den endgültigen Gesetzestext durchsetze. Nur dann könne der „Bruch des internationalen Rechts durch die EU“ beendet werden, betonte Mackaill-Hill.
Auch die Umweltrechtorganisation ClientEarth begrüßte den Bericht des Parlaments, der eine „enorme Verbesserung“ im Vergleich zum Kommissionsvorschlag darstelle. Anders als von der EU-Kommission kritisiert, stünden die vom EU-Parlament geforderten Änderungen der Aarhus-Verordnung nicht im Widerspruch zum EU-Recht, erklärte ClientEarth-Anwältin Anne Friel. Sie forderte die Mitgliedstaaten auf, sich im Rahmen der nun anstehenden Trilog-Verhandlungen „konstruktiv dafür einzusetzen, dass die Öffentlichkeit in die Lage versetzt wird, die Umwelt zu schützen.“ Dies sei für „die Umsetzung des EU Green Deal unerlässlich.“
Berichterstatter Doleschal bekräftigte, dass „der Respekt für die EU-Verträge und die innereuropäische Kompetenzverteilung“ durch die überarbeitete Aarhus-Verordnung gewahrt blieben. Der Bericht des Parlaments trage dazu bei, „die Vertragskonformität der Union mit ihren Verpflichtungen aus der internationalen Aarhus-Konvention herzustellen.“
EU-Parlament: Aarhus Convention: Parliament supports the EUs full compliance
EU-Parlament: Umwelt: die Århus-Verordnung ***I P9_TA(2021)0254
CAN Europe: MEPs voted in favor of amending the Aarhus Regulation to provide access to justice for NGOs and citizens
ClientEarth: EU Parliament champions compliance with international rule of law
EVP: Doleschal: Aarhus Konvention ohne übertriebene Bürokratie anwenden
Umweltkriminalität
In einer weiteren Abstimmung forderten 536 von 693 EU-Parlamentarier*innen am Donnerstag, die Umwelthaftungsrichtlinie zu harmonisieren und an EU-Gesetze zum Umweltschutz und das Pariser Klimaabkommen anzupassen. Ihr Geltungsbereich solle zudem auf alle in der EU tätigen Unternehmen ausgeweitet werden. Es sei wichtig, „dass bei Umweltschäden die Kosten am Ende nicht von den Steuerzahlern getragen werden“, erklärte Berichterstatter Antonius Manders (EVP, Niederlande).
Auch die EU-Richtlinie zur Umweltkriminalität müsse überarbeitet werden und „neue Arten von Umweltstraftaten“ berücksichtigen. Die Abgeordneten forderten die Einrichtung einer „EU-Taskforce für Umwelthaftung, die Opfern von Umweltschäden Unterstützung und Beratung zu Rechtsmitteln in der EU anbieten soll“. Um die niedrige Verfolgungsquote von Umweltstraftaten zu verbessern, solle sich zukünftig auch die Europäische Staatsanwaltschaft um solche Verbrechen kümmern. Die EU-Parlamentarier*innen verurteilten „nachdrücklich jede Form von Gewalt, Belästigung oder Einschüchterung gegen Menschenrechtsverteidigern im Umweltbereich“. Die Mitgliedstaaten müssten „solche Handlungen effektiv […] untersuchen und [...] verfolgen“.
Schattenberichterstatter Ilhan Kyuchyuk (Renew, Bulgarien) erhofft sich, dass eine verbesserte und harmonisierte Umsetzung des Umweltrechts Umweltschäden „auf Grundlage des Verursacherprinzips“ beheben und „somit zum Erhalt unserer natürlichen Ressourcen und einer besseren Umwelt, besserem Wasser und besseren Lebensmitteln für unsere Bürger“ beitragen wird.
Die Abgeordneten forderten die EU-Kommission zudem auf, zu prüfen, ob „Ökozid“ als Verbrechen im EU-Recht angesehen werden kann.
Die EU-Kommission kündigte im Vorfeld der Abstimmung an, die Richtlinie zur Umweltkriminalität zu überarbeiten. Für die Umwelthaftungsrichtlinie plane sie derzeit nur eine Evaluierung.
Der Europäische Rat hat in seinen am Mittwoch veröffentlichten Schlussfolgerungen die Bekämpfung von Umweltkriminialität als eine von zehn Prioritäten im Kampf gegen organisierte Kriminialität aufgeführt. Die Bekämpfung krimineller Netzwerke, "die in alle Formen der Umweltkriminalität verwickelt sind", sei von größter Bedeutung. Umweltverbände hatten eine solche Anerkennung von Umweltkriminalität gefordert. [aw/km]
EU-Parlament: Regeln der Umwelthaftung müssen überarbeitet werden
EPP Group: Modernise EU environmental liability rules for companies
Renew Europe: Concrete measures and clear sanctions needed against companies that harm the environment, says Renew Europe
Europäischer Rat: Fight against organised crime: Council sets out 10 priorities for the next 4 years

Euronews - Video
Klimaschutz: EU-Parlament will schwere Strafen nach Ökozid
Über die Entscheidung des EU-Parlaments, härtere Strafen bei Umweltschäden einzuführen und "Ökozid" rechtlich anzuerkennen, hat der Sender euronews einen Bildbeitrag (1Min 45) gesendet. Anschauen