Europäische Klimapolitik verteidigen und weiterentwickeln
Am 30. Januar 2025 fand im Europäischen Haus in Berlin das 26. Berliner Klimagespräch statt, das unter dem Titel „Europas Green Deal zukunftsfest und sozial gestalten“ die aktuell drängenden Fragen zur Umsetzung des European Green Deal in den Mittelpunkt stellte. In der rund zweistündigen Veranstaltung diskutierten Expertinnen, Politiker und Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft, um die nächsten Schritte in der Umsetzung eines klimaneutralen Europas zu diskutieren. Angesichts der anstehenden Bundestagswahlen war auch die Frage nach Deutschlands Rolle in der europäischen Klimapolitik Thema.
Rückblick von Elena Hofmann und Judith Hermann, DNR
2024 war das wärmste Jahr seit Wetteraufzeichnungen in Deutschland, der EU und global. Ein starker, zukunftsfester und sozialer Green Deal wird jetzt mehr denn je gebraucht. Umso dramatischer ist es, dass der Green Deal auch gefährdet ist wie nie. Nur als jüngstes Beispiel wird das im gerade vorgestellten EU-Wettbewerbskompass (EU-News 30.01.2025) deutlich, welcher Entbürokratisierung über Dekarbonisierung stellt und die Integrität von Green Deal Policies wie dem EU-Lieferkettengesetz und der Nachhaltigkeitsberichterstattung angreift.
Die neue EU-Kommission, die nun seit knapp zwei Monaten im Amt ist, und insbesondere Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den European Green Deal fortführen und weiterentwickeln. Dies unterstrich Yvon Slingenberg, Direktorin der Generaldirektion Klimaschutz der EU-Kommission (DG CLIMA), in ihrer Keynote: „Wir werden beim Green Deal Kurs halten und sind zuversichtlich, das 2030-Ziel und die Klimaneutralität 2050 zu erreichen.” Sie betonte insbesondere den großen Investitionsbedarf und wünschte sich, dass Deutschland zum „Investment Champion” wird. Slingenberg machte außerdem klar, dass Fairness, Solidarität und soziale Zugänglichkeit im Kern der Transformation stehen müssen.
Deutschland muss seine Hausaufgaben machen
Im Mittelpunkt der anschließenden Podiumsdiskussion standen zentrale Fragen zur Fortführung und Umsetzung des Green Deals. Michael Bloss (MdEP, Bündnis 90/Die Grünen), Delara Burkhardt (MdEP, SPD), Carola Rackete (MdEP, Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament), Dr. Brigitte Knopf (Direktorin Zukunft KlimaSozial) und Sylwia Andralojc-Bodych (Germanwatch) diskutierten die Herausforderungen der Klimapolitik in Europa.
Im Panel herrschte Einigkeit, dass der Green Deal dringend verteidigt werden muss: „Wir haben demokratisch Gesetze beschlossen, wir haben Unternehmen dazu gezwungen, sich mit der Transformation auseinanderzusetzen und Unternehmen haben in nachhaltige Lieferketten investiert. Wenn jetzt genau im Einführungsprozess dieser Gesetze wieder abgesägt werden, dann ist man kein verantwortungsvoller und sicherer Gesetzgeber”, stellte Delara Burkhardt fest. Carola Rackete betonte, dass die Ambitionen im Green Deal noch viel weiter gehen müssten: „Auf naturwissenschaftlicher Basis muss man kritisieren, dass das 2030-Klimaziel von minus 55 Prozent viel zu wenig ist. Wir hätten mindestens minus 65 Prozent gebraucht. Für 2040 brauchen wir 95 Prozent Reduktion.”
Ein zentrales Thema der Diskussion war die soziale Abfederung von europäischer Klimapolitik, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude (ETS2) und die Frage, wie benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Länder gezielter unterstützt werden können. „Für den Start des ETS2 ist es wichtig, jetzt in Transformation der Haushalte zu investieren, da sie sonst in einem fossilen Lock-In stecken”, so Brigitte Knopf. Sylwia Andralojc-Bodych rief dazu auf, dass Deutschland seiner besonderen Verantwortung als größter Emittent in der EU gerecht werden müsse: „Wenn Deutschland seine Hausaufgaben macht, wird das eine große Auswirkung auf den CO2-Preis im ETS2 haben. Das ist auch im Sinne der europäischen Solidarität wichtig.”
Auch die Finanzierung des Übergangs zu einer klimaneutralen EU spielte eine große Rolle. Die Frage, wie dieser Übergang finanziert werden kann – unter anderem durch gemeinsame Schuldenaufnahme und die Gestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens – wurde ausführlich erörtert. Hier wurde die Notwendigkeit betont, den europäischen Klimafonds weiter zu stärken und den nächsten EU-Haushalt klimakompatibel zu gestalten.
Gerechte Transformation – oder keine Transformation
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Rolle Deutschlands in der EU. Es wurde deutlich, dass eine aktivere Rolle der deutschen Bundesregierung im Europäischen Rat erwartet wird. „Wenn die nächste Bundesregierung nicht ganz klar sagt: Wir wollen ein 90-Prozent-Reduktionsziel für 2040, wir wollen den Green Deal, wir wollen das Verbrenneraus und wir wollen Ziele für erneuerbare Energien, dann ist das weg! Wir müssen den Green Deal im Koalitionsvertrag sichern, denn damit können wir auch Klimaschutz in Deutschland sichern”, so Michael Bloss.
Den abschließenden Ausblick gab Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, der warnte, dass der EU-Klimaschutz auf Messers Schneide stehe. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die soziale Gerechtigkeit gegen die ökologische Gerechtigkeit ausgespielt wird. Entweder die Transformation klappt gerecht oder gar nicht”, so Niebert.
Die Veranstaltung bot nicht nur eine wertvolle Gelegenheit für den Austausch zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, sondern auch für die Diskussion darüber, wie der European Green Deal in einer zunehmend komplexen politischen Landschaft sozial gerecht und zukunftsfest gestaltet werden kann. Als Veranstalterinnen sind der DNR und die Klima-Allianz Deutschland dankbar für das hohe Interesse und die rege Beteiligung.