Fangquoten in der Ostsee: Regierungen hören auf Wissenschaft – fast
Bevor die Agrar- und Fischereiminister*innen der Mitgliedstaaten sich der GAP-Reform widmeten, beschlossen sie in der Nacht zu Dienstag Fangquoten für zehn Fischarten für 2021. Umweltverbände begrüßten die Quoten, forderten aber eine Betrachtung des gesamten Ökosystems Ostsee.
Die Minister*innen einigten sich darauf, die erlaubten Gesamtfangmengen (total allowable catches, TACs) für den Hering in der westlichen und mittleren Ostsee um 50 beziehungsweise 36 Prozent zu verringern. Für den östlichen Dorsch, der weiterhin nur als Beifang erlaubt sein wird, senkten sie die Quote um 70 Prozent. Die TACs für den Hering im Bottnischen Meerbusen und die Scholle sollen sich im Vergleich zu 2020 nicht ändern. Dafür dürfen vom Hering in den Rigaer Gewässern, dem westlichen Dorsch, dem Lachs im Hauptbecken der Ostsee und der Sprotte wieder höhere Bestände gefangen werden.
Der Agrifish-Rat nahm damit bei sieben der zehn Fischarten den Vorschlag der EU-Kommission vom Sommer (EU-News vom 01.09.) an, der auf Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung beruht und den auch Umweltverbände begrüßt hatten. Die neuen Fangmengen sollen dazu beitragen, die Ziele der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU zu erreichen und die Fischbestände in der Ostsee wiederaufzubauen.
Dass die Minister*innen sich allerdings beim westlichen Hering und dem östlichen Dorsch von den Empfehlungen der Wissenschaftler*innen entfernten und weiterhin eine Überfischung erlauben, stieß bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Kritik. „Erstmals orientieren sich die Fischereiminister größtenteils an wissenschaftlichen Empfehlungen. Dennoch muss mehr kommen: Der östlichen Dorschpopulation geht es so schlecht, dass nur ein sofortiger Fangstopp eine Erholung in einigen Jahren ermöglichen kann“, so Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der DUH.
Die DUH, das Netzwerk Our Fish und die europäische Meeresschutzorganisation Seas at Risk kritisierten außerdem den fehlenden Blick der Fischereiminister*innen auf das ganze Ökosystem der Ostsee. Neben einem besseren Schutz der Lebensräume, Nahrungsgrundlagen und Laichplätze sowie einer Klimafolgenabschätzung forderten sie auch eine drastisch verbesserte Überwachung und Kontrolle der Fischerei. Die EU-Kommission hatte ebensolche Maßnahmen vorgeschlagen, die nun jedoch von den Minister*innen nicht übernommen wurden. Es sei noch ein langer Weg, das Fischereimanagement der EU in Einklang mit dem Green Deal und der EU-Biodiversitätsstrategie zu bringen, erklärte Rebecca Hubbard, Direktorin von Our Fish. „Indem wir die Fischpopulationen weiterhin bis an ihre Grenzen und darüber hinaus treiben, wird es uns nicht gelingen, die Gesundheit der Ostsee in Zukunft zu verändern", so Hubbard. Sie forderte die Regierungschef*innen der EU auf, die Aufgabe zu übernehmen und die „Situation unter Kontrolle zu bringen." [km]
Einigung zu Fischfangquoten in der Ostsee 2021
Pressemitteilung der EU-Kommission