Fossile Energieversorgung – Stress für die Ostsee
Umweltverbände fordern Stopp von Flüssiggas-Anlagen vor Rügen und Lubmin und warnen vor massiven Folgen für das sensible Meeresschutzgebiet und für die Menschen vor Ort. Eine Studie zeigt, dass die Nord-Stream-Explosion gravierendere Auswirkungen hatte als angenommen.
Vor der beliebten Urlaubsinsel Rügen soll das größte Flüssiggas (LNG)-Terminal Europas entstehen. NABU, BUND Mecklenburg-Vorpommern, WWF und Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollen gemeinsam gegen die geplanten LNG-Anlagen vor Rügen und den Betrieb des LNG-Terminalschiffs im Hafen von Lubmin vorgehen.
„Hier werden Anlagen geplant, die massive Überkapazitäten für den Import von fossilen Energieträgern schaffen und dabei massiv sensible Ökosysteme schädigen“, kritisierte Daniel Rieger, Fachbereichsleiter Klima- und Umweltpolitik beim NABU Bundesverband. Das Bündnis fordert, „diesen klimapolitischen Irrweg“ zu stoppen. Der Bau der LNG-Terminals in der Ostsee zementiere die Nutzung fossiler Energieträger.
Das LNG-Terminalschiff Neptune habe bereits Ende Dezember 2022 im Hafen von Lubmin den Betrieb aufgenommen, die amtliche Genehmigung dafür sei aber erst Mitte Januar erfolgt. Schon im Herbst 2023 soll ein weiteres, festes LNG-Terminal nur wenige Kilometer vor Rügen den Betrieb aufnehmen. Dazu sei der Bau einer Offshore-Pipeline durch den Greifswalder Bodden notwendig, um das Gas in das Fernleitungsnetz einspeisen zu können. Das Terminal selbst solle wenige Kilometer vor dem Seebad Sellin errichtet werden und eine jährliche Kapazität von 38 Milliarden Kubikmeter besitzen. Es wäre damit das größte Flüssiggas-Terminal in Europa. Zusätzlich entstünde massiver Schiffsverkehr mitten durchs Meeresschutzgebiet, warnt das Bündnis. Bis zum 16. März können Einwendungen gegen das Genehmigungsverfahren für die Offshore-Pipeline eingereicht werden. Der NABU hat außerdem einen Eil-Appell an die Bundesregierung mit dem Motto „Kein Klimakiller-Terminal vor Rügen!“ gestartet.
Nord-Stream-Explosion verursachte massive Schäden
Die vier Explosionen am 26. September 2022 der beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 haben nicht nur Methan in klimabedenklichem Ausmaß in die Atmosphäre entlassen (etwa 115.000 Tonnen). Die bisher übersehenen direkten Auswirkungen dieser Sabotage auf das marine Ökosystem, hat eine in Research Square veröffentlichte Studie analysiert. So fanden die Explosionen in der Nähe einer großen Deponie für chemische Munition in der Nähe der dänischen Insel Bornholm in der Ostsee statt. Für Robben und Schweinswale in einem Umkreis von vier Kilometern bestand ein hohes Risiko, durch die Druckwelle getötet zu werden, während vorübergehende Auswirkungen auf das Gehör in bis zu 50 Kilometern Entfernung wahrscheinlich waren. Die Schweinswalpopulation (Phocoena phocoena) in der Ostsee ist vom Aussterben bedroht. Außerdem seien durch die Explosionen über eine Woche lang 250.000 Tonnen stark kontaminierter Meeresboden aus dem Tiefseesedimentbecken aufgewirbelt worden, was für mehr als einen Monat zu inakzeptablen Risiken für Fische und andere Lebewesen im Umkreis von elf Kubikkilometer führte. Laut Medienberichten nannte der dänische WWF-Generalsekretär Bo Øksnebjerg den Sabotageakt und seine Auswirkungen einen „weiteren Sargnagel für die Ostsee“. [jg]
NABU et al.: Umweltverbände fordern Stopp von LNG-Anlagen vor Rügen und Lubmin
Research Square: Environmental impact of sabotage of the Nord Stream pipelines
Nordsee: LNG-Schiffe ohne Chlor-Biozide!
Die DUH hat einen Teilerfolg erzielt, was die Einleitung giftiger Chlor-Biozide in die Jade in angeht. Zumindest das zweite LNG-Terminalschiff „Excelsior“, das ab Herbst im niedersächsischen Wilhelmshaven von Uniper betrieben werden soll, soll dann auf Ultraschall umgerüstet sein. Das LNG-Terminalschiff „Höegh Esperanza“ nutze derzeit Meerwasser, um das tiefkalte Flüssigerdgas zu erwärmen und zu regasifizieren. Damit Wärmetauscher und Rohrleitungen nicht von Muscheln und Seepocken zu erobert werden, setze Uniper große Mengen Chlor-Biozid ein, wobei die Abwässer direkt neben dem Nationalpark Wattenmeer in die Jade gelangen. Da eine technische Umrüstung möglich ist, forderte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die Nutzung großer Mengen von Chlor als Biozid gefährdet die Pflanzen- und Tierwelt im Nationalpark Wattenmeer massiv und muss spätestens jetzt von Uniper abgestellt werden.“