Gift im Wasser: prioritäre Stoffe und Glyphosat
Der zuständige Berichterstatter im EU-Parlament Milan Brglez (Slowenien, S&D) hat seinen Bericht über die Aktualisierung der prioritären Stoffe für Oberflächengewässer und Grundwasser vorgelegt. Er betont das Verursacherprinzip und fordert unter anderem strengere Grenzwerte für den ebenso weit verbreiteten wie umstrittenen Wirkstoff Glyphosat. Die Aurelia Stiftung will, dass die EU-Kommission die Zulassungsverlängerung für den Pestizidwirkstoff Glyphosat ganz aufhebt.
Um das Wasser in der EU sauber zu halten, muss es auch vor toxischen und langlebigen (persistenten) Schadstoffen geschützt werden. Deshalb hat die EU-Kommission im Oktober 2022 einen Vorschlag zur Änderung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und ihrer beiden „Tochterrichtlinien“ (Grundwasserrichtlinie und die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen) gemacht. Umweltverbände hatten die Vorschläge im Dezember analysiert (EU-News 20.12.2022) und unter anderem den zu hohen Schwellenwert für bestimmte Substanzen kritisiert.
Der Brglez-Bericht vom 20. Februar befasst sich mit mehreren Mängeln des Kommissionvorschlags. Unter anderem will er die 20-Jahres-Frist für den schrittweisen Ausstieg aus prioritären gefährlichen Stoffen, die die EU-Kommission streichen will, wieder einführen und lehnt eine Reduzierung der Anzahl von Stoffen auf der Überwachungsliste für Oberflächengewässer ab. Er schlägt vor, die Anzahl von Stoffen für die Überwachungslisten für Oberflächen- und Grundwasser nicht zu begrenzen. Darüber hinaus schlägt Brglez bei Glyphosat vor, die strengeren Umweltqualitätsnormen von 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) für alle Oberflächengewässer im Binnenland einzuführen und nicht zwischen Gebieten für die Trinkwassergewinnung und anderen zu trennen. Die Umsetzung des Verursacherprinzips sei derzeit aus Sicht des Berichterstatters mangelhaft, er schlägt eine erweiterte Herstellerverantwortung vor, zu der auch die Übernahme der Überwachungskosten gehört. Bis Ende März können Änderungsanträge eingereicht werden.
Umweltverbände wie das Europäische Umweltbüro kritisieren, dass der vorgeschlagene Wert für Glyphosat weiterhin sehr hoch sei, zumal er sich auf den Jahresdurchschnitt bezieht. Auch die höchstzulässige Konzentration müsse begrenzt werden. Darüber hinaus müsste die neue jährliche Berichtspflicht nicht nur die Oberflächengewässer, sondern auch Grundwasserüberwachungsdaten und den chemischen Zustand umfassen.
Parallel geht die Aurelia Stiftung gegen die im Dezember von der EU-Kommission genehmigte Verlängerung der Glyphosat-Zulassung vor. Diese sei „aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr tragbar“. Die Stiftung verweist auf mehrere Studien, die belegten, dass sich der Wirkstoff negativ auf Gesundheit und Lebenserwartung bestäubender Insekten auswirke. Die Berliner Anwaltskanzlei [GGSC] habe im Auftrag von Aurelia bei der EU-Kommission beantragt, die Glyphosat-Verlängerungsentscheidung zu überprüfen und aufzuheben. Damit strebt die Aurelia Stiftung ein Musterverfahren gegen die Praxis der EU-Kommission an, Pestizid-Genehmigungen trotz lückenhafter Daten zur Sicherheit der Wirkstoffe zu verlängern. Zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 06.05.2021 und 19.01.2023) zu Anwendungsverboten für Neonicotinoide stützten die Rechtsauffassung der Aurelia Stiftung auch in Sachen Glyphosat.
Die ebenfalls zur EU-Wasserpolitik gehörende Trinkwasserrichtlinie von 2020 ist 2021 in Kraft getreten und musste bis 21.01.2023 in nationales Recht übernommen werden (Artikel IHK zu den Änderungen). [jg]
Brglez-Bericht zu prioritären Stoffen
Aurelia Stiftung geht gegen Verlängerung der Glyphosat-Zulassung vor
Wasser-News kurz & knapp
Der NABU erhält weitere 29 Millionen für die Renaturierung der Unteren Havel; dieses Leuchtturmprojekt stellt laut Verband „Europas größte Flussrenaturierung“ dar. Der WWF Zentral- und Osteuropa (WWF CEE) hat als Reaktion auf die Medienberichterstattung über umfangreiche Baggerarbeiten im ukrainischen Donaudelta die rumänischen und ukrainischen Behörden aufgefordert, in einen grenzüberschreitenden Dialog mit mehreren Interessengruppen einzutreten, um die aktuelle Situation zu klären und Lösungen für einen erhöhten Getreidetransport auf der Donau zu finden, die das empfindliche Ökosystem des Donaudeltas intakt lassen. Kritisch äußert sich der WWF CEE auch über den sogenannten Donau-Schwarzmeer-Tiefwasserkanal in der ukrainischen Nachkriegsstrategie für den Wiederaufbau. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnengewässer (IGB) hat festgestellt, dass Baualgenblüten nicht nur im Sommer ein Problem sind, sondern Massenvermehrungen auch bei winterlichen Temperaturen stattfinden können und damit Probleme für die Trinkgewassergewinnung schaffen.