„Grilling“ beendet: Kandidat*innen für Klima, Umwelt, Energie und Agrar haben bestanden
Die Anhörungen der meisten designierten Kommissar*innen vor den Ausschüssen des EU-Parlaments sind beendet. Umweltschützer*innen sind geteilter Meinung über die Auftritte von Timmermans und Co. Die Französin Sylvie Goulard ist indes raus.
Frans Timmermans (Grüner Deal, Klimaschutz)
Der designierte exekutive Vizepräsident überzeugte die EU-Abgeordneten, obwohl er in seinen Aussagen teilweise vage blieb. So berichtete es der Umweltnachrichtendienst ENDS.
Er werde sich dafür einsetzen, das 2030-Klimaziel von aktuell 40 Prozent CO2-Einsparung auf 50 bis 55 Prozent anzuheben, so wie es in seinem „Mission letter“ steht.
Beim Emissionshandel sehe er keine Veranlassung, einen Mindestpreis für eine Tonne CO2-Äquivalent festzulegen. Jedoch würden er und andere Kommissar*innen an der Entwicklung einer grenzüberschreitenden CO2-Steuer arbeiten, die in Einklang mit Regelungen der Welthandelsorganisation stehe.
Er versprach auch, eine umfassende Strategie zum Artenschutz zu entwickeln. Sie soll vor oder nach dem UN-Gipfel im Oktober 2020 fertiggestellt sein.
Das Climate Action Network (CAN) Europe begrüßte Timmermans Ankündigung, das 2030-Ziel auf 55 Prozent zu steigern. Der Vorschlag müsse allerdings Anfang 2020 auf dem Tisch liegen, um die Frist zur Einreichung der nationalen Klimabeiträge bei den UN im kommenden Jahr nicht zu verfehlen.
Nach Ansicht des Umweltverbands Transport & Environment (T&E) fehlen konkrete Zusagen, wie der Verkehr endlich klimafreundlicher umgebaut werden kann. Die Absicht Timmermans‘, die CO2-Standards für Lkws und Pkws zu stärken, sei positiv – ebenso wie der Vorschlag, den Schiffsverkehr in den Emissionshandel zu integrieren. T&E warnte aber davor, auch den Straßenverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Das würde das bestehende Instrument, die Klimaschutz-Verordnung (vormals Lastenteilungsverordnung, Effort Sharing Regulation) empfindlich schwächen.
Das europäische Büro des WWF fand die Aussagen Timmermans‘ zur Biodiversitätsstrategie zu schwammig. Klimakrise und das Artensterben müssten enger miteinander verknüpft werden. Es brauche verbindliche Ziele für den Artenschutz und für die Wiederherstellung von Ökosystemen.
Virginijus Sinkevičius (Umwelt und Meere)
Die Mitglieder von Umwelt- und Fischereiausschuss bestätigten den Litauer für das Ressort Umwelt und Meere nach seiner Anhörung am vergangenen Donnerstag. Er punktete unter anderem mit seiner Aussage, Gelder aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds nicht für neue Fischereiflotten zu verwenden.
Auch versprach er, gegen die Abholzung von Wäldern vorzugehen. Lieferketten müssten frei von illegal gerodetem Holz sein. Auch kündigte er ein härteres Vorgehen gegen endokrine Disruptoren (EDCs) an: Spielzeug, Kosmetik und Lebensmittelkontaktmaterialen dürfen EDCs nicht mehr enthalten.
Das europäische Büro von Greenpeace übte jedoch harsche Kritik an Sinkevičius‘ Versprechung, die Entwaldung weltweit aufzuhalten. Es sei „eine Blamage“, dass er über das Verschwinden der Regenwälder kaum ein Wort verlor.
Kadri Simson (Energie)
Die Estin trat am vergangenen Donnerstag vor die Ausschüsse und bestand ihre Anhörung. Laut Umweltdienst ENDS fragten die Abgeordneten insbesondere nach ihren persönlichen Ansichten im Hinblick auf Klimaneutralität und Subventionen fossiler Energien. Das Misstrauen schien groß, da sich die estnische Regierung wiederholt für die Förderung von Schieferöl ausgesprochen hatte.
Umwelt- und Klimaschutzorganisationen wie CAN Europe, Friends of the Earth Europe und Greenpeace zeigten sich enttäuscht vom Auftritt der Estin. Sie habe sich nicht eindeutig zur Anhebung der 2030-Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz geäußert. Auch ihre Unterstützung von Gas als Brückentechnologie stieß bei den Klimaschützer*innen auf Ablehnung. Mit Gas könne keine treibhausgasneutrale EU erreicht werden.
Janusz Wojciechowski zum Zweiten (Landwirtschaft)
Nachdem der Pole in seiner ersten Anhörung enttäuschte, musste er sich am Dienstag ein zweites Mal den Fragen der EU-Parlamentarier*innen stellen – und bekam grünes Licht.
Im Mittelpunkt der Anhörung stand die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. Neue Legislativvorschläge könne das Parlament von ihm nicht erwarten. Er signalisierte aber Kompromissbereitschaft während der interinstitutionellen Verhandlungen. Die sogenannten Eco-Schemes sollen seiner Auffassung nach freiwillig bleiben. Für zusätzliche Umweltleistungen seien 20 Prozent „ein sehr guter Ausgangspunkt“.
Direktzahlungen sollen ausschließlich an „echte“ Landwirt*innen gehen. Er kündigte zudem einen Aktionsplan an, um die ökologische Landwirtschaft stärker zu fördern.
Was den Finanzrahmen der GAP betrifft, favorisiere er das „größtmögliche, aber realistische“ EU-Budget.
Vakante Posten – Zeitplan noch zu halten?
Noch immer steht nicht fest, wer künftig das Verkehrsressort übernehmen wird, nachdem der Rechtsausschuss die rumänische Kandidatin Rovana Plumb abgelehnt hatte.
Welche*r Kandidat*in von Ungarn nachnominiert wird, ist nach wie vor genauso offen.
Nun muss wohl auch Frankreich eine*n neue*n Kandidat*innen präsentieren: Die Abgeordneten lehnten heute Sylvie Goulard als neue Kommissarin für den europäischen Binnenmarkt ab. So berichtet es die Fraktion der Grünen im EU-Parlament.
Die Zeit drängt, denn das Parlament will eigentlich am 23. Oktober über die gesamte Kommission unter Führung Ursula von der Leyens abstimmen. Am 01. November soll die neue Kommission offiziell ihr Amt antreten. [aw]
ENDS (kostenpflichtig) ‘Elegant but vague’ performance by Timmermans, say Greens
CAN Europe zu Frans Timmermans
Greenpeace zu Timmermans
WWF EU zu Timmermans
ENDS (kostenpflichtig): MEPs push EU energy commissioner candidate on climate credentials
CAN Europe zu Kadri Simson
Friends of the Earth Europe zu Kadri Simson
Greenpeace EU zu Kadri Simson
ENDS (kostenpflichtig) Sinkevičius gets green light for environment commissioner post
Greenpeace EU zu Sinkevičius
ENDS (kostenpflichtig): Incoming EU farm boss dismisses higher environmental ambition
Greens/EFA zur Ablehnung Sylvie Goulards