Klimakrise verschärft fehlende Gleichstellung der Geschlechter
Am Internationalen Frauentag haben weltweit Frauen ihre Stimme für mehr Geschlechtergerechtigkeit, für Klimaschutz und für den Frieden erhoben. Neben der klimabedingten Beeinträchtigung von Frauen bremste auch die Coronakrise die faire Verteilung der Lasten zwischen Frauen und Männern. Eine Bestandsaufnahme von Anna Geuchen, DNR.
Die Auswirkungen der Klimakrise berühren Lebensbereiche wie Armut, Hunger, Gesundheit, Sicherheit, Migration aber auch Bildung, Beschäftigung und Finanzen in unterschiedlichem Ausmaß. Frauen sind jedoch von den Auswirkungen der Klimakrise überproportional stärker betroffen als Männer, wodurch die bestehenden sozialen Ungleichheiten aufgrund struktureller gesellschaftlicher Benachteiligung noch verstärkt werden.
Ein Blick auf das diesjährige Programm der 66. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen, die ihren Fokus auf die Gleichstellung der Geschlechter legt, zeigt sehr deutlich: Die Zusammenhänge des menschengemachten Klimawandels und Gender sind nicht nur gravierend, sondern zudem sehr vielfältig, bedingen sich gegenseitig und müssen daher unter Berücksichtigung sozioökonomischer und ökologischer Aspekte gelöst werden.
Ansätze zur Lösung der Krisen müssen die Situation von Frauen berücksichtigen
Weltweit arbeiten Frauen überwiegend in der Landwirtschaft und sind für die Ernährung der Familie verantwortlich. Genau diese Sektoren sind von Hitzewellen, Dürren, Stürmen oder Überschwemmungen besonders stark betroffen und bedrohen Frauen stärker existenziell. So sterben Frauen und Kinder mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit bei einer Unwetterkatastrophe als Männer, unter anderem weil sie seltener schwimmen können oder zu spät gewarnt werden. Gleichzeitig sind 80 Prozent der Menschen, die durch die Klimakrise aus ihren Wohnorten vertrieben werden, Frauen. Dabei liegt der Schlüssel politischer Lösungen für wirksamen Klimaschutz gerade bei Frauen aufgrund ihrer Rolle in den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung und Gesundheit. Diese Bedeutung von Frauen als Triebkräfte für Veränderungen und im Umgang mit natürlichen Ressourcen wird jedoch häufig übersehen.
Ganz anders sieht es bei zivilgesellschaftlichen Organisationen aus, vor allem in der weltweiten Klimabewegung. Dort sind es fast ausschließlich junge Frauen, die ihre Stimmen für Dekarbonisierung der Industrie, Reduzierung der Tierbestände, Schutz der Moore und Meere mit Gerechtigkeitsforderungen erheben: Rayanne Cristine Maximo Franca, Oladosu Adenike, Marinel Ubaldo, Vanessa Nakate, Greta Thunberg und Luisa Neubauer sind nur einige der gut vernetzten und einflussreichsten jungen Frauen.
Sie artikulieren die Zusammenhänge und Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und marginalisierte Menschen. In Deutschland erhalten die Themen durch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze sowie Außenministerin Annalena Baerbock ein stärkeres Gewicht – ein entscheidendes und richtiges Signal, die Klimakrise als besonders schwere Krise für Frauen anzuerkennen und dadurch Gegenmaßnahmen und Unterstützung zu ermöglichen.
Ungleichgewicht des politischen Gestaltungs- und Wirkungsgrads zwischen den Geschlechtern
Auch in den Umweltorganisationen Deutschlands wird die Frage von politischer Teilhabe und Mitbestimmung immer deutlicher artikuliert. Nach Angaben des Vereins Fair Share of Women Leaders ist mit 70 Prozent Frauenanteil unter den Beschäftigten die Arbeit der Umweltverbände maßgeblich von weiblichem haupt- und ehrenamtlichen Engagement geprägt. Dieser überproportionale Anteil findet sich jedoch nicht in Führungspositionen wieder: Nur 30 Prozent werden von Frauen besetzt. So stehen an der Spitze der fünf größten deutschen Umweltverbände Männer, der DNR hatte in den 70 Jahren seines Wirkens noch keine weibliche Präsidentin.
Die mangelnde Repräsentanz weiblicher Führungskräfte in Umweltverbänden bedeutet, dass Frauen als Expertinnen weniger wahrgenommen und tendenziell unsichtbar werden, wenn es um Stellungnahmen zu Windenergie, Klimaschutzzielen, Verkehrswende oder Abbau umweltschädlicher Subventionen geht. Gleichzeitig sind sie als Entscheiderinnen aus Politikbereichen ausgeschlossen, die sie aufgrund ihres Geschlechts vergleichsweise stärker betreffen als Männer, wie eine Studie des Umweltbundesamts belegt.
Gerade in Umweltverbänden, die sich für das gemeinsame Ziel der sozial-ökologischen Transformation einsetzen, ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen aber Voraussetzung für eine nachhaltige und resiliente Entwicklung unserer Gesellschaft. Die Verpflichtung Deutschlands zur globalen Nachhaltigkeitsstrategie Agenda 2030 sollte konsequenterweise auch verbandsintern integriert werden, um besonders dem fünften Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG 5) „Gleichstellung der Geschlechter“ nachzukommen.
Erfolgreiche weibliche Strategien in der Pandemie geben Frauen recht
Die Corona-Krise hat noch einmal die Ursachen der strukturellen Benachteiligung der Repräsentanz von Frauen verdeutlicht, wie aus einem Diskussionspapier des Netzwerks für eine geschlechtergerechte Klimapolitik GenderCC – Women for Climate Justice hervorgeht: Die Expertise weiblicher hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen reduziert sich tendenziell durch die Verlagerung der vormals öffentlichen Tätigkeiten ins Home-Office und der dort anfallenden Mehrbelastung durch familiäre Care-Arbeit. Dieser Aspekt ist vor allem im Hinblick auf die Förderung (junger) Frauen im NGO-Bereich nicht zu unterschätzen und könnte durch das entsprechende Bewusstsein weiblicher Führungskräfte stärker flankiert werden. Gleichzeitig haben Studien – etwa des Progressiven Zentrums – gezeigt, dass es im internationalen Vergleich vor allem weiblich geführte Regierungen sind, die eine durchweg erfolgreichere Strategie im Umgang mit der Covid-19-Pandemie angewandt haben. Dies sollte Anlass sein, die Unterstützung von Frauen in Führungspositionen der Umweltverbände konzeptionell und institutionell zu verankern, um zu einer nachhaltig wirksamen Gleichberechtigung beizutragen, vor allem auch für die zukünftige Generation von Expertinnen.
Der DNR sieht sich als Dachverband in der Verantwortung, der Gleichstellung verbandspolitisch Rechnung zu tragen, und hat diese als Grundsatz in seiner Satzung verankert. Darüber hinaus trägt er dazu bei, weibliche Expertinnen sichtbar zu machen. Seit dem vergangenen Jahr unterstützt der DNR die Aktion Gender Champions und hat sich verpflichtet, nicht mehr an all-male Panels teilzunehmen und bei der Besetzung eigener Veranstaltungen ebenfalls auf eine gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern zu achten. Denn es gibt in den Umweltverbänden eine enorme Anzahl exzellenter Expertinnen, wie eine gemeinsame Konferenz zur Repräsentation von Klimaexpertinnen des Bundesumweltministeriums und des DNR zeigte. In den meisten Fällen ist das Gelingen solcher Konferenzen vom freiwilligen Engagement der Frauen abhängig, die diese neben ihrer Arbeitszeit organisieren. Um Gleichberechtigung auch in den Führungsstrukturen zu erreichen, ist es daher wichtig, die Durchführung von Veranstaltungen nicht vom ehrenamtlichen Einsatz abhängig zu machen, sondern sie formal zu institutionalisieren mit dem Ziel, feste Strukturen aufzubauen.
Die Bewältigung der Klimakrise schaffen wir nur gemeinsam. Doch so lange Frauen existenziell benachteiligt und gefährdet sind, ist es notwendig, sie an politischer Entscheidungsfindung teilhaben zu lassen und in besonderem Maße zu unterstützen.
UBA-Studie zu Gendergerechtigkeit und Klimapolitik
Progressives Zentrum „Gender equality an the pandemic“
Die Autorin
Die Politikwissenschaftlerin Anna Geuchen ist Referentin des Präsidiums beim DNR und bearbeitet verbandspolitische sowie gesamtgesellschaftliche Themen zur sozial-ökologischen Transformation wie Nachhaltigkeit, Governance und Gender.