Klöckner will Umweltleistungen in der neuen GAP an den Kragen
Die deutsche Ratspräsidentschaft hat einen Kompromissvorschlag für die Ausgestaltung der nationalen Strategiepläne für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2023-2027 vorgelegt. Die vorgeschlagenen Änderungen des Kommissionsentwurfs stoßen jedoch auf Kritik.
Aufgeweichte Öko-Regelungen, Schutz der Artenvielfalt und Verhältnis zum Green Deal
Der Vorschlag, den Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner Anfang des Monats dem Sonderausschuss Landwirtschaft des Agrarrats vorlegte, enthält Details zur Ausgestaltung von Eco Schemes („Öko-Regelungen“), Regelungen zu unproduktiven Flächen sowie zu den rechtlichen Verbindlichkeiten der Mitgliedstaaten. Eco Schemes sollen demnach zwar verpflichtend und mit einem Mindestbudget eingeführt werden. Da einige Mitgliedstaaten die Sorge geäußert hätten, dass finanzielle Mittel für Umweltleistungen von den Betrieben möglicherweise nicht komplett ausgeschöpft werden, schlägt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) jedoch eine zweijährige Übergangszeit für diese Regelungen vor. In dieser Übergangszeit wäre es möglich, für Eco Schemes vorgesehene, aber nicht abgerufene Gelder weiterhin als flächenbasierte Prämie auszuzahlen. Somit wären Eco Schemes letztendlich nur von 2025 bis 2027 verpflichtend.
Bezüglich des Anteils nicht-produktiver Flächen, die den Schutz der Artenvielfalt sicherstellen sollen, schlägt das BMEL einen EU-weiten Mindestanteil vor, der über den aktuell geltenden fünf Prozent liegen soll. Einen konkreten höheren Wert nennt es nicht, allerdings soll der Anteil an der Fläche des Ackerlandes und nicht an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche eines Betriebs bemessen werden. Erlaubt sein soll zudem der Anbau von Zwischenfrüchten und Leguminosen auf diesen Flächen. Falls Mitgliedstaaten nur brachliegende Flächen als nicht-produktive Fläche anerkennen wollen, soll ein Anteil von drei Prozent ausreichen.
Eine große Unklarheit ist derzeit, wie die reformierte GAP mit den Zielen des Green Deal der EU-Kommission, insbesondere denen der Biodiversitäts- und der Fam-to-Fork-Strategie zusammenpasst. Der deutsche Vorschlag sieht vor, dass die Bewertung der nationalen Strategiepläne durch die EU-Kommission „ausschließlich auf Grundlage rechtlich verbindlicher Gesetze“ geschehen darf. Damit wären die Initiativen des Green Deal als Bewertungsgrundlage ausgeschlossen.
Reaktionen
Das NGO-Bündnis Arc2020 sah in dem Vorschlag aus Berlin eine „Kastration“ der Umweltaspekte der neuen GAP. Die ausdrückliche Erklärung, nur rechtlich bindende Gesetze als Grundlage für die Bewertung der Strategiepläne zu verwenden, beschrieb die Organisation als „Versuch, das Potential und die Gestaltungskraft des Green Deal zu schwächen“, der den Übergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft in der EU potentiell gefährde. So stehe der Vorschlag Klöckners zur Konditionalität beispielsweise den Inhalten der EU-Biodiversitätsstrategie entgegen, die einen Anteil von zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche als „Landschaftselement mit großer Vielfalt“ vorsieht. Die EU-Kommission solle sich angesichts der Unvereinbarkeit des Vorschlags mit den Zielen des Green Deal mit der Frage beschäftigen, ob sie ihren Vorschlag für die GAP-Reform nicht wieder zurückziehen sollte.
Auch der Nabu kritisierte den Vorschlag und forderte Julia Klöckner auf Twitter auf, sich als Vorsitzende des Agrarrats dafür einzusetzen, „#EcoSchemes verpflichtend und ambitioniert überall in Europa einzuführen – und zwar ab 2023.“
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, beschrieb die vorgeschlagene Übergangszeit für Eco Schemes als Mittel, um „Gelder, die in eine ressourcenschonende Landwirtschaft fließen sollten, wieder unqualifiziert auf den Hektar streuen zu dürfen.“ Es sei „ausgesprochen ärgerlich, dass Deutschland nicht einmal den Versuch startet, für eine grünere GAP zu sorgen.“
GAP-Verhandlungen: So geht es weiter
Die Landwirtschaftsminister*innen der Mitgliedstaaten werden den deutschen Vorschlag in der nächsten Woche im Rahmen des Agrarrats diskutieren. Bis zur folgenden Sitzung des Agrifish-Rats am 19. Oktober will Julia Klöckner eine abgestimmte Ratsposition erreichen, um die Verhandlungen mit dem EU-Parlament und der EU-Kommission beginnen zu können.
Damit die inter-institutionellen Verhandlungen („Trilog“) starten und der GAP-Reform-Prozess in die heiße Phase eintreten kann, muss sich jedoch auch das EU-Parlament noch zum Vorschlag der EU-Kommission positionieren. Da die Verhandlungen zwischen dem Agrar- und dem Umweltausschuss gescheitert waren (siehe EU-News vom 18.06.), liegt diese Aufgabe nun bei den Fraktionen. Das Plenum wird voraussichtlich in seiner Sitzung vom 20. bis 22. Oktober über das GAP-Reformpaket abstimmen. Bis zum 14. Oktober können Änderungen zum aktuellen Entwurf eingereicht werden.
A Green Recovery for EU Agriculture
Vor diesem Hintergrund veröffentlichten in dieser Woche 198 Politiker*innen, Unternehmen, NGOs und weitere Organisationen eine Erklärung für eine „grüne Erholung der Landwirtschaft“, darunter auch der Deutsche Naturschutzring. In ihrem Statement fordern sie, die „Farm to Fork“- und die Biodiversitätsstrategie als Grundlage für eine nachhaltige europäische Landwirtschaftspolitik zu verwenden. Die zukünftige GAP müsse demnach auf die Prinzipien des Green Deal ausgerichtet sein und diese umsetzen, damit landwirtschaftlichen Betrieben der Übergang zu einer langfristig nachhaltigen Bewirtschaftung erleichtert werden könne. [km]
Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft zu GAP-Strategieplänen
Informationen und Tagesordnung zum Agrarrat am 21.09.
Arc2020 zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft
Arc2020 zu aktuellen Verhandlungen innerhalb des EP