Kommission sagt Mikroplastik ein Kämpfchen an
Die EU-Kommission hat einen weiteren Schritt zur Reduktion von Mikroplastikverschmutzung getan. Am 16. Oktober hat sie Maßnahmen gegen die unbeabsichtigte Freisetzung von Verschmutzung durch Kunststoffpellets vorgeschlagen. Das bereits geltende Mikroplastikverbot für verschiedene Produkte wie Kosmetika ist Umweltverbänden zu wenig.
Kunststoffpellets sind um die fünf Millimeter groß und sind der Rohstoff für die Herstellung aller Kunststoffe. Laut EU-Kommission werden derzeit jedes Jahr zwischen 52.000 und 184.000 Tonnen Pellets in die Umwelt freigesetzt, weil die gesamte Lieferkette unsachgemäß gehandhabt wird. Mikroplastik ist persistent, sehr mobil, schwer aus der Natur zu entfernen und damit ein großes Umwelt- und Gesundheitsproblem. Nicht nur im Meer oder im Klärschlamm, auch auf Äckern, im Waldboden und der Arktis sowie in menschlichen Blutproben findet sich inzwischen Mikroplastik. Auch auf dem Mount Everest, wie EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius auf X postete.
Mit dem Vorschlag soll sichergestellt werden, dass alle Wirtschaftsbeteiligten, die Pellets in der EU handhaben, erforderliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Hierzu zählen bewährte Handhabungspraktiken für Betreiber, obligatorische Zertifizierung und Eigenerklärungen, eine harmonisierte Methode zur Schätzung von Verlusten und eine Erhöhung der Rechenschaftspflichten, allerdings auch weniger strenge Anforderungen für kleine und Kleinstunternehmen. Als letzte Option gilt die „Reinigung nach einem Austritts- oder Verlustereignis“. Die Maßnahme gehört zum Null-Schadstoff-Aktionsplan, in dem als Ziel festgehalten ist, die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt bis 2030 um 30 Prozent zu verringern.
Das Bundesumweltministerium (BMUV) nannte die Maßnahme einen wichtigen Schritt für eine sauberere Umwelt. Die Beschränkung werde für die unterschiedlichen Anwendungen schrittweise wirksam, um den Herstellern ausreichend Zeit zu geben für die Entwicklung von Alternativen und die Umstellung der Produktion. Die Hersteller von abspülbaren Kosmetikprodukten verzichteten bereits seit 2020 freiwillig auf den Einsatz von Mikroplastikpartikeln mit schmirgelnder Wirkung, so das BMUV. Allerdings sei der Umwelteintrag von Mikroplastik durch Abrieb von Produkten wie zum Beispiel Reifen oder synthetischen Textilien noch deutlich größer als der Eintrag durch absichtlich zugesetzte Partikel. Die EU-Kommission müsse nun konkrete weitere Schritte gehen, um auch Mikroplastik durch Abrieb zu begrenzen, so das BMUV.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch schon eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT von 2018.
„Es gibt kein Glitzerverbot“, EU-Verbot „zu zaghaft“, „Risiko flüssiges Mikroplastik“
Seit dem 17. Oktober gelten außerdem neue EU-weite Regelungen gegen die Verwendung von absichtlich zugesetzten Mikroplastikpartikeln. Die Verordnung (EU) Nr. 2023/2055 ist 20 Tage nach Erscheinen im Amtsblatt in Kraft getreten. Etwas Aufregung verursachte diese Regelung in den sozialen Medien, weil angenommen wurde, es gebe nun ein „Glitzerverbot“ – was der WWF auf X verneinte: Glitter, Glitzer und Glamour seien weiter erlaubt – nur eben ohne Mikroplastik. Auch der Kunstrasen auf Sportplätzen ist vom Verbot betroffen – es gelten aber lange Übergangsfristen bis 2031 und es gibt auch schon Alternativen (Artikel Heise). Der BUND nannte die EU-Regeln auch deshalb „zu zaghaft“. Die von der EU eingeräumten langen Übergangzeiten für die Verwendung von Mikroplastik in Produkten seien angesichts von bereits existierenden, nachhaltigen Alternativen „unverständlich“. Zudem sei das Verbot von festem Mikroplastik in Produkten wie Körperpeelings oder losem Glitzer zwar ein erster Schritt zum Schutz von Gesundheit und Umwelt, die weitere Verwendung von flüssigen und halbfesten Kunststoffen hingegen ein Risiko. Die BUND ToxFox-App zeige, dass Unternehmen festes Mikroplastik häufig durch flüssige Kunststoffe ersetzten. „Auch flüssige Kunststoffe sind synthetische Polymere, die in der Umwelt nur schwer bis überhaupt nicht abgebaut werden können. Über das Abwasser gelangen diese Stoffe in die Naturkreisläufe“, so der BUND. Die Organisation kritisierte den vermehrten Einsatz von flüssigen synthetischen Polymeren und forderte auch hierfür ein EU-weites Verbot. [jg]
Kommission schlägt Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung durch Mikroplastik durch Kunststoffpellets vor: Pressemitteilung und Fragen & Antworten sowie Brochure on EU action against microplastic pollution
Chemikalienmeldungen kurz & knapp
- Endokrine Disruptoren: Die Umweltabteilung der OECD hat in einem Bericht über umwelthormonell wirksame Schadstoffe (EDCs) in Gewässern neue Methoden zur Überwachung der Wasserqualität vorgestellt, die die traditionelle stoffbezogene chemische Analyse ergänzen. Außerdem werden politische Instrumente und Vorschriften vorgestellt, um den Lebenszyklus von Chemikalien von der Quelle bis zum End-of-Pipe zu verwalten, auch wenn die verursachende Chemikalie noch unbekannt ist.
- Quecksilber: Das Europäische Umweltbüro (EEB) hat analysiert, dass giftige Quecksilberkosmetik immer noch als „Lösung“ für dunkle Haut vermarktet wird und hat 213 Produkte von 23 Online-Plattformen aus 12 Ländern getestet: 90 Prozent enthielten mehr Quecksilber als der im Minamata-Übereinkommen festgelegte Grenzwert!
- REACH: Auch laut Spiegel droht die Reform der EU-Chemikalienverordnung zu scheitern; jedenfalls kommt sie nicht wie versprochen (siehe auch EU-News zum Arbeitsprogramm 2024)