Mooratlas, Bericht zur CO₂-Entnahme, Zweifel an Carbon Farming
Der Mooratlas präsentiert Daten und Fakten zu Mooren als „nasse Klimaschützer”. Ein aktueller Bericht untersucht Praxis und Potentiale von Kohlenstoffentnahmen aus der Atmosphäre. Neue Studie stellt klar: Humuszertifikate als Instrument ungeeignet.
Die Wiedervernässung von Moorböden ist ein entscheidender Hebel für den Klimaschutz in der Europäischen Union. Anhand eindringlicher Fakten und prägnanter Grafiken stellt der am 10. Januar veröffentlichte Mooratlas die gravierende Situation der Moore in Deutschland, Europa und der Welt dar. Nasse Moore sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Werden die Ökosysteme jedoch für die Bewirtschaftung entwässert, setzen sie enorme Mengen Treibhausgase frei. In der EU verursachen trockengelegte Moore 5 Prozent der Gesamtemissionen: jährlich 220 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.
Moore in der EU: Geringer Flächenanteil mit großer Klimawirkung
Entwässerte Moorböden nehmen lediglich 3 Prozent der europäischen Landwirtschaftsflächen ein. Dort verursachen sie allerdings 25 Prozent der Emissionen der Sektoren Landwirtschaft und Landnutzung (LULUCF). Damit zählt die EU zu den globalen Spitzenreitern der Emissionen aus entwässerten Mooren: Der Anteil der EU an den weltweiten Mooremissionen liegt bei 11,8 Prozent, überboten nur von Russland und Indonesien.
Lösungen: Wiedervernässung, Paludikultur, Umbau der GAP
Aber der neue Mooratlas zeigt auch eine Vielzahl von Lösungen auf, um die Emissionen aus Moorböden zu reduzieren. Als wichtige Instrumente benennt der Atlas Maßnahmen zur Wiedervernässung und Anhebung der Wasserstände, die umfassende Förderung von Paludikultur (nasse Bewirtschaftung) und die entsprechende Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Herausgegeben wurde der Mooratlas von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit der Michael Succow Stiftung, dem Greifswald Moor Centrum (GMC) und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Neuer Bericht zur Kohlenstoffentnahme
Der Schutz und die Wiederherstellung von Mooren wird zudem als eine der möglichen landbasierten Praktiken zur Kohlenstoffbindung gehandelt. Zum Thema CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) erscheint am 19. Januar die „erste umfassende globale Bewertung des aktuellen Stands der Kohlendioxid-Entnahme“. Der Bericht wurde von einem internationalen Forschungsteam von CDR-Expert*innen verfasst, die auch an den Berichten des Weltklimarats (IPCC) beteiligt waren. Neben den zügigen Anstrengungen zur Reduktion von Emissionen sei eine Ausweitung der Kohlenstoffentnahme dringend erforderlich, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen.
Technische Lösungen zur CO2-Entnahme bislang bedeutungslos
Im Bericht gibt es zum ersten Mal eine Schätzung der Gesamtmenge an CDR, das derzeit weltweit eingesetzt wird. Laut der Wissenschaftler*innen bestehe eine große Lücke zwischen den Planungen der Staaten zur Kohlenstoffentnahme und dem Bedarf zur Erreichung der Klimaziele. Aktuell stamme praktisch sämtliche Kohlenstoffbindung - 99,9 Prozent oder 2 Gigatonnen CO2 pro Jahr - aus der Landnutzung, hauptsächlich durch die Senkenfunktion von Wäldern. Nur ein verschwindend geringer Anteil des atmosphärischen CO2 werde bislang durch neuartige technische Methoden, wie Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS), Biokohle oder direkte CO2-Abscheidung aus der Luft (DACCS), gebunden.
Humuszertifikate ungeeignet als Klimaschutzinstrument
Aber auch die landbasierten Optionen zur Kohlenstoffbindung, oft auch Carbon Farming genannt, stehen vor einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten. So kommt eine aktuelle Studie mehrerer Forschungsinstitute zum Schluss, dass Kohlenstoffzertifikate für Humusaufbau auf Agrarböden kein geeignetes Instrument für den Klimaschutz darstellen und voraussichtlich weit hinter den Erwartungen an sie zurückbleiben dürften. Insbesondere die Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffbindung könne hier nicht gewährleistet werden. Ebenso gebe es Probleme bei der langfristigen Überwachung und der Absicherung gegen Verlagerungseffekte. Und auch die Haftung für die langfristige Kohenstoffbindung sei bislang ungeklärt.
Permanenz nicht zu garantieren
Dies könne zu falschen Versprechungen von scheinbarer Klimaneutralität führen: „Wenn Unternehmen Ausgleichszertifikate allerdings verwenden, um Produkte als klimaneutral zu vermarkten, ist dies bei nicht dauerhafter Kohlenstoffspeicherung eine Form von irreführender Werbung, gegen die geklagt werden könnte“, erklärte Carsten Paul, Studienleiter am Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Umweltverbände weisen schon seit geraumer Zeit auf die Probleme und falschen Versprechungen zu Humuszertifikaten hin.
EU plant Rechtsrahmen für Kohlenstoffentnahme
Derweil hat die EU-Kommission im November 2022 einen Vorschlag für einen Gesetzesrahmen für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen vorgelegt. Der Verordnungsvorschlag zum „Carbon Removal Certification Framework“ (CRCF) lässt bislang aber noch viele Fragen unbeantwortet. Im Frühjahr 2023 soll daher eine Expert*innengruppe zusammenkommen, die sich mit den technischen Herausforderungen befasst und verschiedene Zertifizierungsmethoden der Kohlenstoffentnahmen entwickeln soll. Darüber hinaus ist es jetzt noch möglich der EU-Kommission Rückmeldung zum geplanten CRCF zu geben. [bp]