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Moore als natürliche Kohlenstoffspeicher
News | 06.07.2022
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie

Moore als natürliche Kohlenstoffspeicher

Friedländer Große Wiese in Mecklenburg-Vorpommern, einer der Mooremissions-Hotspots Deutschlands
© Hans Joosten
Friedländer Große Wiese in Mecklenburg-Vorpommern, ein Hotspot von Mooremissionen: Die meisten Moore in Deutschland sind entwässert, werden landwirtschaftlich genutzt und emittieren massiv Treibhausgase.

Intakte Moore reduzieren den Treibhauseffekt und haben eine kühlende Wirkung auf das Klima. Sie fördern die biologische Vielfalt, verbessern die Wasserqualität und die ländliche Wertschöpfung. Trockengelegte Feuchtgebiete hingegen verursachen enorme Schäden in der Atmosphäre.

In natürlichen, nassen Mooren wird langfristig neues Pflanzenmaterial schneller produziert, als die Reste abgestorbener Pflanzen sich abbauen. Ähnlich wie saure Gurken werden die Pflanzenreste unter Sauerstoffabschluss im Wasser „eingelegt“ und häufen sich so in Schichten als Torf an. Moore speichern somit Kohlenstoff (C), den die Pflanzen bei der Fotosynthese als Kohlendioxid (CO₂) der Atmosphäre entzogen haben.

Die Bedeutung dieser Kohlenstofffestlegung als kurzfristige „nature based solution“ sollte man nicht überschätzen: Die etwa 100 Megatonnen Kohlenstoff, die natürliche Moore pro Jahr netto festlegen, entsprechen nur einem Prozent der weltweiten jährlichen anthropogenen CO₂-Emissionen. Außerdem emittieren nasse Moore auch Methan (CH4). Die ausgestoßene Menge von 30 Megatonnen Methan pro Jahr ist nicht groß, aber durch die stärkere Treibhauswirkung von Methan wird die positive Klimawirkung der Kohlenstofffestlegung in kurzfristiger Betrachtung mehr als zunichtegemacht. Mit einer durchschnittlichen Lebenszeit in der Atmosphäre von 12,4 Jahren verliert Methan durch Oxidierung seine starke Klimawirkung aber zügig. Deshalb führt die anhaltende Methanquelle nicht zu einer über die Zeit zunehmenden Konzentration von Methan in der Atmosphäre, es entsteht ein „Fließgleichgewicht“. Hingegen nimmt die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre durch die anhaltende CO₂-Senkenwirkung natürlicher Moore kontinuierlich ab. Auf diese Weise haben die Moore in den vergangenen 10.000 Jahren das Weltklima um etwa 0,6 Grad Celsius gekühlt.

Hans Joosten
Ähnlich wie saure Gurken werden die Pflanzenreste unter Sauerstoffabschluss im Wasser „eingelegt“ und häufen sich so in Schichten als Torf an.
Hans Joosten, Uni Greifswald
Professor em. für Moorkunde und Paläoökologie

Vorteilhafter Kreislauf: Torf entsteht unter Wasser – bleibt er dort, stoppt er die CO2-Freisetzung

Die anhaltende Senkenwirkung wird durch positive Rückkopplungsmechanismen ermöglicht: Die Reste abgestorbener Moorpflanzen werden durch Wassersättigung nicht vollständig zersetzt. Der sich ansammelnde Torf sorgt dann dafür, dass das Wasser schwieriger ablaufen und die Wassersättigung, das Moorpflanzenwachstum und die Torfbildung auf einem immer höheren Niveau gewährleistet werden kann. So hebt das Moor sich selbst allmählich in die Höhe.

Weil in Mooren auf diese Weise über viele Jahrtausende Kohlenstofffestlegung stattgefunden haben kann, enthalten Moore mit 1.000–2.000 Tonnen C pro Hektar (ha) im Vergleich zu anderen Ökosystemen überproportional viel Kohlenstoff. Wälder enthalten zum Beispiel „nur“ 140–230 Tonnen C pro Hektar, das heißt eine Größenordnung weniger. Weltweit enthalten Moore und Anmoore – die „organische Böden“ genannt werden – mit 600 Milliarden Tonnen fast doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder der Erde zusammen.

Moore und Anmoore bedecken in Europa eine Fläche von etwa einer Million Quadratkilometer. In Deutschland sind es etwa 18.000 Quadratkilometer. Allerdings beruhen in Deutschland die Zahlen oft auf Jahrzehnten alten, überalterten Kartierungen. Und weltweit ist die Kenntnis über die Moorverbreitung teilweise so lückenhaft, dass noch immer riesige Flächen „neuer“ Moore gefunden werden, beispielsweise in Afrika sowie in Süd- und Zentralamerika.

Franziska Tanneberger
Ein Acker auf entwässertem Moorboden in Deutschland emittiert im Schnitt etwa 40 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Hektar und Jahr – die gleiche Menge an Treibhausgasen, die ein Mittelklasse-Pkw mit Benzinmotor freisetzt, wenn er jährlich mehr als viermal um die Erde fahren würde.
Franziska Tanneberger, Greifswald Moor Centrum
Leiterin

Trockengelegte und landwirtschaftlich genutzte Moore verstärken massiv den Treibhauseffekt

Weltweit befinden sich etwa 85 Prozent der Moore noch in einem weitgehend natürlichen Zustand. Auf einer Fläche von 500.000 Quadratkilometern sind Moore jedoch durch Entwässerung in einem Maß gestört, dass kein Torf mehr gebildet wird. Im Gegenteil führt das Eindringen von Sauerstoff in den Boden dort zu einer ständig fortschreitenden Oxidierung der Torfe, wodurch die Treibhausgase Kohlendioxid und Lachgas (N2O) entstehen. Ein Acker auf entwässertem Moorboden in Deutschland emittiert so im Schnitt etwa 40 Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr – das ist die gleiche Menge an Treibhausgasen, die ein Mittelklasse-Pkw mit Benzinmotor freisetzt, wenn er jährlich 185.000 Kilometer (also mehr als viermal um die Erde) fahren würde. Bei Grünland sind es circa 30 Tonnen. Jeder Liter Milch einer Kuh, die von Moor-Grün- und Ackerland ernährt wird, ist fast so CO2-intensiv wie die Verbrennung von zwei Litern Benzin. Bioenergie, gewonnen aus Pflanzen, die auf entwässerten Mooren angebaut werden – wie Mais, Zuckerrohr, Palmöl, Holz –, mobilisiert pro Einheit produzierter Energie mehr CO2, als dies fossile Brennstoffe tun.

Entwässerte Moorböden emittieren weltweit etwa 1.600 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente durch mikrobielle Torfoxidation. Hinzu kommt eine jährlich sehr stark wechselnde Menge an Treibhausgasen aus Torf- und Torfschwelbränden in einer Größenordnung von 500 bis 1.000 Megatonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Entwässerte Moore auf 0,4 Prozent der Landfläche der Erde sind so für fast 5 Prozent aller weltweiten anthropogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich, allen voran die in Indonesien, der Europäischen Union und Russland; innerhalb der EU entfällt die Hälfte auf Deutschland, Finnland und Polen. In der EU und in Deutschland machen die Emissionen aus entwässerten Mooren etwa 5 bis 7 Prozent der Gesamtemissionen aus. In moorreichen Regionen deutlich mehr – zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern (36 Prozent) und Niedersachsen (17 Prozent). Der weit überwiegende Teil dieser Emissionen stammt von landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Die Ziele des Pariser Klimaabkommens implizieren, dass bis 2050 die Netto-CO2-Emissionen auf Null zurückgebracht sein müssen, und dass wir insbesondere nach 2050 Netto-CO2-Senken brauchen. Damit Moore ihre Rolle als globale Kohlenstoffsenke wieder erfüllen können, müssen alle noch natürlichen Moore geschützt und praktisch alle entwässerten Moore weltweit wiedervernässt werden. Das bedeutet, dass ab jetzt 50.000 ha pro Jahr in Deutschland, 500.000 ha pro Jahr in der EU und 2.000.000 ha pro Jahr weltweit wiedervernässt werden müssen. Mit dem großen Vorteil, dass dadurch auch Biodiversität, Wasserqualität und ländliche Wertschöpfung durch Paludikultur profitieren können!

Der Autor

Dr. Hans Joosten ist Professor em. für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald und Generalsekretär der International Mire Conservation Group, der Weltorganisation von Moorschützern.

Die Autorin

Dr. Franziska Tanneberger hat Landschaftsökologie und Naturschutz studiert. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Niedermoore in Mittel- und Osteuropa sowie Sibirien. Sie ist Wissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Leiterin des Greifswald Moor Centrum.

Weitere Informationen

Tanneberger, F. et al: The power of Nature-based Solutions: How peatlands can help us to achieve key EU sustainability objectives.

Joosten, H. (2022). Moor muss nass. Wiedervernässung vorantreiben, Torfabbau verhindern. In: Wiegandt, K. (Hrsg.): Drei Grad mehr – Ein Blick in die drohende Heißzeit und wie uns die Natur helfen kann sie zu verhindern. oekom, München, S. 209-232.

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