Neue Gentechnik: Kritik an „unkritischer“ Position der EU-Kommission
Die im April veröffentlichte Studie der EU-Kommission zu Verfahren der neuen Gentechnik sei unwissenschaftlich und zu stark von Industrieinteressen beeinflusst. Das kritisierten mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen und Bauern- und Handelsverbände in dieser Woche.
In ihrer Studie hatte die EU-Kommission überlegt, neue Gentechnik als Teil einer nachhaltigen europäischen Landwirtschaft zu etablieren und die Verfahren nicht mehr unter dem bestehenden EU-Gentechnikrecht zu regulieren (siehe EU-News vom 29.04.). Für die unterzeichnenden Organisationen, darunter Greenpeace, Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, Slowfood Europe, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München, sei ein solcher Richtungswechsel in der Gentechnikpolitik „unverhältnismäßig“. Es gebe keine wissenschaftliche Grundlage dafür, verschiedene Verfahren und ihre Produkte auf einmal zu deregulieren. Im Gegenteil: Von den Technologien gehe nach wie vor ein Risiko aus, weshalb alle gentechnisch veränderten Organismen (GVO) einer Risikobewertung unterzogen werden müssten. In ihrer Studie ignoriere die EU-Kommission jedoch „eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse und Analysen, die auf die Risiken der neuen Gentechniken hinweisen“, monieren die unterzeichnenden Organisationen und werfen der EU-Kommission vor, „unkritisch der ‚Wunschliste‘ der GVO-Industrie für eine Deregulierung“ zu folgen. Im Gegensatz zu den Risiken seien die potenziellen Vorteile der Neuen Gentechnik zudem „wahrscheinlich gering oder unbedeutend.“
Als Grund für die unkritische Haltung der EU-Kommission sieht das Bündnis das Ungleichgewicht der vertretenen Interessen im Konsultationsprozess, der der Studie vorausging: 74 Prozent der Beiträge stammten demnach von der GVO-Industrie, auf deren „nicht überprüfbare“ Versprechen die EU-Kommission sich „zu sehr“ verlasse. So sei bisher nicht belegt, dass Pflanzen, die mit neuer Gentechnik entwickelt wurden, tatsächlich dazu beitragen können, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ein Großteil der dafür in Frage kommenden Pflanzen befinde sich derzeit noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase.
Die Organisationen fordern, Verfahren der Neuen Gentechnik weiterhin über das bestehende Gentechnikrecht der EU zu regulieren. Dieses dürfe nicht abgeschwächt, sondern müsse verschärft werden, um „den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt zu erhalten und zu verbessern.“ Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Deregulierung könnte dazu führen, dass es keine Sicherheitskontrollen, keine GVO-Kennzeichnung für VerbraucherInnen, keine Rückverfolgbarkeitsanforderungen und keine Überwachung nach dem Inverkehrbringen gibt. „Eine Deregulierung würde dazu führen, dass die BürgerInnen nicht mehr wissen, was sie essen und die LandwirtInnen nicht mehr wissen, was sie säen“, mahnen die unterzeichnenden Organisationen.
Statt die Entwicklung neuer GVO zu fördern, sollte die EU stattdessen nachhaltige Anbausysteme wie Agrarökologie und den ökologischen Landbau unterstützen.
Auch im Rahmen des Weltnaturschutzkongresses war das Thema Neue Gentechnik in dieser Woche Thema: siehe EU-News vom 08.09. [km]