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Noch viel zu tun beim Schutz vor gefährlichen Chemikalien
EU-News | 12.01.2024
#Chemikalien #Landwirtschaft und Gentechnik #Wirtschaft

Noch viel zu tun beim Schutz vor gefährlichen Chemikalien

Blick in ein Chemielabor

Reform der EU-Chemikalienpolitik tritt weiter auf der Stelle. Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) wirken laut Studienergebnissen bereits im Mutterleib, weshalb HEAL ein möglichst vollständiges PFAS-Verbot fordert. PAN Europe hat zwei Klagen eingereicht, um die Kontrolle von Pestiziden zu verbessern. Statistisch gibt es in der EU weniger gefährliche Chemikalien, Verbrauch und Produktion sind dennoch hoch.

Bleibt die europäische Chemikalienpolitik wie sie ist?

Zur Freude des umweltpolitischen Sprechers der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Peter Liese, habe der für den Green Deal zuständige Geschäftsführende Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, ihm gegenüber bestätigt, dass die geplante Verschärfung der europäischen Chemikalienpolitik „definitiv nicht“ komme. Liese sieht darin „ein weiteres Zeichen einer Zeitenwende in der europäischen Umweltpolitik“ in Richtung Realismus mit Konzentration auf „das Wesentliche“, nämlich die Bekämpfung der Wirtschaftskrise und die Energiewende. Umweltverbände hatten schon im vergangenen Jahr kritisiert, dass die ursprünglich versprochene Reform der EU-Chemikalienverordnung REACH immer noch nicht vorliegt und auch im Arbeitsprogramm der Kommission für 2024 fehlen (EU-News 18.10.2023).

PFAS mit negativem Einfluss bereits vor der Geburt

Eine in der Fachzeitschrift Lancet Planetary Health erschienene wissenschaftliche Studie weist darauf hin, dass Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) den Menschen bereits im Mutterleib beeinträchtigen. Die Studie liefere laut der Organisation Health and Environment Alliance (HEAL) der Beweise dafür, dass Föten, die PFAS ausgesetzt sind, schon vor der Geburt einen veränderten Stoffwechsel und eine veränderte Leberfunktion aufweisen, was das Risiko von Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes im Erwachsenenalter erhöhen könne. HEAL-Direktor Génon Jensen sagte: „Diese zeitnahe und gründliche Studie zeigt, was wir schon lange befürchtet haben: PFAS haben das Potenzial, künftige Generationen bereits vor ihrer Geburt negativ zu beeinflussen, und die Exposition ist schwer zu vermeiden.“ Deshalb sei die vorgeschlagene EU-Beschränkung für PFAS heute wichtiger denn je. HEAL fordert die EU auf, einem weitgehend restriktiven Vorschlag den Vorzug zu geben, der Ausnahmeregelungen für alle nicht wesentlichen PFAS-Verwendungen auf ein Minimum reduziert.

Pestizide und „Beistoffe“: PAN Europe zieht vor Gericht

Das Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Europe hat bereits im letzten Dezember zwei neue Klagen beim Gericht der EU eingereicht – Basis ist die Aarhus-Konvention, die Verbänden den Zugang zu Gerichten ermöglicht. Die Organisation will damit „die falsche Umsetzung der EU-Pestizidgesetzgebung korrigieren“. PAN Europe wendet sich im ersten Fall gegen die neue Verordnung über Beistoffe. Diese sei eine „leere Rechtsvorschrift“ ohne Verpflichtung für die Pestizidhersteller, Toxizitätsdaten vorzulegen. Der zweite Fall betrifft die Wiederzulassung von Abamectin, ein „hochgiftiges Insektizid“, das zwar – „unter dem Vorwand, dass es sich um geschlossene Systeme handelt“ – auf Gewächshäuser beschränkt ist. Der Kommission und den Mitgliedstaaten sei aber sehr wohl bekannt, dass Pestizide aus Gewächshäusern austreten und Gesundheit und Umwelt gefährden, kritisierte PAN.

PAN-Expertin Salomé Roynel erklärte: „Beistoffe sind Bestandteile von Pestizidprodukten, die die Toxizität des Wirkstoffs erhöhen.“ Tausende verschiedener chemischer Beistoffe würden absichtlich auf Lebensmittel und in die Umwelt gesprüht. Die neue Verordnung der EU-Kommission soll Beistoffe angeblich regulieren, „aber in Wirklichkeit tut sie das nicht“. Ohne die Verpflichtung zur Bereitstellung von Toxizitätsdaten durch die Industrie könne es keine angemessene Bewertung dieser Chemikalien geben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe in einem Bericht eingeräumt, dass der Europäischen Kommission für mehr als die Hälfte der Beistoffe keine Informationen über ihre Toxizität vorlägen.

Auch das „Schlupfloch für Gewächshäuser“ will PAN Europe verschlossen wissen. Die Sonderregelung für Gewächshäuser als angeblich geschlossenen Systemen halte einem Praxistest oftmals nicht stand. Das ist ein Trick, mit dem die EU-Kommission hochgiftige Pestizide auf dem Markt halte, ohne dass es eine Kontrolle gebe, kritisierte die Organisation. So seien in den letzten Jahren neben Abamectin auch andere hochgiftige Pestizide wie Neonicotinoide oder Bifenazat beschränkt auf Gewächshäuser erneut zugelassen worden. Gleichzeitig gebe es aber Leitfäden der Europäischen Kommission, in denen sie anerkennt, dass Gewächshäuser undichte Systeme sind. Abamectin ist als fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft, außerdem bestehe ein starker Verdacht auf Genotoxizität.

Statistisches zu gefährlichen Chemikalien

Laut den Daten der Europäischen Statistikbehörde Eurostat lagen Produktion und Verbrauch gefährlicher Chemikalien im Jahr 2022 zwar bei einem „historischen Minimum“. Der Verbrauch dieser gesundheitsgefährdenden Chemikalien in der EU lag aber immer noch bei 196 Millionen Tonnen. Die Produktion von gesundheitsgefährdenden Chemikalien in der EU sei seit 2010 rückläufig und lag 2022 bei 190 Millionen Tonnen. [jg]

 

Pressemitteilung Peter Liese

HEAL: New scientific study indicates PFAS can increase risk of disease in unborn children

PAN Europe launches 2 new court cases against EU Commission for deceptive protection of health and the environment

Eurostat: Chemicals production and consumption statistics

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