PFAS-Verschmutzung in Europas Bächen, Flüssen, Seen
Die Europäische Umweltagentur (EEA) hat Überwachungsdaten der EEA-Waterbase von 2018 bis 2022 aufbereitet und die Überschreitungen der Grenzwerte von Perfluoroctansulfonat (PFOS) analysiert. Erschreckendes Ergebnis: PFOS sind fast überall in zu hohen Mengen nachweisbar. Und das ist erst der Anfang des Problems. Derweil wird im Trilog über prioritäre Substanzen im Wasser debattiert.
Die EEA-Überwachungsdaten zeigen, dass Perfluoroctansulfonat (PFOS) in europäischen Gewässern weit verbreitet ist und häufig die gesetzlichen Grenzwerte zum Schutz von Gesundheit und Umwelt überschritten werden. Demnach lagen 51 bis 60 Prozent der Flüsse, 11 bis 35 Prozent der Seen und 47 bis 100 Prozent der Übergangs- und Küstengewässer über den gesetzlichen Schwellenwerten.
PFOS gehört zu der Gruppe von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die aus etwa 10.000 verschiedenen Verbindungen besteht. Ihrer extremen Langlebigkeit in der Umwelt wegen werden die auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Weil PFAS eine Reihe an bedenklichen Eigenschaften aufweisen, wächst die Besorgnis:
- Potenzial zur Bioakkumulation in lebenden Organismen;
- hohe Mobilität in Wasser, Boden und Luft;
- Potenzial zum weiträumigen Transport und
- (öko-)toxikologische Wirkungen, die sich auf Mensch und Umwelt auswirken.
„Das weit verbreitete Vorhandensein von PFOS und potenziell vielen anderen PFAS in Europas Gewässern stellt eine klare Herausforderung für das Ziel der EU dar, eine giftfreie Umwelt zu schaffen. Sie gefährdet auch das politische Ziel der EU, bis spätestens 2027 einen guten chemischen Zustand der europäischen Gewässer zu erreichen, wie es in der EU-Politik festgelegt ist“, schreibt die EEA. Zudem müssten die Überwachungsmaßnahmen ausgeweitet werden, um mehr Informationen über ein breiteres Spektrum von PFAS in einem größeren geografischen Gebiet zu erhalten. Empfindlichere Analysemethoden seien außerdem erforderlich.
PFAS - riskante Substanzen mit Ewigkeitswert
Das Projekt Forever Pollution schätzt, dass es in Europa etwa 23.000 PFAS-verseuchte Standorte gibt, davon sind etwa 2.300 „Hotspots“ mit hohen Verschmutzungswerten, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen können. Im Rahmen des EU-Biomonitoring-Projekts HBM4EU wurden PFAS bewertet und festgestellt, dass sie in Blut- und Urinproben von europäischen Teenagern die sicheren Richtwerte überschreiten. Trifluoressigsäure (TFA), ein sehr langlebiges Abbauprodukt von unter anderem zur PFAS-Gruppe gehörenden Pestiziden, sei im europäischen Grundwasser auf dem Vormarsch und stelle eine Bedrohung für das Trinkwasser dar, da die TFA-Kontamination nur schwer zu entfernen ist. Darauf hatte auch das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) schon hingewiesen; PFAS in Feuerlöschschäumen gefährden die Gesundheit der Feuerwehrleute und die Umwelt, in Norditalien ist die Sterblichkeit erhöht (EU-News 12.06.2024).
PAN Europe hat in einer neuen Studie nachgewiesen, dass TFA auch in Mineralwasserquellen zu finden ist.
Auch Meeresströmungen und Gischt seien wichtige Verbreitungswege für PFAS und trügen zu deren globaler Präsenz bei (siehe auch EU-News 31.08.2024). PFAS wurden weit entfernt von ihren potenziellen Quellen und auf allen Kontinenten mit unterschiedlichem Industrialisierungsgrad nachgewiesen.
Derweil rudern die beantragenden Behörden aufgrund von Druck aus der Industrie mit ihrem umfassenden Verbotsvorschlag scheinbar zurück (EU-News 29.11.2024). Der Verbots-Vorschlag könnte abgeschwächt werden, heißt es in einem Fortschrittsbericht der Europäischen Chemikalienagentur ECHA in Zusammenarbeit mit fünf nationalen Regulierungsbehörden, darunter die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA). Man sucht nach möglichen Alternativen zum universellen Verbot.
Trilog: Umweltausschuss im EU-Parlament positioniert sich zu prioritären Substanzen
Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat am 4. Dezember grünes Licht für die Aufnahme von Trilog-Verhandlungen über die Aktualisierung der EU-Normen zur Wasserverschmutzung gegeben (ENVI, siehe Punkt 12). Diese formelle Zustimmung zur Verabschiedung ist laut Europäischem Umweltbüro (EEB) zwar zu begrüßen und lange überfällig, „doch die zahlreichen Verzögerungen, die dieses Dossier belastet haben, gefährden sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung im kommenden Jahrzehnt“. Der nunmehr zwei Jahre alte Vorschlag der EU-Kommission zur Aktualisierung und Erweiterung der Liste der prioritären Schadstoffe, die in der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geregelt sind, sei verschleppt worden. Deshalb dürften die Verhandlungen zur Fertigstellung des Textes wahrscheinlich nicht vor Januar nächsten Jahres beginnen, kritisiert die Organisation.
„Diese Verzögerungen haben erhebliche Konsequenzen“, den laut WRRL müssen die Mitgliedstaaten ihre nächsten Bewirtschaftungspläne für die Flusseinzugsgebiete für den Zeitraum 2028 bis 2033 planen. Wenn in diese Bewirtschaftungspläne keine Maßnahmen für neue Schadstoffe wie PFAS, Arzneimittel und Pestizide aufgenommen werden, blieben die Pläne „leere Hüllen (...), die den Schutz der europäischen Gewässer nicht gewährleisten“.
EEB-Wasserexpertin Sara Johansson sagte: „Mit der [...] Abstimmung rückt die längst überfällige Verabschiedung aktualisierter EU-Gewässerschutzstandards einen Schritt näher. Jetzt sind alle Augen auf die polnische Präsidentschaft gerichtet, um die Trilog-Verhandlungen abzuschließen und auf die Mitgliedstaaten, sich zu verpflichten, Maßnahmen zu PFAS, Arzneimitteln und Pestiziden zu ergreifen, um die Emissionen, Einleitungen und Verluste dieser schädlichen Stoffe zu begrenzen“. [jg]
EEA: PFAS pollution in European waters
EEB: About time: European Parliament finally greenlights negotiations on water pollutants
REACH-Ausschuss soll PFAS in Feuerlöschschäumen einschränken
In einem Schreiben an den REACH-Ausschuss haben Europäisches Umweltbüro (EEB), ClientEarth, Chemtrust, Chemsec und HEAL Forderungen für die nächste Sitzung am 17. Dezember zusammengetragen. Im Mittelpunkt stehen die Notwendigkeit, PFAS in Feuerlöschschäumen einzuschränken, die vorsichtige Überprüfung von Chromtrioxid-Zulassungen und die Sorge über Verzögerungen bei der Umsetzung des Fahrplans für Beschränkungen von Chemikalien. Die Organisationen fordern ein wirksames chemisches Risikomanagement und rechtzeitige Maßnahmen für gefährliche Stoffe.
Letter to the Members of the REACH Committee
PFAS beschränken: Offener Brief an an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Wissenschaftler*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Exit Plastik, haben am 3. Dezember einen offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben, um ambitionierte Unterstützung für den PFAS-Beschränkungsvorschlag auf EU-Ebene zu fordern. Die EU-Kommission muss einen klaren Kurs zeigen und die Entwicklung von sicheren Alternativen zu PFAS fördern sowie einen Diskurs über die Zukunft und die nachhaltige Transformation des Chemiesektors unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft führen.
Manifest für ein dringendes Verbot der „Ewigkeits-Chemikalien“
Kein PFAS in Kleidung und Schuhen: Dänemark geht mit gutem Beispiel voran
Die dänische Regierung hat die EU-Kommission Ende November von ihrem Plan informiert, den Verkauf von mit PFAS behandelten Kleidungsstücken und Schuhen zu stoppen. Dieses Verbot soll bereits vor einem europaweiten Verbot in Kraft treten.