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Saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transformation: Der Mission Letter für Teresa Ribera
EU-News | 07.11.2024
# sozial-ökologische Transformation #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie #Wirtschaft

Saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transformation: Der Mission Letter für Teresa Ribera

Portrait von Teresa Ribera Rodríguez
© European Union, 2024 (Christophe Licoppe)

Teresa Ribera soll die neue Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für eine saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transformation werden. Am 12.11. wird sie sich beim Hearing im Europäischen Parlament einer umfassenden Befragung zu ihrer Kompetenz und den Prioritäten für ihr zukünftiges Amt stellen. Wer ist Ribera, und welche Aufgaben erwarten sie?

Klimaziele umsetzen, einen Clean Industrial Deal entwickeln, Wettbewerb stärken und strategisch wichtige Innovationen in Europa vorantreiben – Teresa Ribera Rodríguez erwartet als Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für eine saubere, gerechte und wettbewerbsfähige Transformation ein anspruchsvolles Mandat, das die europäische Klima- und Industriepolitik maßgeblich prägen wird. Sie wurde von der spanischen Regierung als Kandidatin für die Position vorgeschlagen.

Die studierte Rechtswissenschaftlerin ist seit 2011 Mitglied der spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (Partido Socialista Obrero Español, PSOE) und hat seitdem verschiedene Positionen innerhalb der spanischen Regierung innegehabt, darunter als Ministerin für ökologischen Wandel und demografische Herausforderungen. Die Nominierung durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird als Signal dafür gewertet, dass die EU weiterhin Wert auf den Green Deal legt und diesen als Wachstumsstrategie verfolgt. 

„Teresa Ribera ist die zentrale Figur in der zweiten Von-der-Leyen-Kommission für eine zukunftsfähige EU. Ihre Aufgabe wird es sein, effektiven und ganzheitlichen Klimaschutz mit der Transformation der europäischen Industrie zu verbinden,“ fasst Christina Stoldt, DNR-Referentin für deutsche und europäische Industriepolitik, Riberas neue Rolle zusammen.

Welche konkreten Aufgaben wurden Ribera in ihrem Mission Letter übertragen?

  • Clean Industrial Deal: Gemeinsam mit Wopke Hoekstra (designierter Kommissar für Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum) und Stéphane Séjourné (designierter Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie) wird sie einen Clean Industrial Deal entwickeln. Dieser soll als Rahmen für Leitmärkte für Klima-Technologien fungieren und neue Investitionen sowie gute Bedingungen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen schaffen. Riberas zentrale Aufgabe ist dabei die Entwicklung eines neuen Beihilferahmens für erneuerbare Energien, die Dekarbonisierung der Industrie und die Produktion von Clean Tech. Sie soll zudem die Verfahren für diese Beihilfen vereinfachen. Wie dieser Clean Industrial Deal aussehen sollte, hat der DNR in einem Forderungspapier skizziert.

  • (Post-) 2030 Transformation: Ribera wird die Umsetzung der Klimaziele für das Jahr 2030 vorantreiben und zugleich ein Rahmenwerk entwickeln, das die Weichen für die Zeit danach stellt. Dieser Rahmen soll sich an dem Ziel orientieren, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken.

  • Förderung strategischer Innovationsprojekte: Die Empfehlungen des Draghi-Berichts zu Ausbau und Förderung von Important Projects of Common Interest (IPCEI) (EU-News vom 11.09.2024) umzusetzen, zählt zu Riberas Kernaufgaben. In Bereichen von strategischer Bedeutung für die europäische Souveränität sowie für die Erreichung von Klima- und Nachhaltigkeitszielen soll Ribera dafür sorgen, dass die Antragsverfahren für Projekte vereinfacht und beschleunigt werden. Dazu zählen zum Beispiel die Wasserstoffwirtschaft, Batterietechnologie und Halbleiterproduktion. Sie soll außerdem einen Europäischen Wettbewerbsfonds zur Unterstützung solcher Innovationsprojekte schaffen.

  • Erneuerung von Wettbewerbsregeln: Ribera soll die Wettbewerbsregeln gegen unfaire Subventionen und Wettbewerbsverzerrungen stärken und die Foreign Subsidies Regulation (FSR) umsetzen. Die FSR hat zum Ziel, unfaire Wettbewerbsvorteile ausländischer Unternehmen zu verhindern, die von staatlichen Subventionen außerhalb der EU profitieren. Solche Subventionen können den Binnenmarkt verzerren, da sie es ausländischen Firmen ermöglichen, Produkte günstiger anzubieten oder Unternehmensübernahmen in der EU zu erleichtern. Außerdem sollen die Fusionskontroll-Leitlinien überarbeitet werden, die der Kommission helfen zu beurteilen, ob eine Fusion den Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen könnte, zum Beispiel durch übermäßig hohe Marktanteile oder das Risiko, dass sich fusionierte Unternehmen im Preiswettbewerb weniger herausgefordert sehen. So soll vermieden werden, dass Konsument*innen Nachteile, wie höhere Preise oder weniger Auswahl, erfahren.

  • Energie und Wohnen: Riberas Aufgabe wird es sein, Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise in Europa zu entwickeln und umzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Industrien zu stärken und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Dazu gehört auch das Ziel, Europa unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen. Sie wird dabei eng mit dem designierten Kommissar für Energie und Wohnungsbau, Dan Jørgensen, zusammenarbeiten, um eine stabile und saubere Energieinfrastruktur aufzubauen und gezielte Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern. Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit wird darin bestehen, Energiearmut zu bekämpfen und so einen Beitrag zur Lösung der Wohnraumkrise in Europa zu leisten. Ribera wird auch die Regeln für staatliche Beihilfen im Bereich Wohnungsbau überarbeiten, um die Förderung energieeffizienten und sozialen Wohnraums zu unterstützen.

Ribera erwartet ein Balanceakt in der EU-Kommission

Die überlappenden Portfolios, die von der Leyen eingeführt hat, erfordern eine engere Zusammenarbeit zwischen den Kommissar*innen. Die Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft voranzutreiben wird daher eine Mammutaufgabe sein, für die es viel verhandlerisches Geschick braucht, schätzt DNR-Expertin Christina Stoldt.  „Als erfahrene Diplomatin und versierte Umwelt- und Klimapolitikerin ist sie dieser gewachsen“, ist Stoldt überzeugt. Tatsächlich bringt Ribera umfangreiche Erfahrung in Umwelt- und Klimapolitik mit und ist bekannt für ihre engagierte Klimapolitik; so hat sie in Spanien bedeutende Reformen im Bereich erneuerbarer Energien wie die Abschaffung der „Sonnensteuer“ umgesetzt, die Schließung von Kohleminen vorangetrieben und hat Spaniens Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) eingeleitet.

Teile der EVP und die Atomlobby lehnen Teresa Ribera als Klimakommissarin ab, weil sie eine klare Anti-Atomkraft-Position vertritt. Ribera hat sich wiederholt gegen Atomenergie ausgesprochen und betont, dass sie sich auf erneuerbare Energien und nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen konzentrieren möchte. Die Atomlobby befürchtet, dass unter ihrer Führung die Unterstützung für Atomkraft als klimafreundliche Energiequelle eingeschränkt werden könnte. Die EVP, die in Teilen ebenfalls pro-Atomkraft eingestellt ist, sieht in Riberas Position eine Bedrohung für ihre energiepolitischen Interessen und stellt daher ihre Eignung für das Klimaressort infrage.

Umweltverbände wie CAN Europe fordern von Ribera eine stärkere Fokussierung auf einen sozial gerechten Übergang. Damit dieser gelingt, müsse Riberas Mission über die Aufrechterhaltung des Klima-Sozialfonds und des Just Transition Fund hinausgehen. So müsse ein Wettbewerbsfonds von klaren sozialen und ökologischen Auflagen begleitet werden. Weil der Begriff „gerecht“ Teil von Riberas Jobtitel ist, erwartet Cornelia Maarfield, Leiterin des Bereichs Energie bei CAN Europe, dass die Kommission einen „Social Deal" auf die gleiche Stufe wie einen „Industrial Deal“ stellt, um sicherzustellen, dass nicht nur die Industrie den Übergang bewältigt, sondern auch Haushalte und Menschen im Mittelpunkt aller Entscheidungen stehen. Dem pflichtet auch Stoldt bei: „Gerade zur Frage der sozialen Flankierung klima- und industriepolitischer Maßnahmen hat von der Leyen bisher noch viel zu wenig Vorschläge gemacht. Wir sind gespannt, wie Teresa Ribera hier in ihrer Anhörung vor dem Europäischen Parlament nachlegen wird.“

Riberas Hearing wird am 12.11. um 18:30 Uhr vor den Ausschüssen Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI), Wirtschaft und Währung (ECON) und Industrie, Forschung und Energie (ITRE) stattfinden. [ks]

 

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