Weltklimarat: Es ist dringend!
Die Treibhausgasemissionen steigen, dabei wäre eine Vollbremsung angebracht. Das ist das Ergebnis des Sechsten Sachstandsbericht (AR6) des Weltklimarates IPCC. Die Bedrohungen sind weitreichender als bisher angenommen, die eingetretenen Schäden größer. Umweltverbände werfen den Regierungen vor, die Bevölkerung im Stich zu lassen und fordern ein Ende der fossilen Ära.
Der AR6-Bericht vom 20. März hebt hervor, dass drastische und schnelle Emissionssenkungen erforderlich sind, um die Zwischenziele für den Klimaschutz zu erreichen: Eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 43 Prozent bis 2030 und um 60 Prozent bis 2035. Dann müsste bis Mitte des Jahrhunderts eine Netto-Null-Grenze erreicht werden, um zu verhindern, dass die globalen Temperaturen den gefährlichen Kipppunkt von 1,5 °C überschreiten. Die derzeitige Politik wird dies aber trotz einer Reihe kosteneffizienter Lösungen wohl nicht erreichen, zumal die Klimazusagen und –versprechen noch lange keine Handlungen sind. Jedes Zehntelgrad Durchschnittserwärmung erhöht die Folgekosten und Risiken, warnen die Wissenschaftler*innen des IPCC. Der Klimarat schlägt auch vor, wie Maßnahmen ineinandergreifen könnten, um die Klimamaßnahmen synergetisch zu verbessern.
Der Klimaforscher Mojib Latif sagte in einem Interview mit den Klimareportern, dass der weltweite Ausstoß an CO2 sofort und drastisch sinken müsse, da sich das Zeitfenster zum Handeln schließe. Gleichzeitig gelte es, nachhaltige Wege für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre zu finden. Aber: Der Klimawandel werde „schlicht nicht ernst genommen“.
Der EU-Vizekommissionspräsident und Klimakommissar Frans Timmermans twitterte, dass der IPCC „unmissverständlich“ die schwerwiegenden Folgen der Klimakrise aufzeige. Dies sollte „die Grundlage für mehr Ehrgeiz auf der #COP28 sein“, also der Ende November startenden UN-Klimakonferenz in Dubai. Es müsse aktualisierte nationale Emissionsreduktionsziele (NDCs) geben, bis 2025 ein globaler Emissionsgipfel stattfinden, ein „Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ohne Abstriche“ erfolgen sowie „robuste innenpolitische Maßnahmen, um die Aufgabe zu bewältigen“ beschlossen werden. Die Generaldirektion Forschung begrüßte den Bericht. Bereits heute lebten etwa 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen in Gebieten, die durch den Klimawandel stark gefährdet sind.
Klaus Röhrig, Leiter des Bereichs Klima bei CAN Europe, kommentierte, dass der AR6-Bericht zeige, dass der europäische Grüne Deal „sehr unzureichend“ ist. Die Legislativvorschläge zu Gebäudeeffizienz, das Gaspaket und die Legislativvorschläge zu erneuerbaren Energien müssten „viel höhere Ziele verfolgen, damit das Klima- und Energiegesetzgebungspaket 'Fit For 55' die 55 überschreiten und sich mindestens den 65 nähern kann“, so Röhrig. Dies sei eine Frage der Wissenschaft und der globalen Gerechtigkeit.
Der WWF Europa forderte die Staats- und Regierungschefs auf, die Emissionen in allen Sektoren rasch zu senken, die Anstrengungen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen extreme Wetterereignisse zu intensivieren und die Natur zu schützen und wiederherzustellen. Die Maßnahmen hätten noch nicht den Umfang und die notwendige Geschwindigkeit erreicht, es fehle der politische Wille für mutige Maßnahmen. Die Regierungen ließen ihre Bevölkerung im Stich. Ein beschleunigter Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sei der beste Weg, um zu verhindern, dass der Planet die 1,5°C-Marke überschreite und eine „totale Klimakatastrophe“ drohe. Der WWF begrüßte den jüngsten IPCC-Bericht und stellt fest, dass er hervorhebt:
- dass es bereits viele kostengünstige Lösungen für die notwendige Umstellung der gesamten Wirtschaft gebe [C.3]
- dass die Kosten für erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie in den letzten zehn Jahren um bis zu 85 Prozent gesunken seien [A.4.2]
- dass Natur und der Naturschutz entscheidend seien - einschließlich der Notwendigkeit, 30 bis 50 Prozent des Landes, des Süßwassers und der Ozeane der Erde zu erhalten, um die Widerstandsfähigkeit der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen auf globaler Ebene zu bewahren [C.3.6]
„Wir können nicht darauf hoffen, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, uns an den Klimawandel anzupassen und Leben und Lebensgrundlagen zu retten, wenn wir nicht auch dringend handeln, um die Natur zu schützen und wiederherzustellen. Die Natur ist ein nicht verhandelbarer Teil der Lösung der Klimakrise“, so der WWF.
Der Deutsche Naturschutzring forderte die deutsche Regierung vor dem Europäischen Rat am 23./24. März auf, beim EU-Klimapaket „Fit for 55“ dem Trilogkompromiss zuzustimmen. „Die EU darf jetzt nicht auf der Zielgeraden des „Fit for 55“-Pakets den Schwung und den Mut verlieren. Um das eigene Versprechen der Klimaneutralität einzulösen und nicht mit leeren Händen zur nächsten Weltklimakonferenz zu fahren, sind Einigungen in den Dossiers zu CO2-Standards für PKW, der Gebäudeeffizienzrichtlinie und der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie dringend erforderlich“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. [jg]
IPCC’s Synthesis report of the 6th Assessment Cycle und deutsche IPCC-Informationsseite
Klimareporter/Latif-Interview: „Der Klimawandel wird schlicht nicht ernst genommen“
Euractiv: Weltklimabericht: EU-Klimachef will COP28 mit mehr Ehrgeiz angehen
CAN Europe: Reaction to the IPCC synthesis report of the 6th Assessment Cycle
WWF: Leaders urged to listen to science and act now to avert climate catastrophe
DNR-Pressemitteilung: Klimafreundliche Industrie: Europäischer Rat stellt zentrale Weichen